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RENTENANGST

Wie wollen wir sterben?

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 13. August 2014

Schlagloch Pflegeheim

.VON MATHIAS GREFFRATH

Sterbehilfe muss geregelt werden. Wichtiger aber wäre eine Debatte über die bessere Ausstattung von Pflegeheimen – und unseren Anteil daran.

 Am schlimmsten: nicht im Sommer sterben, wenn alles hell ist und die Erde für den Spaten leicht …“ Später Abend in der Sommerfrische, das Essen ist ins Trinken übergegangen, einer hat den Benn-Vers vor sich hin gesagt. Und eine entgegnet: Es gibt Schlimmeres. Das Gespräch kommt darauf, wie wir sterben, wie wir nicht sterben möchten. Geschichten werden erzählt vom Tod an den Schläuchen, nachts im Krankenhausbett, im Pflegeheim unter Dementen. Wach abtreten oder hinüberdämmern, ist die Frage, und einer erzählt von Wolfgang Herrndorf, der mit dem Karzinom im Gehirn noch das lebensheitere Buch „Tschick“ schrieb. Und dann der Abgang: mit dem Revolver im Mund, als er gerade noch dazu in der Lage war. Irgendwo spottete Herrndorf über die Phrase, die Menschen sollten „an der Hand, nicht durch die Hand des Mitmenschen sterben“.

Bis zum nächsten Herbst werden wir den Satz noch öfter hören, von den Gegnern der „aktiven Sterbehilfe“. Dann will der Bundestag die Grauzone zwischen den Tatbeständen „Beihilfe zum Selbstmord“ (straffrei) und „Tötung auf Verlangen“ (Gefängnis) regeln. Das „demografische Problem“ gibt der Angelegenheit eine gewisse, zynische Hintergrundsdringlichkeit. Aber die Debatte ist auch ohnedies gespenstisch, weil abstrakt.

Das fängt mit den Begriffen an. „Selbstmord“ passt nicht auf den Todeswunsch unerträglich Leidender, und dem nichtjuristischen Verstand ist es schwer zu vermitteln, dass straffrei bleibt, wer dem Moribunden den Giftbecher gibt, bestraft wird, wer ihm die zitternde Hand hält.

Die Bibel akzeptiert Selbstmord

Einigkeit besteht in der Politik darüber, dass „kommerzielle Sterbehilfe“ verboten sein soll. Darüber hinaus will Gesundheitsminister Gröhe jegliche „organisierte“, von Organisationen oder im Rahmen ärztlicher Tätigkeit vollzogene Euthanasie verbieten; unterstützt wird er von Kirchen und Ärztekammer. Die kategorische Ablehnung der assistierten Selbsttötung steht auf theologisch dünnem Grund – weshalb die heftigsten Gegner in demagogischer Überspitzung von „Massenmord“ reden. Das Leben sei unverfügbar, weil Gott es gegeben habe. Aber folgt daraus die Pflicht zu einem schmerzvollen und einsamen Tod?

Weder das Alte Testament – das wertungsfrei von Selbstmorden zur Wahrung der Würde berichtet – noch das Neue verbieten die Selbsttötung. Es war die Hierarchie, die jahrhundertelang gegenüber Ärzten oder „weisen Frauen“ das Priestermonopol auf den Übergang ins Jenseits behauptete, so wie irdische Herrscher bis vor Kurzem ihr Recht auf das Leben ihrer „Subjekte“ reklamierten.

 

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia –

Quelle Eigenes Werk
Urheber Francish7

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