Wahlziel drei Prozent
Erstellt von Redaktion am Montag 3. Juni 2019
Verfehlte Klimapolitik der Bundesregierung
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Die Regierungsparteien reagieren auf die Europawahl mit Wählerschelte und Selbstzerfleischung. Eine aktuelle Studie zeigt den wahren Grund für ihr miserables Abschneiden – doch sie wird ignoriert.
Drei Prozent. Das ist für mich die wichtigste Zahl der vergangenen Woche. Es sollte eigentlich auch die wichtigste Zahl für die panischen Schadensbegrenzer im politischen Berlin sein. Doch bei Union und SPD ist man noch immer auf der Suche nach Gründen für das eigene Abschneiden bei der Europawahl.
Die Tatsache, dass Sie mit dieser Zahl im Moment vermutlich nichts Aktuelles verbinden, ist symptomatisch. Am Dienstag, als sie veröffentlicht wurde, handelten die nationalen Nachrichten überwiegend von den fehlgeleiteten Schadensbegrenzungsversuchen.
In der „Tagesschau“ um 20 Uhr ging es an diesem Dienstag um Annegret Kramp-Karrenbauers Ideen neuer „Regeln“ für das, was Öffentlichkeit und Presse im Wahlkampf dürfen. Das ging ja nun wirklich nicht, dass da junge Leute öffentlich sagen „Wählt die nicht, die tun nicht genug fürs Klima“. Dass eine CDU-Vorsitzende sich explizit zu Presse- und Meinungsfreiheit bekennen muss, dürfte als schlagendes Beispiel für die Überforderung der deutschen Politik im Jahr 2019 in die Geschichte eingehen.
Die SPD schaffte es an diesem Dienstag auch in die „Tagesschau“ um acht, und zwar mit dem, was die Partei im Moment einfach am besten kann: Personaldebatten führen, nachdem man sich explizit darauf geeinigt hatte, keine Personaldebatte zu führen.
Die Ministerin ist sichtlich genervt
Man hätte sich ja durchaus mal mit den Inhalten auseinandersetzen können, die für eine erfreulich hohe Wahlbeteiligung und eine historisch zu nennende Wählerwanderung hin zu den Grünen gesorgt haben. Eine immerhin hat es versucht, aber sie drang nicht so richtig durch.
Es war nämlich die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, aus deren Haus diese Zahl kam. Schulze wirkte bei der Pressekonferenz – in der Tagesschau mittags um 12 immerhin konnte man sie sich ansehen – deutlich genervt und fast ein bisschen verzweifelt. Man kann sie verstehen.
Jetzt aber: Wofür stehen die drei Prozent?
Drei Prozent, das ist der Anteil der Befragten, die in einer repräsentativen Studie namens „Umweltbewusstsein in Deutschland“, der Aussage zustimmten, die Bundesregierung tue „genug“ für den Umwelt- und Klimaschutz. Weitere 11 Prozent rangen sich zu einem „eher genug“ durch.
85, in Worten FÜNFUNDACHTZIG Prozent finden, die Bundesregierung tue „eher nicht“ (45%) oder „nicht“ (40%) genug, um unseren Planeten für Menschen lebenswert zu erhalten. Die Befragung fand übrigens lange vor der Veröffentlichung von Rezos „Zerstörung der CDU“ statt.
War das nicht früher Oskars rot Licht Laterne ?
Diese Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“ wird von Umweltbundesamt und Umweltministerium alle zwei Jahre in Auftrag gegeben. Vor zwei Jahren war immerhin noch ein Drittel der Deutschen ganz oder halbwegs zufrieden mit der Klima- und Umweltpolitik der Bundesregierung. In nur zwei Jahren aber ist das Vertrauen in die Regierung in Sachen Klima um weitere 20 Prozentpunkte abgestürzt.
Selbstkritisch ist der Wähler übrigens auch: Nur 19 Prozent finden, dass Bürgerinnen und Bürger selbst genug oder eher genug für Klima und Umwelt tun. Dass die Industrie „genug“ tut, fand nur ein Prozent der Befragten. Das passt ins Bild.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Signing of the coalition agreement for the 19th election period of the Bundestag: Lars Klingbeil; Andrea Nahles; Olaf Scholz; Angela Merkel; Horst Seehofer; Alexander Dobrindt; Volker Kauder; Annegret Kramp-Karrenbauer; Andreas Scheuer…
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Unten –– Wahlplakat der CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer für die Landtagswahl 2017 im Saarland (Saarbrücken)…