DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

von der Leyen

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 9. September 2010

Für die Nicht-Könner
aber trotzdem machen wollende –
alles nur Gedöns

Die totale Unfähigkeit der Politik und die Verachtung der Politik für die Menschen, für die sie eigentlich verantwortlich zeichnet, resultiert aus dem Teil des Sparpaketes (Fragen und Antworten), welches das ärmste „Personal“ des Staates tragen soll – wohlverpackt in geschliffenen Worten, die soziales Bewusstsein dieses Staates vorgaukelt.
Die Atom-Lobby, die ebenfalls unter dem Sparpaket „leiden“ sollte, erfreut sich dagegen über die Merkel-Entscheidung hinsichtlich längerer Laufzeiten der Atommeiler und wird in den kommenden Jahren zig Milliarden steuerlich subventionierte Gewinne einstreichen. Die sogenannte Brennelemente Steuer bezahlen die lachend aus der Portokasse.
Das nennt die politische Bourgeoisie dann soziale Ausgewogenheit!
UP.

Dazu ein Rundbrief von Frieder Claus, Diakonie Stuttgart: *)
…nun hat Ministerin van der Leyen ihr Konzept für ihre „Kinderreform“ nach dem BVerfG-Urteil vom 9.2.2010 zur Neubemessung des Regelsatzes mit der Förderung von Bildung und „Teilhabe“ (Link für PDF-Dokument) vorgestellt:

Einen Großteil der Regelsatzerhöhung scheint es danach als „Bildungspaket“ zu geben, dessen Bedarfe aber jeweils einzeln beim Jobcenter beantragt und genehmigt werden müssen. Die zweckgerechte Verwendung ist teils nachzuweisen, teils wird die Sachleistung von den Leistungserbringern (Ziel Chipkarte) direkt mit den Jobcentern abgerechnet.

Neben allen Problemen von Sachleistungen und Gutscheinen, neuen Flops mit IT-Großprojekten… wird hier eine höchst problematische Doppelstruktur zur funktionierenden Kinder-und Jugendhilfe aufgebaut: „Die Jobcenter erhalten ab dem 1.1.2011 eine neue Aufgabe: die gezielte Förderung hilfebedürftiger Kinder in den Bereichen Bildung und Teilhabe“.

Die Mitarbeitenden der Jobcenter stoßen bereits mit den bisherigen Aufgaben an Leistungsgrenzen (s. fehlerhafte Bescheide, „Klageflut“, von der BA eingeräumte Qualifikationsmängel…). Mit der zusätzlichen Aufgabe als „Experten für Kinderförderung“ wächst die Überforderung durch eine unnötige Parallelstruktur. Die Aufgabe wird nämlich bereits von der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe kompetent wahrgenommen und bedarf dort nur der Sicherung durch entsprechende Rechtsansprüche. Weshalb brauchen wir noch eine zentralistisch gesteuerte Jugendhilfe für arme Kinder ?

Wenn man sich anschaut, dass dann nicht nur ein neuer Budgetteil des pauschalierten Regelsatzes auf die Chipkarten geladen werden sollen sondern Einzelleistungen auf Antrag, wird nicht nur die weitere Überforderung der Jobcenter sondern ein riesiger neuer Bürokratieapparat sichtbar.

Das Sachleistungs- und Chipkartenmodell hat mindestens folgende problematische Seiten:

– Leistungen sind nicht überall verfügbar. Besonders auf dem Land fehlen sowohl die entsprechenden Angebote als vermutlich auch die Anbieter, die sich die teuren Lesegeräte kaufen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der kleine Sportverein eines Dorfes oder ein Nachhilfelehrer mit wenigen Schülern ein Lesegerät für ca. 250 Euro kaufen wird.

– Sachleistungen schränken Dispositionsfreiheit unvertretbar ein: Knappe Ressourcen brauchen die Dispositionsfreiheit, etwa im Herbst auf ein kulturelles Angebot zu verzichten und dafür Winterstiefel für die Tochter zu kaufen. Die geplante Chipkarte bevormundet und verhindert diese notwendige Planungsfreiheit

– Chipkarten nur als Zusatzleistung bei gesicherter Existenz denkbar: Was nützt es der Mutter in ländlicher Region, wenn die Fahrtkosten für die Angebote in der nächsten Stadt nicht finanziert werden können?

– Missbrauchsverdacht bei den Schwächsten: Ist empirisch nicht belegt, begründet sich insbesondere aus negativem Menschenbild von sozial Schwachen. Es gibt auch beim Kindergeld oder dem entspr. Steuerfreibetrag Familien, die daraus lieber Spielekonsolen oder das nächste Auto finanzieren, ohne dass dies zu Sachleistungsüberlegungen führt.

– Diskriminierung: Zumindest anfänglich kann eine Chipkarte nur für bedürftige Kinder umgesetzt werden. Die Bereitschaft der Kommunen zur Umsetzung für alle Kinder fehlt und kann auf Bundesebene nicht festgesetzt werden. Damit werden Kinder mit Chipkarte als bedürftig erkenntlich, was insbesondere in dörflichen Strukturen schnell die Runde macht.

– Umsetzbarkeit für die Fläche Deutschlands ungesichert: Auch nach Einschätzung des Stuttgarter Chipherstellers ein „hochkomplexes Problem“ [2]. Das Stuttgarter Modell funktioniert nur in einer Großstadt mit dichter Anbieterstruktur. Ein landesweit umgesetztes Modell ist nicht bekannt – auch nicht im vom Ministerium behaupteten Schweden. Bisherige IT-Großprojekte waren in der Umsetzung katastrophal (Toll Collect, Software der Bundesagentur A2LL).
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[2] Der Sprecher der Firma Sodaxa in der Financial Times Deutschland vom 10.8.2010

Diese Probleme stehen in keinem Verhältnis zu der vermeintlichen Sicherheit, dass damit Bildung und Teilhabe für alle bedürftigen Kinder möglich wird. Denn ob und wie diese Leistungen abgerufen und verwertet werden, hängt immer auch vom Maß der Zuwendung ab. Die aber kann weder mit Geld- noch mit Sachleistung sicher gestellt werden.

Weiterhin darf nicht vergessen werden, dass mit dem eingeplanten Haushaltsbudget von 480 Mio. Euro für jedes Kind etwa 25 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Nehmen wir 10 Euro für die Regelsatzerhöhung an, bleiben vielleicht noch 15 Euro für Mittagessen, Kultur, Sport, Ferienmaßnahmen und Lernförderung. Und dafür dieses Gedöns?

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*) Freigabe zum 09.09.2010
Diakonisches Werk Württemberg
Heilbronnerstr. 180, 70191 Stuttgart
Referat Wohnungslosenhilfe und Armut
Tel. 0711 / 1656-207, Fax / 1656-49207
E-mail: claus.f@diakonie-wuerttemberg.de

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Fotoquelle: Privat / DL

Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.

Ein Kommentar zu “von der Leyen”

  1. Gabi Köhler sagt:

    Moin,Moin,

    ist doch ganz einfach, Frau von der Leyen hat eben keine Ahnung vom wirklichen Leben, sonst würde sie nicht solche eine Mist fabrizieren. Im Grunde will man doch mit dieser Chipkarte nur dafür Sorge tragen, dass keine Gelder heraus gehen, denn dann kommt ja das auch so schöne Vorurteil unserer Poitiker wieder zum tragen, dass „Hartz IV – Empfänger“ das Geld versaufen oder halt eben nicht zum Wohle des/der Kindes/er einsetzten, sondern für ihre Zwecke, gelle, vereehrte Politiker!
    Man hat ja ein Ansehen zu verteidigen und dazu gehört halt, dass man die anderen fertig macht und die Oberhand behält, ob es zu deren Nutzen ist, sei dahin gestellt.
    Fakt ist, dass sich etwas bewegen muss, da ja unsere Gesetze (Hartz IV) nicht in Ordnung sind, mal gelinde ausgedrückt, also sucht eine Frau v. der Leyen einen Umweg, um so zu zeigen, wir wollen ja etwas ändern bzw. verbessern, nur tun sie das mit dieser Chipkarte nicht, denn wie bereits in dem Bericht angeführt, gibt es zuviele Defizide.

    Alles Gute den Betroffenen!

    LG Gabi

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