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Voller Gummiparagraphen:

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 16. Februar 2017

EU-Anti-Terrorismus-Richtlinie gefährdet Grundrechte

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Im Schnellverfahren boxt die Europäische Union gerade die Anti-Terrorismus-Richtlinie durch. Doch was die terroristische Gefahr eindämmen soll, bleibt nicht ohne Folgen für elementare Grundrechte wie die Meinungsfreiheit. Zudem könnten öffentliche Proteste schnell als „Terrorismus“ gelten.

Aktivisten besetzen das Förderband einer Kohlegrube. Ziviler Ungehorsam könnte mit der EU-Anti-Terror-Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen als Terrorismus eingestuft werden.

Die Anti-Terrorismus-Richtlinie (PDF) der Europäischen Union steht unmittelbar vor ihrer Verabschiedung. Nach den Anschlägen von Paris im November 2015 von der EU-Kommission auf den Weg gebracht, soll sie terroristische Aktivitäten unterbinden. Darunter fallen auch damit zusammenhängende Handlungen wie die Verbreitung und „Glorifizierung“ möglicherweise terroristischer Inhalte, Reisen für terroristische Zwecke oder die vermutete Absicht, Anschläge durchzuführen.

Heute debattiert das Plenum des EU-Parlaments über den im Eilverfahren durchgebrachten Gesetzestext, morgen stimmt es abschließend darüber ab – sollte die erwartete Mehrheit aus Christdemokraten und Konservativen (EVP), den Sozialdemokraten (S&D), der rechtspopulistischen EKR-Fraktion und den Liberalen (ALDE) halten. Als Richtlinie geht sie nicht direkt in nationales Recht über, sondern muss von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden, was diesen einen gewissen Spielraum erlaubt.

Einige Giftzähne gezogen

Auch wenn die sonst übliche Folgenabschätzung unterblieben ist, die mögliche unbeabsichtigte Auswirkungen beleuchten soll, wurden der Richtlinie einige Giftzähne gezogen. Nach einem lauten Aufschrei der Zivilgesellschaft schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten immerhin etwa nicht mehr verpflichtende, jedoch optionale Netzsperren vor.

Ein neuer Erwägungsgrund soll sicherstellen, dass der Ausdruck „radikaler, polemischer oder kontroverser Ansichten“ weiterhin erlaubt und legal bleibt, während ein Verweis auf die EU-Grundrechtecharta gewährleisten soll, dass die Presse- und Meinungsfreiheit in der EU nicht eingeschränkt wird. Verhindert werden konnte zudem ein Vorschlag, der auf den „Missbrauch von Verschlüsselung und Anonymität“ im Internet, beispielsweise über das anonymisierende Tor-Netzwerk, abgezielt hatte.

Kriminalisierung von Protesten zu befürchten

Mit dem finalen Ergebnis zufrieden zeigte sich Monika Hohlmeier (CSU/EVP), die als Berichterstatterin des EU-Parlaments entscheidend an der Ausarbeitung der Richtlinie beteiligt war. Insgesamt seien keine Schlupflöcher zu befürchten, versicherte uns Hohlmeier, „zumal die Richtlinie ja gerade dem Zweck dient, solche zu beseitigen, indem klare und einheitliche Definitionen für terroristische Straftatbestände geschaffen werden“.

Nur in Kombination mit den ebenfalls in Artikel 3 aufgelisteten Absichten wäre es möglich, dass eine bestimmte Handlung unter den Terrorbegriff falle. Auch eine „gewalttätige Demonstration, die das Leben von Mitmenschen gefährdet“, sagte Hohlmeier, „wäre aber selbst dann nicht automatisch terroristischer Natur, sondern würde unter die üblichen Gesetze“ des Strafrechts fallen.

Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e. V. spricht hingegen von einem rechtstechnischen Kniff, da Aktivitäten und Absichten zunächst gesondert voneinander definiert würden. „Die sanktionierbaren Tatbestände ergeben sich dadurch, dass diese Aktivitäten und Absichten frei, quasi modular, kombiniert werden“, sagte uns der Jurist. „Deshalb ist es kaum vorhersehbar, welches konkrete Handeln und welche konkreten Umstände als ‚Terrorismus‘ im Sinne der Richtlinie angesehen werden können.“

Vor diesen breiten und unscharfen Formulierungen warnten Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch, die etwa eine Kriminalisierung öffentlicher Proteste befürchten. Polit- oder Öko-Aktivisten könnten dann im schlimmsten Falle als Terroristen gelten, wenn sie – wie etwa gerade die Proteste gegen die sogenannte „Dakota-Pipeline“ in den Vereinigten Staaten zeigen – mit spektakulären Aktionen eine unklar gezogene Grenze überschreiten.

Greenpeace protestiert mit Störaktionen gegen ein Fischereiboot. Die Richtlinie öffnet den EU-Staaten Möglichkeiten zur Kriminalisierung von Protesten und politischen Aktionen.

Definitionssache: „Verherrlichung von Terrorismus“

Zudem stellt die Richtlinie auch das Verbreiten und die Glorifizierung von terroristischen Inhalten unter Strafe, unterlässt es jedoch, diese Verherrlichung näher zu definieren. Dies könnte zu ungerechtfertigten Eingriffen in die Meinungsfreiheit führen, teilte uns Maryant Fernández Pérez von der NGO European Digital Rights (EDRi) mit.

Eine Richtlinie zu verabschieden, die derart unklar formuliert ist und so viele Missbrauchsmöglichkeiten offenlässt, sei rücksichtslos und waghalsig. „Die Richtlinie bringt nur wenige offensichtliche Verbesserungen für die Sicherheit, aber ihre Mehrdeutigkeit und Unschärfe schafft große Risiken für demokratische Freiheiten“, so Pérez.

Auch Cornelia Ernst (Linke/GUE/NGL) übte scharfe Kritik an dem Gummiparagraphen. So genüge schließlich die mögliche Absicht, jemanden zu einer Terrortat anzustiften, um sich strafbar zu machen. „Die Folge werden vermutlich noch mehr Fälle als bisher sein, wo ein unbedachter Witz-Tweet einen großen Polizeieinsatz auslöst“, so Ernst.

Weiterbildung oder Terrorabsicht?

Quelle:  Netzpolitik ORG >>>>> weiterlesen
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Fotoquellen:

Oben – Foto: CC-BY-NC 2.0 endegelaende

Unten -Foto: CC-BY-SA 2.0 greenpeacede

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