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RENTENANGST

Verlorene Jungs

Erstellt von Redaktion am Sonntag 15. März 2015

Aufklärung sexuellen Missbrauchs

File:Odenwaldschule 08.jpg

AUS BERLIN UND DARMSTADT NINA APIN UND GABRIELA M. KELLER

AUFKLÄRUNG Ein Lehrer missbraucht an einer hessischen Schule über Jahrzehnte weit mehr als hundert Schüler. Die Behörden sehen nicht hin

Robert Collister läuft in schnellen, ausgreifenden Schritten über den Schulhof, fast rennt er, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen ein Notebook. Der Weg kostet ihn keine Überwindung, auch wenn jeder Meter vorwärts ihn zurückbringt, dorthin, wo alles begann.

Ein paar neue Klettergerüste stehen vor den flachen Gebäuderiegeln, sonst ist alles wie früher, die Sporthalle, die Flure, der Klassenraum, in dem Erich Buß oft gleich nach dem Unterricht Schüler zu sich ans Pult zog, um ihnen in die Hose zu fassen. Den Holzschuppen, in dem er sein Moped abgestellt hatte. Er ließ die Jungen damit fahren, oder er brachte sie auf dem Rücksitz zu sich nach Hause, wo er vermutlich weit mehr als hundert Jungen sexuell missbrauchte.

Jetzt, wo Collister auf die weiße Fassade der Schule blickt, kehren all die Szenen zurück wie Gespenster. Aber er spürt keine Beklemmung. „Für mich ist das wie ’ne Therapie“, sagt er in den Rauch der Zigarette. Er hat den Eindruck, dass endlich die Wahrheit ans Licht kommt.

Es ist Sonntagmittag. Eiswind schneidet über den Pausenhof. In den kahlen Sträuchern rasselt Schokoladenpapier. Die Elly-Heuss-Knapp-Schule liegt im Südosten Darmstadts. Collister, ein großer Mann mit etwas zu langen dunklen Haaren, ist allein. Robert Collister ist nicht sein richtiger Name. Er hat oft erlebt, wie die Leute auf Distanz gehen, wenn er offenbart, dass er als Kind Opfer sexueller Gewalt wurde. Im Gehen klappt er sein Notebook auf, klickt sich durch Ordner voll Fotos, von Schulfesten, Sportturnieren. Der Lehrer Buß, umringt von Kindern, Buß, wie er Schokoküsse verteilt. Collisters Blick flattert hin und her zwischen Vergangenheit und Gegenwart. „Es geht nicht nur um den Missbrauch, es geht auch um das Schweigen“, sagt er.

Robert [Name geändert] ist […] ein Kind mit sehr differenzierten Reaktionen. Liebevoll, hat viel zu geben. Bedürftig. Gestern waren wir Pizza essen, mit dem Rad am Herrngarten. Sehr enger Kontakt, hautnah. Es rührt mich zutiefst. […] Der Junge ist sogar schön. (Februar 1973)

Mehr als 700 Kilometer entfernt erhebt sich irgendwo in Mecklenburg eine kleine Holzhütte neben einer Ziegenweide, durch eine Straße vom Wohnhaus getrennt. Drinnen faltet ein schlanker Mann mit grauen Haaren und Outdoorkleidung seinen Körper in einen Korbsessel. Der Verschlag ist Andreas Ratz‘ „Traumazelle“, so nennt er das: Schaffelle, bunte Ölbilder, in der Ecke bullert ein Ofen. „Ich versuche, den ganzen Dreck hierzulassen“, sagt er.

Ratz, 52 Jahre alt, zwei Söhne, hat zweimal den Nachnamen gewechselt und lebt als Ökobauer auf dem Land. Die Vergangenheit hat ihn immer wieder eingeholt, wie vor drei Jahren, als er tagelang in der dunklen Hütte lag, mit Depressionen und Selbstmordgedanken. „Ist nicht leicht, mit einem Beschädigten wie mir leben zu müssen.“ Er lacht, nicht bitter, sondern jungenhaft.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :    Die Odenwaldschule in Heppenheim, Ortsteil Ober-Hambach.

Author / Autor: Kuebi = Armin Kübelbeck galerie.hbz-da.de

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Ein Kommentar zu “Verlorene Jungs”

  1. Mama Leonie sagt:

    Scheibchenweise gehört dem Lehrer der SCHNIEDELWUTZ gekürzt.

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