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Vergleich Beirut — USA

Erstellt von Redaktion am Montag 17. August 2020

In den USA
kann es jederzeit zu einer Explosion kommen

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Quelle       :         INFOsperber CH.

Von Red. / 11. Aug 2020 – 

Präsident Trump hat strenge Auflagen für Ammoniumnitrat aufgeweicht. Wie in Beirut kam es in Texas zu schweren Explosionen.

Das Center for Public Integrity ist eine US-Nichtregierungsorganisation, die behördliches Handeln untersucht. Bereits vor der Explosion von Ammoniumnitrat in Beirut hat sie nachgeforscht, wie die USA mit der Chemikalie umgehen.

Das jüngste Unglück passierte 2013 in der Stadt West in Texas. Die Feuerwehr wurde zu einem Feuer beim Düngerhändler West Fertilizer gerufen. Auch der Bürgermeister von West Tommy Muska gehörte dazu. «Als ich auf das brennende Gebäude zuging, entstand vor meinen Augen urplötzlich eine Wand und ich hörte eine Explosion. Eine sehr schlimme, sehr, sehr laute Explosion», erinnert er sich. Rund 20 Minuten nach Eingang der Meldung explodierten 60 Tonnen dort eingelagertes Ammoniumnitrat. «Ich wurde weggeschleudert und als sich wieder zu mir kam und aufstand, war da einfach nichts mehr», so Muska.

Die Gemeinde West und die zuständigen Stellen waren nicht über die Tonnagen und die genaue Lagerung der giftigen Chemikalie informiert gewesen. Das Unglück forderte 15 Tote, zwölf von ihnen Feuerwehrmänner, 260 Menschen wurden verletzt, 142 Häuser weggeblasen, ein Altersheim, eine Wohnüberbauung und zwei Schulen im Umkreis zerstört.

Dünger und Sprengstoff

Ammoniumnitrat wird zwar meist als Dünger verwendet, ist aber auch ein Sprengstoff: So hat der Oklahoma-Bomber, Timothy McVeigh, 1995 genau diesen Stoff für seinen Sprengstoffanschlag verwendet und damit 168 Menschen getötet. Die Explosion in West war zudem nicht die erste im Agrarstaat Texas: Bereits 1947 explodieren zwei Frachter in der Galveston Bay, töteten 581 Menschen und richteten in der Stadt Texas City riesige Schäden an. Dieser Unfall gilt bis heute als der grösste Industrieunfall der USA: Auch in 2009 flogen in Bryan, Texas, und 2014 in Athens, Texas zwei Lagergebäude mit Ammoniumnitrat in die Luft.

Barack Obama nahm 2013 an der Gedenkfeier in West teil und wies die Umweltagentur EPA an, strengere Regeln für Ammoniumnitrat und weitere gefährliche Chemikalien auszuarbeiten. Die EPA hatte bis dahin über 2000 Zwischenfälle mit dem Stoff registriert. Doch die sind bereits wieder Geschichte. Die Administration Trump hat die Sicherheitsregeln abgeschwächt oder teilweise ganz aufgehoben. Umweltgruppen kämpfen dafür, dass die Standorte der Lager nicht nur den Behörden und vor allem den Feuerwehren bekannt sind, sondern dass auch alle Bewohner wissen, was in ihrer Umgebung gelagert wird. Doch das erweist sich als schwierig. Die mächtige Düngemittelindustrie wehrt sich gegen strenge Regeln und will mit eigenen Massnahmen für Sicherheit sorgen. Einer freiwilligen Sicherheitsinitiative der Branche haben sich bis jetzt aber lediglich 94 Lagerstätten angeschlossen. Die Sprecherin der Initiative sagte gegenüber Public Integritiy: «Das garantiert nicht Sicherheit, Sicherheit ist ein laufender Prozess.»

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Wenigstens die Lager öffentlich benennen

Auch gegen die Publikation der Lagerungsstätten gibt es Widerstand, vor allem von Behördenseite. Ihre Argumentation: Da Ammoniumnitrat auch als Sprengstoff verwendet werden könne, sei es gefährlich, wenn man wisse, wo es gelagert sei. Allerdings, wie Public Integrity schreibt: Der Oklahoma-Bomber hatte den Sprengstoff über einen Strohmann ganz legal gekauft. Es geht um riesige Mengen: Allein zwischen Juli 2016 bis Juni 2017 wurden auf US-Feldern über 600’000 Tonnen Ammoniumnitrat ausgebracht, die vorher irgendwo gelagert worden waren. Das Departement für Homeland Security gibt bekannt, dass an mindestens 585 Orten so grosse Mengen gelagert werden, dass sie zu einer Gefahr werden können. Feuer kann dazu führen, dass die Pellet zu schmelzen beginnen und durch Oxidation das Feuer zur Explosion bringen können.

Auch im County, wo die Stadt West liegt, kann man in der Zwischenzeit nicht mehr nachschauen, wo sich Lagerstätten befinden: Der Staatsanwalt hat verfügt, dass die Stätten geheim bleiben sollen.

Auch in der Schweiz lagern Tonnen von Ammoniumnitrat

Die Detonation eines Lagers mit unspezifiziertem Ammoniumnitrat im französischen Toulouse im Jahre 2001 veranlasste verschiedene europäische Staaten wie auch die Schweiz, die Aspekte der Störfallvorsorge bei der Lagerung ammoniumnitrathaltiger Dünger vertieft zu untersuchen. Eine Umfrage des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) bei den kantonalen Störfallfachstellen hatte gezeigt, dass der Vollzug der Störfallverordnung in der Schweiz ungenügend harmonisiert war. Gemäss einer brancheneigenen Marktanalyse hatte sich seit 1991 der Umschlag aller Düngersorten in der Schweiz von rund 520’000 Tonnen pro Jahr (t/a) auf

270’000 t/a halbiert. Dabei machten 2011 Ammoniumnitrat-Dünger ungefähr 208’000 t/a aus, was rund 80 Prozent der Gesamtmenge an Dünger entspricht. Die Lagerbestände sind jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen. Während vier Monaten im Jahr sind die Lager voll. Für grosse Primärlager sind das die Monate Mai bis September, für mittlere und kleinere Sekundärlager (z. B. auch Bauernhöfe) Monate September bis November. In den übrigen Monaten des Jahres sind die Lager etwa zu zwei Dritteln belegt. Die Störfallvorsorge regelt die Lagerung, den Brandschutz und weitere Sicherheitsmassnahmen.

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Grafikquelle        :

Oben        —        Zerstörungen in der City von Beirut nach der Explosionskatastophe 2020

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