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US-Präsidentschaftswahl

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 4. November 2020

Tag der Lügner

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Netzpolitik ORG.

Von  Daniel Laufer und Tomas Rudl

Facebook und Twitter hatten versprochen, diesmal entschieden gegen Desinformation vorzugehen. Dennoch wurden die sozialen Medien zur Wahl in den USA abermals mit Falschmeldungen geflutet. Auch Donald Trump selbst wirkte daran mit.

Statt mit einem Wahlsieg endet die Nacht für den amtierenden US-Präsidenten mit einem Warnhinweis. In mehreren Bundesstaaten sind die Stimmen am frühen Morgen noch nicht ausgezählt, als Donald Trump seinem Ärger auf Twitter Luft macht. Er schreibt: „Sie versuchen, die Wahl zu stehlen.“

Es gibt keine Belege für diesen Vorwurf. Twitter hat ihn deshalb mit einer Kennzeichnung versehen. Wer den Tweet aufruft, wird darauf hingewiesen, darin enthaltene Inhalte seien „umstritten und möglicherweise irreführend in Bezug auf die Beteiligung an einer Wahl oder einem anderen staatsbürgerlichen Prozess“. Kurz: Der US-Präsident hat nach Ansicht der Plattform gegen die Regeln verstoßen.

Im Vorfeld hatte Twitter verkündet, bei Verstößen gegen ein neues Regelwerk im Zusammenhang mit der US-Wahl schnell reagieren zu wollen. Sie hatte unter anderem angekündigt, unbelegte Vorwürfe des Wahlbetrugs zu löschen oder zumindest zu markieren.

Offen erklärte Strategie

Dass es soweit kommen konnte, war absehbar. Trumps Tweet passt zu einer Strategie, die man seit Monaten beobachten kann. Immer wieder behauptete der Präsident, massiven Wahlbetrug zu wittern, obwohl es keine eindeutigen Hinweise auf einen solchen gab. Im Gegenteil: Wahlbetrug ist in den USA äußerst selten. Trumps Team machte derartige Befürchtungen dennoch regelmäßig zum Thema.

Immerhin waren die sozialen Netzwerke vorbereitet und reagierten mit einschlägigen Hinweisen auf irreführende Aussagen. Der TV-Sender ABC hingegen übertrug gegen zwei Uhr früh Ortszeit zunächst ein leeres Podium im Weißen Haus und anschließend die Rede des US-Präsidenten. Ungestört konnte er einem Millionenpublikum mitteilen, dass er „zumindest aus meiner Sicht“ die Wahl gewonnen hätte und keine Stimmzettel mehr ausgezählt werden sollten.

Am Wahltag selbst hatte Twitter in dieser Hinsicht dennoch lange keine gute Figur gemacht. Noch immer auffindbar sind zum Beispiel eine Reihe von Tweets von Mike Roman, einem ranghohen Mitarbeiter von Trumps Team. Romans Auftrag: mit einer selbsternannten „Armee für Trump“ die Stimmabgabe zu beaufsichtigen. Die Initiative hatte geplant, 50.000 Freiwillige zu rekrutieren, registrieren sollten sie sich auf einer eigens angelegten Website.

Wie viele von diesen angeblichen Beobachter:innen tatsächlich am Dienstag in den Wahllokalen erschienen sind, ist nicht bekannt. Roman selbst aber war äußerst aktiv, zumindest auf Twitter, wo er schwere Anschuldigungen vorbrachte.

Umkämpfte „Swing States“

„In Philadelphia geschehen schlimme Dinge“, schrieb er zum Beispiel und verwies auf einen fremden Tweet, der Werbung für Herausforderer Joe Biden an der Außenwand eines Wahllokals im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania zeigt. Die hiesige Staatsanwaltschaft wirft Roman nun vor, er habe die Öffentlichkeit absichtlich in die Irre geführt. Die Wahlkommission habe den Fall untersucht und keine Verstöße festgestellt.

Der Trump-Mann lud auch ein Video hoch, das eine angebliche Wahlbeobachterin zeigte, diesmal im hart umkämpften Bundesstaat Michigan. Sie behauptete, ein Gewerkschaftsfunktionär habe ihr fünf Dollar angeboten, damit sie für Herausforderer Joe Biden stimme. Die Zeitung Detroit Free Press fragte daraufhin bei der Gewerkschaft nach, die dementierte, überhaupt Mitarbeiter:innen vor Ort gehabt zu haben. Damit bleibt auch dieser Vorwurf Romans mindestens zweifelhaft.

Im Fall von Mike Roman vergingen Stunden, bis Twitter eingriff. Bislang hat die Plattform nur die Fotos der vermeintlichen Biden-Werbung entfernt. Zu sehen sind Romans Tweets jedoch weiterhin. Sie wurden tausendfach geteilt und damit etlichen Menschen angezeigt.

Der Trump-Funktionär ist nur einer von vielen, die auf der Plattform am Wahltag Desinformationen verbreiteten. Wir sind auf eine Vielzahl ähnlicher Behauptungen gestoßen, die zum Teil von unabhängigen Medien geprüft und für falsch befunden wurden.

Wie NBC News berichtet, hat Twitter ein angebliches Netzwerk aus rund 150 Konten gelöscht, die Verschwörungserzählungen über Biden geteilt hatten. Die Plattform urteilte, es habe sich dabei um Spam gehandelt.

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Teilweise auf Instagram und vor allem auf Facebook wurden am Wahltag etliche Falschmeldungen verbreitet. Ein Beitrag, der einen Artikel mit der Überschrift „Betrugszeit in Pennsylvania“ bewarb, erhielt etwa mehr als 20.000 Interaktionen. Facebook versah ihn lediglich mit einem Hinweis, dass Wahlbetrug sehr selten sei. Ein Mitschnitt von Trumps Rede am Ende der Wahlnacht kam auf der Seite des Präsidenten innerhalb kürzester Zeit auf sechsstellige Werte. In dem Video behauptete er, die Wahl gewonnen zu haben und sprach erneut von Wahlbetrug.

Facebook beließ es bei einem vorsichtigen Hinweis: „Die Endergebnisse können von den ersten Stimmauszählungen abweichen, da die Auszählung der Stimmzettel noch Tage oder Wochen nach Wahlschluss fortgesetzt wird.“ Verbreitet wurde Trumps falsche Darstellung auf Facebook damit dennoch.

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Grafikquelle       :

Oben      —     Trump (12/8)

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