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RENTENANGST

Umgeschulte Arbeitslose

Erstellt von Redaktion am Freitag 13. Juli 2012

Arbeitslose zu Erziehern umschulen

PRESSEMELDUNG vom 11. Juli 2012

Keine Discount-Ausbildung auf dem Rücken von Kindern
Ein Hartz4-Plattform-Kommentar von Brigitte Vallenthin

Warum kein Programm zur Vermittlung von 11.000 arbeitslosen Erzieherinnen und Familien ernährendes Einkommen für den ethisch wertvollsten Beruf?

Der Bundestagswahlkampf 2013 wirft seine Schatten voraus. Ministerin von der Leyen will liefern – und zwar eine Arbeitslosenstatistik, die vermeintliche Erfolge darstellt. Ministerin Schröder muss liefern – und zwar Personal für Krippenplätze, um eine Prozesslawine wegen fehlender Krippenplätze im nächsten Jahr zu verhindern. Da hilft beiden für den halbwegs störungsfreien Erhalt ihres eigenen Arbeitsplatzes nur noch Augenwischerei via Werbetrommel. Die Arbeitslosen müssen wieder einmal herhalten. Ein guter Aufhänger: Augenwischerei um eine angebliche Lösung des Problems für die Schleckerfrauen. Die sollen in verkürzten Ausbildungen zu Discount-Erziehern und –Erzieherinnen umgeschult werden.
Wie Hartz4-Plattform-sprecherin, Brigitte Vallenthin, heute in der Sendung „radioWelt am Morgen“ von Bayern II im Gespräch mit Moderator Thomas Mayerhöfer ausführte, ist was da als neue Idee propagandistisch in die Welt gesetzt wird, nach den Sozialgesetzbüchern Zwei und Drei ganz einfach die Pflicht der Jobcenter und hat deren Tagesgeschäft zu sein – nämlich Förderung und Vermittlung in Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Ganz nebenbei blendet Ministerin von der Leyen bei ihrer 5.000er-Vermittlung mal eben aus, dass der Gesetzgeber ihr dies längst als Pflicht aufgegeben hat – nämlich „verstärkten Unterstützung“ und Berücksichtigung des „Einzelfalls“ (§§14 SGB II, 35 SGB III). Das ist jedoch nicht spektakulär genug für ministerielle Eigenwerbung. Deshalb müssen um jeden Preis große Zahlen her, um öffentliche Wirkung zu erzielen – 800.000 mit angeblich ausreichend schulischen Voraussetzungen und 5.000 davon mutmaßlich für die Umschulung zu gewinnen.

Und die Bundesagentur für Arbeit spielt mit: sie schießt „finanzielle Möglichkeiten“ in das Projekt. Nach Auskunft der Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Anja Huth, gegenüber der Hartz4-Plattform sei „aus gesunkenen Eingliederungsausgaben Geld vorhanden“. Kein Wunder: denn nicht nur bei der Hartz4-Plattform türmen sich die Hilferufe wegen abgelehnter Fort- und Ausbildungsanträge.

Und dabei ist dieses vermeintliche Geschenk an die Arbeitslosen ein mehr oder weniger vergiftetes. Denn statt einer – nach Rahmenrichtlinien der Kultusministerkonferenz – rund 5-jährigen vollwertigen Ausbildungszeit will die BA, laut Anja Huth, lediglich eine Umschulung und die auch nur zwei Jahre lang finanzieren. Das dritte Berufsschuljahr müssten die Länder kofinanzieren, damit die BA-Mittel überhaupt fließen. Und was die der Berufsschule vorgelagerten Zugangsvoraussetzungen betreffe, meinte „eine Sprecherin der Arbeitsagentur“ laut sueddeutsche.de, da „müsse man über Ausnahmen reden“. Im Klartext heißt das: : Gedankenspiele über eine Discount-Ausbildung. Die weisen die Kindergärten aus guten Gründen zurück. Und die Arbeitslosen haben ebenso wenig Grund zur Freude: denn wenn die Geburtenzahlen weiter sinken und damit der Bedarf an ihren Discount-Abschlüssen – dann haben sie ganz schnell nicht mehr den von der BA versprochenen sicheren Arbeitsplatz. Dann sind nämlich sie es, die als erste wieder auf der Straße stehen.

Ob allerdings – wenn der Blick der Öffentlichkeit nicht mehr auf dem Projekt liegt – diese vollmundigen Ankündigungen überhaupt umgesetzt werden, dürfte nach Erfahrungen der Hartz4-Plattform bezweifelt werden. Ähnliche öffentliche Trommelwirbel gab es auch um den Mangel an Altenpflegern. Und der Hartz4-Plattform ist kein einziger Fall von Bewilligung einer Ausbildung bekannt – vielmehr hagelt es massenhaft Ablehnungen in den Jobcentern.

Die Not, überhaupt irgendwie wieder in Lohn und Brot zu kommen – wie sie beispielsweise bei den Frauen aus der Schlecker-Pleite vorhanden ist, ist nach Ansicht der Hartz4-Plattform die schlechteste aller möglichen Voraussetzung für den ethisch wertvollsten Beruf – den, für glückliche Zukunftschancen von Kindern zu sorgen. Die Ministerinnen von der Leyen und Schröder sind stattdessen zu fragen, warum sie nicht – angesichts des chronischen Mitarbeiter-Mangels in Krippen, Kindergärten und KiTas – ein Programm für arbeitslose Erzieherinnen auflegen – 11.000 sollen es sein. Statt in mehreren Jahren vielleicht 5.000 halbausgebildete Umschüler zu haben, könnte damit bereits ab sofort der Mehrbedarf von angeblich 14.000 Erzieherinnen für Krippenplätze großenteils sofort gedeckt werden.

Und nicht zuletzt: statt nicht zu Ende gedachten Polit-Hin-und-Hers wäre zu wünschen, dass endlich der Erzieher-Beruf – wohl der wichtigste und nicht irgend ein Job – den Lohn bekommt, den er verdient, ein Einkommen, mit dem man eine Familie ernähren kann – statt Milliarden Steuergelder in schwarzen Bankenlöchern versinken zu lassen. Dann wird es ganz rasch keinen Mangel mehr an Erzieherinnen und Erziehern geben.

Zum Anhören:
BR II radioWelt am Morgen-Interview, 11.7.12, mit Thomas Mayerhöfer und Brigitte Vallenthin:
Arbeitslose als Erzieher?: „Die Praxis in den Jobcentern sieht anders aus“
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowelt/index.html (nur 11.07.2012)
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowelt/interview-brigitte-vallenthin-hartz-4-plattform-zur-umschulung-arbeitsloser100.html (ab 12.07.2012)

Wiesbaden, 11. Juli 2012

Brigitte Vallenthin
Presse
Hartz4-Plattform
die Hartz IV-Lobby
Fon 0611-1721221
Mobil 01525-3520721
info@hartz4-plattform.de
www.hartz4-plattform.de
www.hartz4-beratung.de

Der „Hartz4-Klingelbeutel“ für Ihre Hilfe bei der Verfassungsbeschwerde gegen das Bildungspaket, Spendenkonto:
Kto-Nr: 6040683600, BLZ 500 909 00, PSD Bank Hessen-Thüringen, Verwendungszweck: H4P-Spende/BVerfG, Empfänger: Brigitte Vallenthin

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Grafikquelle    :

Eine Gruppe in einem Kindergarten in Alanya

5 Kommentare zu “Umgeschulte Arbeitslose”

  1. emschergenosse sagt:

    die 11-tausend sind faules Pack – sonst wären sie nicht arbeitslos! Sollte „klar“ sein! So denken auf jeden Fall die BILD-Leser. Und das ist die „Stimme des Volkes“ – sozusagen die ‚völkische Stimme‘. Und die hatten wir schon einmal.

    Das wäre es doch: Schlecker-Frauen als Kindergarten-Tanten; denn das schafft frau doch mit links! Umschulen ist besser. Wenn man das meint, hat man einiges an Sand in den Augen – gestreut von der HARTZ IV – Frau von der Leim; denn auf den gehen viele, die dem BILD-Populismus Glauben schenken.

    Wie war das in meinem Bekanntenkreis? Ein Grafiker musste den Staplerschein machen, sonst wäre ihm ALG I gestrichen worden. Ist klar – kann er gebrauchen. Um mit dem SIKU-Stapler die Bleistifte auf seinem Schreibtisch zu verfahren …

    Menschenskinder – sind die denn alle bescheuert in Nürnberg???

  2. Thomas A. Bolle sagt:

    Das erste Problem aller Umschulungsmaßnahmen ist, es wird am heutigen Bedarf orientiert. Wer weis wie der Bedarf am Ende der Umschulung sich wirklich darstellt.
    Das zweite Problem, mit Umschulungen wird Geld gemacht.
    Das dritte Problem, nicht jede/r ist geignet.
    Das vierte Problem, nicht jede/r will. Es gibt nämlich auch welche die sich genau diesen Beruf oder Tätigkeit ausgesucht haben.
    Das fünfte Problem, der Staat hat Gesetze und Verordnungen für Berufe erlassen. Die schreiben Voraussetzungen vor was zu können, zu tun und lassen ist. Das würde möglicherweise ad acta geführt.
    Man hätte natürlich auch die Schlecker-Filialen als Kindertagesstätten offen lassen können. So hätte unser Nachwuchs an Ort und Stelle die Segnungen des Kapitalismus kennen lernen können. Das Lesen lernen anhand von Marken und Rechnen mit Preisen wäre doch ein guter Grundkurs gewesen. Und die Wirkungsweise der Produkte hätte auch sofort getestet werden können. Früher gabs doch Kaufmannsläden oder die Kinderpost. Wäre richtig lebensecht.

  3. Kamenzer sagt:

    Man kann aus dem eigenen Leben erzählen. Hochschulabsolvent – nach der Wende arbeitslos (wie fast alle aus dem Osten Deutschlands)- Firma wurde von der Treuhand abgewickelt. Danach neuer Job – über 10 Jahre (nicht vom Arbeitsamt vermittelt), dann wieder arbeitslos. Firma wurde geschlossen. Dann endlich neuer Job aber nicht durch das Arbeitsamt oder Arge vermittelt. OK.
    Wieder arbeitslos, ständige Vorladungen des AA zu Gesprächen, sinnlosen Informationsveranstaltungen – Mein Verdacht, man will einen in irgendeine Form pressen, denn bei Anfragen sofortiges Blocken der Mitarbeiter mit immer den gleichen geschulten Thesen.
    Es folgten Fortbildungskurse (2 in Sachen PC), dann neue Angebote für Weiterbildung bis hin zu Buchführung. Ich lehnte ab, denn da kannte ich mich schon aus. Die Androhung, mir das ALG I zu streichen landete beim Petitionsausschuss, da ich auf Grund meines Alters niemals eine Umschulung bekommen hätte und eine Arbeit auch nicht, was sinnvoll gewesen wäre. Ich hatte mir erlaubt, mich zu beschweren, da Hartz VI winkte und ich einfach nur sinnvoll arbeiten wollte. Arbeit vermitteln im ersten Arbeitsmarkt, AA, das konnte man vergessen. Entweder waren die Angebote dubios oder meine Bewerbungsschreiben landeten wegen des Alters im Papierkorb. Geht nicht, funktioniert nicht, die Hauptsache ist, das Amt beschäftigt die Arbeitslosen mit sinnlosen Getöns, anstelle sie mit Intensität zu vermitteln. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die das gar nicht wollten.
    Selbst eine Vorsprache bei der Chefin des Amtes brachte nur, dass sie dokumentieren musste, welchen hohen Intellekt sie mir gegenüber habe.
    Diese komischen Gesetze, die der Staat in diesen Dingen erlassen hat, sind für Otto Normalverbraucher so was von schräg, siehe auch obigen Text.
    Die Hauptsache unten ein Durcheinander, dann haben wir oben unsere Ruhe. Komisch aber, dass so mancher durchblickt und unbequem ist auch mit der Gefahr, Ärger zu bekommen. Eine einzige Katastrophe. Die Arbeit wollen, die werden vergrault, vermiest, verärgert, dies ist die Schande.

  4. REWE sagt:

    Ich denke, dass die „Kurzausbildung“ für die 5.000 Erzieherinnen auch zu einer neuen Eingruppierung bei den Arbeitgebern führen wird. Ich müsste mich schwer täuschen, wenn diese nicht zukünftig um 2 bis 3 Gehaltsgruppen abgesenkt werden wird.
    Und genau das wird es sein, was man erreichen will.
    Die Kindergärten werden die 5.000 Absolventen in kürzester Zeit aufsaugen, und andere Erzieherinnen mit Vollausbildung werden keine Stelle mehr finden, oder allenfalls zu den schlechteren Bedingungen der kurz ausgebildeten.

    Das Ganze ist eine tolle Inszenierung und ein schräges Spiel der Politik, zu Lasten unserer „Kindergartentanten“.

  5. Gabriel van Helsing sagt:

    Man kann einen Zerfall der Politik daran erkennen, wie diese Volksvertreter mit ihren jüngsten und ältesten Bewohnern umgeht.

    Eine Schmalspurausbildung für Diese ist dieses gerade nicht.

    Anstatt eine hohe Bildungsvoraussetzung und auch Ausbildung anzustreben, wird jetzt auf Kurz- und Schnellausbildung gesetzt.
    Auch auf die Gefahr hin, dass viele unserer Jugendlichen keinen Job, Studium, oder Ausbildung bekommt.

    Ein HiWi, auch wenn er noch so schöne Namen bekommt, bleibt ein HiWi. Egal ob bei der Bezahlung, oder in der Wertschätzung.

    In anderen Ländern ist Vorausetzung wenigstens Abi und 5 Jahre weiteres Schulbankdrücken. Hier bei uns bekommt alles den Charakter eines Hilfsarbeiter.
    Ich möchte keine Schmalspurausgebildeten!

    Egal, ob für meine Kinder und Enkel,
    oder für meine Eltern!!!

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