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Strom für Afrika

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 22. Februar 2018

Die erneute Kolonisierung Afrikas hat lange begonnen?

von Aurélien Bernier

Mit Unterstützung von IWF, Weltbank und Co versuchen westliche und asiatische Konzerne von der Liberalisierung der afrikanischen Märkte zu profitieren.

An Initiativen zur Elektrifizierung Afrikas hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt. Die Vereinten Nationen verkündeten 2012 das Programm „Nachhaltige Energie für alle“, das darauf zielt, bis 2030 weltweit den Zugang zu modernen Stromquellen zu gewährleisten, wobei Afrika naturgemäß höchste Priorität genießt.

Im Juli 2013 lancierte US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Tansania zusammen mit der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Weltbank das Programm „Power Africa“. Es steht unter der Leitung der US-Behörde für Internationale Entwicklung (USAID) und bietet technisches und juristisches Know-how, aber auch Kredite und Finanzinstrumente für die Realisierung nachhaltiger Projekte, vornehmlich durch US-Unternehmen.

Im Oktober 2015 organisierten die G20, kurz vor der UN-Klimakonferenz in Paris, das allererste Treffen der Energieminister aus den Mitgliedstaaten, die dann gleich einen Aktionsplan für Subsahara-Afrika ankündigten. Einen Monat später gründete der ehemalige französische Umweltminister Jean-­Louis Borloo die Stiftung „Énergies pour l’Afrique“, die zum Ziel hat, „600 Mil­lio­nen Afrikanern bis 2025 Zugang zum Stromnetz zu verschaffen“. Als Partner der Stiftung präsentieren sich auf deren Internetseite lauter prominente Unternehmen: Vivendi, Carre­four, Bouygues, Électricité de France (EDF), Dassault, Orange, Schneider Electric, Total, Veolia, Vinci.

Wenig Beachtung fand bei der Pariser Klimakonferenz von 2015 die afrikanische Initiative für erneuerbare Energien (Arei), die von 54 Staaten getragen wird. Diese von der Afrikanischen Union initiierte Koalition will erklärtermaßen erreichen, dass bis 2020 mindestens 10 Gigawatt zusätzlich aus erneuerbaren Energiequellen produziert werden und bis 2030 sogar das Potenzial von mindestens 300 Gigawatt ausgeschöpft wird. Das käme nahezu einer Verzehnfachung der ak­tuel­len Produktion erneuerbarer Energien gleich und würde 50 Prozent zu dem bis 2040 geplanten Wachstum der gesamten Energieerzeugung beitragen. Es würde auch bedeuten, dass die Elektrifizierungsquote des afrikanischen Kontinents erhöht würde, ohne Strom aus zusätzlichen fossilen Energieträgern zu benötigen (siehe Kasten auf Seite 13).

Japan, die EU-Kommission und acht Industrieländer (Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, die Niederlande, Schweden, die USA und Großbritannien) haben 9,4 Milliarden Euro zur Finanzierung der Initiative zugesagt. Trotz der westlichen Geldquellen bleibt nach dem Gründungsdokument der Arei die Auswahl der finanzierten Projekte und ihre Umsetzung den afrikanischen Ländern vorbehalten, wobei afrikanische Unternehmen als Erste zum Zug kommen müssen. Und der Verwaltungsrat der Initiative setzt sich aus hohen Beamten zusammen, von denen eine Mehrheit von den afrikanischen Staaten bestimmt wird.

Im März 2017 schied allerdings Professor Youba Sokona, Vizepräsident des Weltklimarats (IPCC) und verantwortlich für die Abteilung „Projekte“ der Arei, unter Protest aus seinem Amt. Der malische Wissenschaftler kritisierte, die Geldgeber hätten „eine Strategie gebastelt, um den Afrikanern Projekte aufzuzwingen, die automatisch von Europäern ausgewählt werden“. Als Beleg verwies er auf die ersten 19 Vorhaben, die trotz der Einwände afrikanischer Verwaltungsratsmitglieder abgesegnet wurden.

Elfenbeinküste als Vorreiter der Privatisierung

Darüber hinaus unterzeichneten 200 afrikanische Verbände einen offenen Brief mit dem Titel „Stoppt die Vereinnahmung der Arei durch Europa“. Sie beschuldigen diverse EU-Länder und vor allem Frankreich, dass sie Projekte durchsetzen, die direkt den Interessen ihrer Energiemultis und Ingenieurfirmen dienen. In einem Bericht vom 20. September 2016 hatte die Umweltministerin und Präsidentin der Pariser Klimakonferenz, Ségolène Royal, nicht weniger als 240 Projekte und Programme in Bereichen wie Wasser- und Windkraft, Solarenergie sowie Geothermie identifiziert.1 All diese Initiativen begründen ihre Notwendigkeit mit derselben Diagnose: Die Entwicklung Afrikas wird durch den Mangel an elektrischem Strom gehemmt. Und alle werben mit denselben Bildern von Kindern, deren Lächeln von einer Glühbirne aufgehellt wird. Auch die empfohlenen Instrumente sind weitgehend dieselben: feste Regeln für Geschäfte, Anlage- oder Garantiefonds, Darlehen, Expertisen und anderes mehr. Und natürlich öffentlich-private Partnerschaften (PPP) als obligatorische Form der Projektumsetzung.

Was in den Gründungsurkunden dieser Initiativen so großzügig klingt, verbirgt häufig sehr prosaische Absichten. Seit den 1980er Jahren sind die Strommärkte der westlichen Länder für die Konkurrenz geöffnet. Seitdem führen die Großunternehmen der Branche einen unerbittlichen Wirtschaftskrieg. Dennoch gibt es in Europa und Nordamerika nach wie vor Überkapazitäten, die Wachstumsaussichten sind entsprechend bescheiden. Ganz anders in den afrikanischen Schwellenländern.

Die Expansionsstrategien der ausländischen Konzerne werden von dem Liberalisierungsprozess begünstigt, der in Afrika seit fast 30 Jahren im Gange ist. Im 20. Jahrhundert hatten die meisten Länder des Kontinents Staatsunternehmen gegründet, die bei der Stromproduktion, -beförderung und -verteilung ein Monopol hatten. Diese staatlichen Dienstleister sind häufig unterfinanziert und können daher keine zuverlässige Versorgung garantieren. Anstatt sie zu unterstützen, drängten die Weltbank, der Interna­tio­nale Währungsfonds und die Afrikanische Entwicklungsbank darauf, privatwirtschaftliche Methoden einzuführen und die Märkte schrittweise für die Konkurrenz zu öffnen.

Zwei Bereiche im Stromsektor sind besonders profitabel: die Produktion, also der Betrieb von Kraftwerken, und die Vermarktung der Elektrizität. Für Konkurrenz weniger geeignet ist der kapital- und wartungsintensive Stromtransport, weshalb hier von einem „natürlichen Monopol“ gesprochen wird. Aus neoliberaler Sicht sind deshalb diese drei Bereiche voneinander zu trennen: Stromproduktion und -vermarktung müssen privatisiert werden, das Stromnetz dagegen hat beim (staatlichen) Monopolisten zu verbleiben. Dieselbe Logik hat in Europa zur Aufspaltung staatlicher Unternehmen wie der Électricité de France geführt.

Die Elfenbeinküste war das erste afrikanische Land, das dieses Modell mit Unterstützung der Weltbank einführte. 1990 wurde der 1952 gegründete Staatsbetrieb Énergie Électrique de Côte d’Ivoire durch die Compagnie Ivoirienne d’Électricité (CIE) ersetzt – ein Privatunternehmen, an dem der Staat nur zu 15 Prozent beteiligt ist.

Preisexplosion in Uganda

Weißer Nil in Uganda

Heute ist die CIE mehrheitlich in der Hand des französischen Konzerns Era­nove. Der erwarb von der ivorischen Regierung die Konzession, die Kraftwerke zu betreiben und auf dem gesamten Staatsgebiet für den Transport, die Verteilung, die Vermarktung, den Import und den Export von elektrischer Energie zu sorgen. Die Stromleitungen allerdings blieben in staatlicher Hand. Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie sich mittels „öffentlich-privater Partnerschaften“ Gewinne privatisieren und Verluste auf die Gesellschaft abwälzen lassen.

Die Liberalisierung in der Elfenbeinküste hat Schule gemacht, sodass mittlerweile fast alle afrikanischen Länder ihre Strommärkte ganz oder teilweise für private Anbieter geöffnet haben.

2014 beschloss Angola eine Reform des Elektrizitätsmarkts, die von der Afrikanischen Entwicklungsbank mit 800 Mil­lio­nen Euro unterstützt wurde. Mit dem erklärten Ziel, „Wachstum zum Nutzen aller durch die Verstärkung der Reformanstrengungen im Stromsektor zu fördern und die Transparenz sowie Effizienz in der öffentlichen Finanzverwaltung zu erhöhen.“

Doch die ersehnte Kapitalspritze aus dem Ausland kommt die afrikanischen Länder mitunter sehr teuer zu stehen. In Uganda produziert der Staudamm von Bujagali, am Weißen Nil, unweit des Victoriasees, 50 Prozent des nationalen Strombedarfs. Die für 30 Jahre vereinbarte öffentlich-private Partnerschaft zwischen der Regierung in Kampala und dem Anbieter Bujagali Energy Limited hat zu einer Preisexplosion geführt.

2015 kaufte der ugandische Staat den Strom zum Preis von 11 Cent pro Kilowattstunde zurück, obwohl dieser von den staatlichen Wasserkraftwerken des Landes zum Preis von 2 Cent produziert wurde. Bujagali Energy Limited gehört der privaten Entwicklungsagentur des ismailitischen Religionsführers Aga Khan und der US-Gesellschaft ­Sithe Global Power (einer Tochter der Blackstone Group).

Die Deregulierung des Stromsektors in Afrika ist für Investoren aber nicht immer attraktiv. Die werden häufig vom schlechten Netzzugang, von fehlender politischer und Rechtssicherheit und Problemen mit der Zahlungsdisziplin der Kunden abgeschreckt. Man könnte allerdings neue Investoren mit dem Ausbau erneuerbarer Energien anlocken.

Die Kosten für solche Anlagen sinken mit der Verlagerung der Produk­tion von Sonnenkollektoren und Windrädern in Billiglohnländer. Außerdem haben die internationalen Institu­tio­nen die afrikanischen Staaten dazu gedrängt, einen Einkaufstarif nach einem in Europa üblichen Modell einzuführen. Die (fast immer staatlichen) Stromversorgungsunternehmen bieten den privaten Erzeugern von Solar-, Wind- oder Wasserkraft einen garantierten Abnahmepreis, der über dem durchschnittlichen Stromtarif liegt.

Offiziell soll dieser Mechanismus die Stromproduktion ankurbeln. Inoffiziell dient er dazu, die schleichende Privatisierung des Energiesektors zu subventionieren. „Die internationalen Kapitalgeber haben über den Ausbau der erneuerbaren Energien endlich einen passenden Zugang zum afrikanischen Markt gefunden“, frohlockte 2015 Thierno Bocar Tall, damals noch Präsident und Vorstandsvorsitzender der African Biofuel and Renewable Energy Company (Abrec). „Der Bedarf an Investitionen ist gigantisch. Und diese sind dadurch abgesichert, dass die öffentliche Hand als Käufer auftritt und für die Risikoabsicherung solide Lösungen gefunden wurden. Die Kapitalrendite wird im Zuge des technologischen Fortschritts unweigerlich steigen.“

Quelle    :        Le Monde diplomatique       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen  :

Oben —     Karte Afrika

Einzugsgebiete der großen Gewässersysteme Afrikas

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