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„Strafanzeige“

Erstellt von Redaktion am Freitag 13. Oktober 2017

gegen Herrn Ersten Bürgermeister Simon Blümcke,
wegen „Beleidigung nach § 185 StGB“

sehr geehrte Damen und Herren vom Polizeirevier Ravensburg

vor ein paar Tagen schrieb ich diese untenstehende Mail an Sie (SZ)  und sende sie Ihnen gerne aufgrund Ihres jüngsten Artikels im „Südfinder“ über die Sprayer und Writer  (noch einmal) zu.Für mich ist es sehr erschreckend, zu welcher Aussage sich Simon Blümcke, seines Zeichens  Erster Bürgermeister der Stadt Ravensburg, gegenüber den jungen Leuten hinreißen lässt. Wenn er in Ihrer Zeitung wie folgt zitiert wird „Die (aus dem Zusammenhang erkenntlich, meint er die Sprayer/Writer) markieren ihr Gebiet wie wild pinkelnde Straßenköter. Unkontrolliert und hemmungslos“, und man diese Aussage mit den von mir erarbeiteten Ausführungen zu dem Thema (das hätte Herr Blümcke im Vorfeld seiner Aussagen einmal selbst tun sollen) vergleicht, dann ist diese seine Aussage absolut unterirdisch und sie ist zudem auch strafbar. Da sich der „Südfinder“ als seriöse Zeitung verstehjt (aus der Werbung), gehe ich davon aus, dass Simon Blümcke es gegenüber dem „Südfinder“ auch so gesagt/geschrieben hat

Es liegt hier der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch vor. Für eine „einfache“ Beleidigung sieht § 185 StGB eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Interessanterweise ist in dem Paragrafen aber nicht näher bestimmt, was eine Beleidigung konkret ist. Letztlich geht es um rechtswidrige Angriffe auf die Ehre eines Menschen durch herabsetzende Werturteile oder ehrverletzende Tatsachenbehauptungen. Ein Beispiel wäre, jemanden mit „Hey, du Arschloch“ anzusprechen. Da die Strafbarkeit der Beleidigungsdelikte vor allem die persönliche Ehre des oder der Beleidigten schützen soll, wird eine Beleidigung in aller Regel nur dann verfolgt, wenn ein Strafantrag vorliegt. Einen entsprechenden Antrag kann das Opfer bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft stellen. Sogenannte Kollektivbeleidigungen sind dann strafbar, wenn ein zahlenmäßig überschaubarer Personenkreis beleidigt wird. Was bei den Ravensburger Sprayern wohl der Fall ist.

Aber was darf man nun generell sagen und was ist als Beleidigung strafbar? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Vielmehr muss regelmäßig abgewogen werden zwischen dem grundgesetzlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung, das selbstverständlich auch negative Äußerungen umfasst und dem Schutz der Ehre und letztlich auch der Menschenwürde.  Dazu zählen etwa Beschimpfungen, z. B. als dreckiges Arschloch oder fettes Schwein, bzw. beleidigende Gesten, wie das Tippen an die Stirn (Vogelzeigen) oder der ausgestreckte Mittelfinger.

Nun vergleicht Simon Blümcke die Sprayer nicht nur mir lieben Hunden, sondern mit Straßenkötern, ein Ausdruck für herrenlose, verwilderte und Krankheits übertragende Kreaturen. Das Wort „Köter“ leitet sich von „Kot“ ab, was wohl alles besagt. Die Nazis verglichen die Juden mit Ratten und entmenschlichten sie damit. Sie zu verfolgen und auszumerzen wurde damit legitimiert. Natürlich geht Blümcke soweit nicht und ich unterstelle es ihm auch nicht, aber er „entmenschlicht“ junge Menschen auf der Suche nach Anerkennung und mit wohl begründetem Geltungsbedürfnis aufgrund von Defiziten, indem er sie als „Straßenköter, die hemmungslos und unkontrolliert pinkelnd ihr Gebiet markieren“ bezeichnet, anstatt als Erster Bürger dieser Stadt zu erkennen, was hier wirklich Sache ist. Der tag / Kürzel ADHS weist auf die entsprechende Erkrankung bei jungen Menschen hin: Es ist das anerkannte Aufmerksamskeitssyndrom, das schon in der Kindheit auftreten kann. Schon vor über 150 Jahren hat der Psychiater Heinrich Hoffmann (*1809 bis † 1894), diese Erkrankung und weitere psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters beobachtet und sie in seinem Bilderbuch vom „Struwwelpeter“ (siehe den Zappelphilip) sehr eindrucksvoll, treffend und humorvoll dargestellt. Er gilt heute als der erste Vertreter der Kinder- und Jugendpsychiatrie. ADHS ist also keine Modediagnose, sondern sehr ernst zu nehmen.

Da der Strafantrag in der Regel wegen Beleidigung vom Beleidigten selbst kommen muss, man aber schlecht erwarten kann, dass sich die Sprayer outen, werde ich das als Theologe, Sozialarbeiter, Konfliktmanager (!), Pädagoge und Unabhängiger Bundestagskandidat tun. Wenn schon keine andere Institution Partei  für diesewn Teil der  Jugend ergreift, werde ich es tun müssen. Keine Regel ohne Ausnahme. Wir werden ja sehen, wie der Staatsanwalt darauf reagiert. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Mit guten Grüßen

Stefan Weinert

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Lieber Herr Adler,

Schwäbische Zeitung

bereits im Mai 2016 waren die Graffitis schon einmal Thema in Ravensburg. Damals schrieb ich einen von Ihnen veröffentlichten Leserbrief, den ich nur zur Erinnerung hier beilege. Wenn am Schluss Ihres Artikels der Pressesprecher der Stadt Ravensburg mit dem Hinweis, Graffitis seien eine Straftat und nichts anderes, zu Worte kommen darf, kann und darf dies allerdings nicht das letzte Wort zu diesem Thema sein, denn Oswalds Aufruf wird nichts ändern, außer dass sich die Sprayer nun noch mehr herausgefordert fühlen. De-eskalation ist etwas anderes.

 Von Stefan Weinert, Ravensburg  (siehe auch Word-Dokument in Anlage)

In der Regel wird gegen einen Sprayer ein  Ermittlungsverfahren eingeleitet, wenn man ihn direkt beim Sprayen antrifft oder wenn jemand bei der Polizei behauptet, es sei dieser oder jener polizeibekannte Sprayer gewesen.

Wenn diesem mutmaßlichen Sprayer der Vorwurf des Sprayens gemacht wird und dieser sich bestätigt, kommt eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 2 StGB wegen „Veränderns des Erscheinungsbildes einer Sache“ in Betracht. Darunter fällt jede, nicht nur unerhebliche und nicht nur vorübergehend Veränderung. Die Erheblichkeit muss sich dabei auf das Erscheinungsbild beziehen. Daher genügt ein nur kleines Graffiti an einer schwer einsehbaren oder bereits mit Graffiti übersäten Stelle einer Hauswand nicht für die Erheblichkeit.

Die Veränderung darf zudem nicht nur vorübergehend sein, muss also eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Da die Farbe bei Graffiti in der Regel nicht wasserlöslich ist, kann sie nicht ohne Aufwand binnen kurzer Zeit entfernt werden, so dass keine nur vorübergehende Veränderung vorliegt. Zusätzlich muss das Sprayen unbefugt geschehen. Der Eigentümer darf also nicht seine Einwilligung zu dem Graffiti an seiner Hauswand erteilt haben.

Dabei ist nicht entscheidend, ob die Substanz der Sache verletzt wurde. Unter Umständen könnte sich der Sprayer auch wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung gemäß § 304 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Sprayer eine Sache bemalt hat, die dem öffentlichen Nutzen dient und jetzt nicht mehr dienen kann, beispielsweise Tags an einem Verkehrsschild selbst (nicht Stange). Wenn der Sprayer  zum Sprayen auf ein Grundstück eingedrungen ist, könnten er sich zudem wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB strafbar gemacht haben.

Graffiti-Einwirkungen werden überwiegend abends oder nachts im Rahmen von Jugendgruppen durchgeführt. Die Motivation, neben dem Bedürfnis nach Widerstand, Raumbesetzung und Gestaltung, ist die Erlangung von „fame“ im Sinne von Anerkennung in der Gruppe und der Szene. Hintergrund sind häufig soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und Aussichtslosigkeit.

Das repressive Strafrecht kann diese sozialen Defizite jedoch nur unzureichend abbauen und bewirkt, insbesondere im Strafvollzug, vielmehr ein weiteres Abgleiten in ein kriminelles Umfeld.

Es gilt, die Arbeitsmarkt- und Jugendpolitik zu verbessern, um das Problem an der Wurzel zu fassen. Bei ungefähr 50% der Bevölkerung gibt es keine Forderung nach Geld- oder Freiheitsstrafen. Ausreichend sei bei der Hälfte der Bevölkerung eine Wiedergutmachung, etwa durch einen Täter-Opfer-Ausgleich.

Die Annahme, Graffiti-Einwirkungen stelle bei Jugendlichen ein Einstiegsdelikt und damit der Beginn einer kriminellen Karriere dar, sind nicht belegt. Im Rahmen kommunalpolitischer pädagogischer Strukturverbesserungen ließen sich Möglichkeiten finden, dem Bedürfnis der Jugendlichen nach Kreativität z.B. durch das Zur-Verfügung-Stellen von öffentlichen, legalen Ersatzflächen nachzukommen. Die Kommunen könnten auch an ihren und anderen öffentlichen Gebäuden einen farbabweisenden Untergrund anbringen. Der Bundesgesetzgeber hätte zu dem längst eine Erschwerung des Erwerbs von Spraydosen mit gefährlichem Kunstlack durch die Einführung von Sonderabgaben erreichen können, um hartnäckige Graffiti-Schmierereien zu vermindern.

Es würde im sozial-pädagogischen Sinne auch genügen und hilfreicher sein, wenn Schäden von und durch Graffiti einerseits zivilrechtlich durch Wiedergutmachung und Schadensersatz nach dem BGB und andererseits durch den Paragrafen 118 OWiG geahndet würden. „Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.“, wie es bereits in Sachsen-Anhalt geschieht. Die Abschreckungsfunktion junger Täter wird durch zivilrechtliche Inanspruchnahme besser erfüllt, als die strafrechtliche Ahndung, die nach der Logik des Jugendstrafrechts (Spezialprävention, Vermeidung justiziabler Eskalation) zu kaum mehr als einem formlosen Erziehungsverfahren führen.

Nach gesicherter kriminologischer Erkenntnis kann das Strafrecht nicht das Verhalten des Einzelnen steuern. Insofern ist das Argument verfehlt, dass die Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionierung abschreckend wirkt. Da die Aufklärungsquote im Bereich der Sachbeschädigung durch Graffiti-Beschmierungen sehr gering ist, besteht vielmehr ein Ermittlungsdefizit und kein Strafbarkeitsdefizit. Eine Besserung des Eigentumsschutzes könnte daher durch verstärkte Polizeipräsenz nachts auf den Straßen erreicht werden.

Beste Grüße von Stefan Weinert

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Grafikquelle    :

View from Veitsburg (to the North West), 1960s

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