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Stigma für Flüchtlinge

Erstellt von Redaktion am Freitag 24. April 2020

Ein Stigma, das bleibt

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Von Steven Vertovec – Er  ist Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multi­ethnischer Gesell­schaften.

Mit rasender Geschwindigkeit verschärft Covid-19 den Fremdenhass und den Rassismus weltweit. Angst und Hass gegenüber Fremden als mutmaßlichen Krankheitsüberträgern sind gegen bestimmte Gruppen gerichtet, etwa asiatisch aussehende Menschen, häufig aber auch ganz allgemein gegen Flüchtlinge und Migranten. Solche xenophoben Stimmungen zeigen sich, wenn Trump behauptet, Migranten seien für die Ausbreitung der Infektion in den USA verantwortlich, wenn Orbán das Coronavirus mit „illegalen Migranten“ in Ungarn in Verbindung bringt, wenn Salvini afrikanische Migranten in Italien beschuldigt und in vielen afrikanischen Ländern Fremdenhass grassiert.

Derlei Stimmungsmache führt zu gezielten Bewegungseinschränkungen für Migranten und Flüchtlinge, die zurzeit an weit voneinander entfernten Orten zu beobachten sind: an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, in Griechenland, im Libanon, in Bosnien und in Singapur. Gesundheitsexperten bezeichnen solche Maßnahmen als den sichersten Weg in eine humanitäre Ka­tas­tro­phe, während Juristen sie als Menschenrechtsverletzungen anprangern. Politische Entscheidungsträger hingegen beharren darauf, dass das pauschale Wegsperren bestimmter Kategorien von Personen der öffentlichen Gesundheit dienen kann.

Diese Maßnahmen kommen den Bevölkerungsgruppen sehr gelegen, die misstrauisch gegenüber „Ausländern“ sind, vor allem solchen ohne gültige Papiere, gegenüber Asylsuchenden oder Geringqualifizierten. Wenn es unter eingesperrten Migranten und Flüchtlingen zu massenhaften Infektionen mit dem Coronavirus käme, würde sich eine düstere Prophezeiung selbst erfüllen: dass Migranten und Flüchtlinge eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit seien.

So könnten durch die Pandemie geschürte Vorurteile und gegenseitige Schuldzuweisungen zum Stigma werden: Einer ganzen Gruppe von Menschen wird ein Stempel aufgedrückt und behauptet, sie seien faul oder ließen es an Hygiene mangeln. Die Betroffenen leiden unter einem niedrigen Status, unter Vorurteilen und Diskriminierung, die ihre sozialen Beziehungen, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit, aber auch institu­tio­nelle Strukturen wie Polizei, Gerichte oder Arbeitsämter beeinflussen. In der Folge führt das Stigma zu gesundheitlicher Ungleichheit und verstärkt diese.

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Es besteht die Gefahr, dass der gegenwärtige Umgang mit Migranten und Flüchtlingen zu ihrer Stigmatisierung als Krankheitsüberträger führt, die noch lange nach dem Abklingen der Coronakrise anhalten könnte. Dies könnte zu neuen Formen des ‚ethnic profiling‘ ermutigen – bei Grenzkontrollen etwa, wo durch biometrische Verfahren mutmaßlich Gesunde von Menschen mit einem Gesundheitsrisiko unterschieden werden könnten.

Ein Stigma lässt sich nur schwer wieder beseitigen. Das wird sich vor allem in der Welt nach Covid-19 erweisen, wo viele Menschen direkt unter der Krankheit, dem Verlust ihrer Angehörigen oder des Arbeitsplatzes, finanzieller Not und familiären Spannungen wegen des Lockdowns gelitten haben werden. Darauf werden viele vermutlich mit Angst und Schuldzuweisungen reagieren. Das könnte zu weiterer Diskriminierung führen, zu Feindseligkeit und Gewalt.

Quelle         :        TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —      Rohingya Refugees Camp in Ukhia, Cox’s Bazar, Bangladesh

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