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Sprachnachrichten per Phon

Erstellt von Redaktion am Montag 19. November 2018

Das ist geistiger Missbrauch

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Komme4ntar von Sara Tomsic

Viele Menschen finden es praktisch, mit dem Smartphone Sprachnachrichten zu verschicken. Schlimm ist es für die, die damit zugemüllt werden.

Mit echter gesprochener Kommunikation ist es wie mit einem Ballspiel. Ein Anruf, eine Frage, der Anfang eines Gesprächs, das ist ein Angebot. Ich signalisiere: Ja – oder eben Nein. Bei Ja folgt ein Passspiel, hin und her, du und ich. Echter Austausch eben.

Mit Sprachnachrichten auf WhatsApp ist das anders. Da nimmt das Gegenüber den Ball und haut ihn mir in die Fresse. Danach liegt der Ball in meinem Feld, und ich bin dran. Ob ich will oder nicht.

Sprachnachrichten sind eine Ausgeburt des Egoismus. Ellenlanges Rumgelaber ohne Sinn und Verstand. Das ist kein Angebot zur Kommunikation, das ist geistiger Missbrauch.

Für alle Glücklichen, die nicht wissen, was eine Sprachnachricht ist: 2013 hat WhatsApp, der bekannteste Messengerdienst für Smartphones, die Möglichkeit eingeführt, neben Texten und Bildern auch Audiodateien zu verschicken. Im Chatfenster muss man einen Knopf gedrückt halten, labert drauflos, und beim Loslassen sendet sich die Datei von selbst.

Zumindest war das am Anfang so. Meiner Meinung nach eine Schutzfunktion, damit dem Versender irgendwann der Daumen abfault und die Nachricht dadurch kürzer bleibt. Heute gibt es eine Zusatzfunktion, die es ermöglicht, dass man freihändig sprechen kann und erst bei einem weiteren Drücken auf den Knopf die Nachricht versendet. Gut für alle, die sich selbst gerne reden hören. Schlecht für den Rest vom Fest, der das ertragen muss.

Okay, es gibt eine Ausnahme: Für Menschen mit Behinderungen, die es ihnen erschweren, auf Handydisplays lange Texte zu schreiben, sind Sprachnachrichten eine gute Sache. Klar! Wobei auch die sich gern vorm Abschicken überlegen können, wie ausführlich sie die Sprachnachricht halten. Für alle anderen gilt das erst recht.

Die größte Frechheit, die mir dabei je begegnet ist, war 9 Minuten und 43 Sekunden lang. Mit einem harmlosen „Pling“ kündigte sie sich an, rechts oben auf dem Handy blinkte ein kleines Licht in Dünnschissorange. Die Aggression rumorte in meinem Kopf: Was zur Hölle will man mir in 9 Minuten und 43 Sekunden sagen? 100 Euro, dass es nur unwichtiges Zeug ist, wettet mein Gehirn mit sich selbst.

Ich ärgere mich, weil ich weiß: Ich werde sie trotzdem anhören. Warum? Weiß ich nicht. Ich fühle mich unter Druck. Der Ball liegt in meinem Feld, und ihn liegen lassen, das tun nur Spielverderber. Außerdem habe ich keine Lust auf eine Diskussion à la „Warum antwortest du nicht, alles okay?“.

 

Die größte Frechheit war 9 Minuten und 43 Sekunden lang

Dabei ist die große Frage: Wie soll ich denn bitte antworten? Mein Gegenüber hat sich ja selber gegen ein Telefonat und für diesen Audiomüll entschieden, für ein Format, das keine Zwischenrufe, Nachfragen, nicht mal „Ach so“ und „Hmmmhmms“ zulässt. Meine Kommentare darf ich jetzt post disputatio anbringen. „Ja, Mensch, klasse. Das, was du bei Minute drei gesagt hast, klingt spannend.“ So?

Und abgesehen davon: Was soll ich denn überhaupt antworten? In Sprachnachrichten werden meistens keine Fragen gestellt. Soll ich das Erzählte einfach anschließend loben, einordnen und kommentieren? Oder soll ich im Gegenzug auch über meinen Tag sinnieren? Bestimmt nicht. Wenn man ehrlich ist, sind Sprachnachrichten Kommunika­tions­sackgassen. Eine Runde Märchenstunde. Völlig sinnbefreite Datenmenge. Sie gehören abgeschafft.

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Stattdessen drücke ich auf Abspielen. Schnell das Handy ans Ohr, damit nicht alle mithören können. Wer bis jetzt noch dachte: „Ach, Sprachnachrichten, alles halb so wild“, dem gönne ich folgende Kostprobe von Herzen.

„Heeeeeeey, ich bin’s, ich wollte dir nur mal’ne Nachricht dalassen.“ Ach echt? „Ich sitze gerade auf der Couch, eingemummelt in meine Kuscheldecke, und draußen regnet es ganz fürchterlich. Heute ist allgemein so ein grauer Tag. Mann, mann, die Kälte macht mich echt fertig. Und unseren Kater auch, der will gar nicht mehr richtig raus. Ist es bei euch in Berlin auch so kalt? Na ja, egal.“ Ja, stimmt, egal. Wen interessiert’s? „Gestern war ich Geschenke kaufen, ich weiß, es ist eigentlich viel zu früh für Weihnachtsgeschenke, aber die Lebkuchen, die im Laden liegen, machen mich schon ganz nervös. Haha.“

Quelle       :    TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —       A smiley I made in gimp

Bron Own work, used GIMP
Auteur Gebruiker:Dmbekker

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Unten         —        Engel Aloisius aus Ein Münchner im Himmel nach Ludwig Thoma, Zeichentrickfilm nach der Bearbeitung durch Adolf Gondrell. Ausschnitt eines Graffito an der Wand zum Elisabethmarkt in München.

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