SPD : Mit uns geht alles
Erstellt von Redaktion am Dienstag 11. Juni 2019
SPD: Die Mit-uns-nicht-zu-machen-Partei
Wohin fällt der Würfel heute ?
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Die ständig betonten roten Linien der SPD sind eine Selbstvergewisserung, an der Politik von gestern festzuhalten. Ihre Kommunikationsrituale des 20. Jahrhunderts zerschellen an der neuen Wirklichkeit.
Wenn es im 21. Jahrhundert einen für die Sozialdemokratie typischen Satz gibt, dann lautet er: „Das ist mit der SPD nicht zu machen!“ Das Problem ist, dass der Satz in Wahrheit sein eigenes Gegenteil bedeutet und ausnahmslos alle das wissen. Präziser: Der Satz kann stimmen oder auch nicht, aber genau dieser Umstand steht im kompletten Gegensatz zu seiner aufstampfenden Absolutheit.
Der Niedergang der Volksparteien ist nicht monokausal, aber wenn es eine Verbindung zwischen allen Gründen gibt, dann ist es die vorgestrige Kommunikation. Die Vermittlung von Politik stürzt nicht erst seit Rezo von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Angela Merkel ist oft vorgeworfen wurden, eine schlechte Kommunikatorin ihrer Politik zu sein, zu vage, zu diffus, zu wenig greifbar. Aber was, wenn das ihr Schlüssel war, um das Konzept „Volksparteien“ noch ein paar Jahre ins 21. Jahrhundert herüberzuretten? Weil nichts zu sagen immerhin den Vorteil hat, dass man zwei Jahre später nicht das Gegenteil tut? Die grundsätzliche Erwartung des Publikums an die Politik hat sich mit der digitalen Vernetzung geändert, in vielen Punkten, zum Beispiel:
- Eine digital getriebene Transparenzerwartung ist entstanden, siehe TTIP. Wie alle Handelsabkommen zuvor wurde es nicht öffentlich verhandelt – aber plötzlich ist der zuvor unbeachtete Zustand ein Problem.
- Die Inszenierung von Parteipolitik war vor der Zeit der sozialen Medien zentraler und damit leichter zu kontrollieren. Inzwischen ist zu den meisten Themen eine innerparteiliche Kakophonie auf Twitter zu bewundern.
- Die hohe Beschleunigung der Nachrichtenzyklen und die mediale Lust an der Sensationalisierung verleitet die Politik zu größeren, spektakuläreren Aussagen.
Und das ist nur ein Teil der Veränderungen in der Kommunikation. Digitalisierung und Globalisierung haben aber viel mehr verändert. Eigentlich steht die Politik in Deutschland vor zwei sehr tiefgreifenden Aufgaben gleichzeitig: Politik für eine neue Zeit auch noch neu zu kommunizieren:
Warum müssen die Verursacher nicht für ihre Schäden aufkommen ? Bis hin zur privaten Haftung!
Die zweite Aufgabe hat sich inzwischen herumgesprochen, nur zehn Jahre nach der Feststellung durch ungefähr sämtliche Fachleute. Die CDU zum Beispiel möchte deshalb jetzt eigene Influencer züchten. Die erste Aufgabe aber scheint mir nicht verstanden worden zu sein. Bullshit-Politik bleibt auch als fresh geschnittener YouTube-Clip Bullshit-Politik. Die Kommunikationsrituale des 20. Jahrhunderts zerschellen an der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Das gilt für alle Parteien, aber die SPD trifft es besonders hart. Man erkennt das genau an diesem sozialdemokratischen Satz, der in den gefühlt 30 Jahren GroKo eine ganz eigene Historie mitbringt.
Eine der ersten Amtshandlungen der Großen Koalition im Jahr 2005 war die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Wenige Monate zuvor hatte die SPD im Wahlkampf noch getönt, der Plan der Union – eine Erhöhung auf 18 Prozent – sei nicht mit der SPD zu machen. Von geradezu ikonischer Unverschämtheit die Erklärung des damaligen SPD-Chefs Müntefering dazu: „Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair.“ Es erwies sich als eine Art Startschuss.
Im folgenden Sätze führender SPD-Figuren und SPD-Fraktionen aus Bund und Land:
- April 2007: „Die Abschaffung der Erbschaftsteuer ist mit der SPD nicht zu machen!“
- Oktober 2009: „Eon und RWE verstaatlichen … Positionen, die mit der SPD nicht zu machen sind!“
- September 2015: „Eine Asylrechtsverschärfung ist mit der SPD nicht zu machen!“
- Juni 2016: „…flächendeckende Schulschließungen sind mit der SPD [Sachsen] nicht zu machen!“
- August 2016: „Die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ist mit der SPD nicht zu machen!“
Fünf von Hunderten Versprechungen, bei denen zwischen komplett falsch und hundertprozentig gehalten ungefähr alles dabei ist. Nicht einmal in der Unzuverlässigkeit ist die SPD zuverlässig.
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Grafikquellen :
Oben — Skulptur, SPD Würfel, Wilhelmstraße 140, Berlin-Kreuzberg, Deutschland
Source | Self-photographed |
Author | OTFW, Berlin |
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Donnerstag 13. Juni 2019 um 18:20
Lafontaine zurück holen. Dann klappts auch wieder mit 30 Prozent.