SPD: Der Fall Maaßen
Erstellt von Redaktion am Samstag 22. September 2018
Chronik eines absehbaren Absturzes
Von Stefan Reinecke
Die SPD hat in der Maaßen-Affäre hoch gepokert – und verloren. Nun sagt Andrea Nahles: Wir haben uns geirrt. Und will neu verhandeln.
Andrea Nahles steht in München vor drei großen, rot leuchtenden Lettern, SPD. Und nickt. Und nickt. Ein Dutzend Mal nickt Nahles in die Kameras. Sie ist mit allem einverstanden, was Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin in Bayern, über Kitas und den Mietenstopp sagt. Der Termin am Donnerstag steht lange fest: ein bisschen Unterstützung für die Genossen im Süden, die es bei der Wahl in Bayern in drei Wochen schwer haben, noch schwerer als sonst.
Aber jetzt ist alles anders. Aus Berlin kommt keine Unterstützung, aus Berlin kommen Querschläger. Die Affäre Maaßen.
Die SPD hatte viel Druck gemacht, damit Hans-Georg Maaßen, der starrsinnige Verfassungsschutz-Chef, seinen Job räumen muss. Am Dienstag trafen sich die drei ParteichefInnen Nahles, Merkel und Seehofer. Der CSU-Chef schlug vor, dass Maaßen mit Holger Münch, dem Chef des Bundeskriminalamtes, den Job tauschen könne. Nahles lehnte ab. Den nach rechts blinkenden Maaßen zum Chef von 6.000 BeamtInnen machen? Niemals.
Dann werde Maaßen eben Staatssekretär im Innenministerium, zuständig für die Bundespolizei und öffentliche Sicherheit, so Seehofer. Dagegen sprach aus Nahles’Sicht weniger. Minister wählen ihre Staatssekretäre selbst aus. Nahles willigte ein. Und stellte misstrauisch die Bedingung, dass Maaßen keinesfalls die Aufsicht über den Verfassungsschutz bekommt. Für sie wäre das völlig absurd gewesen – als Verfassungschef unbrauchbar, um dann seinen Nachfolger zu beaufsichtigen.
Nahles hatte gezögert, ehe sie dem Druck aus der SPD nachgegeben hatte und auf den Maaßen-muss-weg-Kurs umgeschwenkt war. Doch vergangene Woche sagte sie bei einem Wahlkampftermin: Maaßen muss gehen, Maaßen wird gehen.
Jetzt schien die riskante Operation ein gutes Ende genommen zu haben – mit dem Schönheitsfleck, das Maaßen Staatssekretär im Innenministerium werden würde, eine Beförderung also. Das aber war Seehofers Verantwortung. Das würde in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen werden, so die Hoffnung.
„Die SPD hat sich durchgesetzt“
Merkel, Nahles und Seehofer vereinbarten, dass der Bundesinnenminister am Mittwoch das Ergebnis der Öffentlichkeit vorstellen sollte. Auch das war Nahles nicht Unrecht. Seehofers Umbauten im Ministerium waren offensichtlich konfus. Der einzige Bauexperte, der SPD-Staatssekretär Gunther Adler, muss gehen. Der bisher für Sicherheit verantwortliche Staatssekretär Hans-Georg Engelke muss sich um Bauen kümmern, hat aber weiterhin die Aufsicht über den Verfassungsschutz. Ein halbes Ministerium wird rund um einen Staatssekretär organisiert. Das würde auf Seehofers Kappe gehen, gerade wenn er dieses Ergebnis selbst präsentiert.
Nach dem Treffen der drei ParteichefInnen telefonierte Nahles mit dem SPD-Präsidium und ließ eine Mail an die SPD-Abgeordneten verschicken, darin das Wording: „Die SPD hat sich durchgesetzt.“
Die Fahne hoch – noch bleibt der Mund verschlossen ?
Nahles hat, so sehen es viele in der Partei, vier Fehler gemacht. Erstens hat sie allzu vollmundig die Erwartung geweckt, dass die SPD Maaßen aus dem Amt befördern wird, ohne Seehofers Reaktion zu bedenken. Zweitens hat sie am Dienstag nicht begriffen, welche Falle Seehofer, mit Merkels Einverständnis, gebaut hatte. Drittens überhörte sie in der Telefonschalte mit dem SPD-Präsidium die ersten kritischen Stimmen, die zweifelten, ob sich die Lesart: „Sieg für die SPD, der Rest ist Seehofers Schuld“ durchsetzen könnte. Und viertens: Die SPD-Führung erfuhr nicht von Nahles, sondern von Seehofer, dass der SPD-Staatssekretär für Maaßen seinen Stuhl räumen muss. Gut gemeint also, schlecht gemacht.
Nahles war mit dem Versprechen angetreten, professioneller als Martin Schulz zu arbeiten. Doch manche GenossInnen erinnerte Nahles’Auftritt in der Telefonschalte an das Ende der Schulz-Ära. Als Seehofer am Mittwoch grinsend vortrug, dass Nahles den Deal, inklusive Maaßens Beförderung, abgenickt hatte, kippte die Stimmung. Nun schien die SPD für das bizarre Ergebnis verantwortlich zu sein: Ein Behördenleiter, der seine Kompetenzen überschritten hat, wird dafür mit einem besseren Job belohnt.
Haufenweise kritische Briefe und Mails
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Lebensqualität Stabile Preise Neue Demokratie Vollbeschäftigung … … (nicht) über den Tag hinaus „Die SPD verspricht die Zukunft – versagt in der Gegenwart- und entschuldigt sich mit der Vergangenheit -!“
Abbildung:
Füllhorn – Brandt reitet auf Schmidt als müdem Gaul, der auf einem Aktenordner hängen bleibt, beobachtet von Marx, Wehner und Kluncker (Karikatur)
KAS/ACDP 10-028 : 8 CC-BY-SA 3.0 DE
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Unten — Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Urheber / Quelle | Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme |