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Erstellt von Redaktion am Freitag 3. September 2021

Afghanische Ortskräfte in Deutschland

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Von Ralf Pauli

Mehrere Tausend afghanische Ortskräfte sind in Deutschland. Ihre Sorgen bleiben – denn viele mussten Familienmitglieder zurücklassen.

Die 127 Afghan:innen, die im Übergangswohnheim Marienfelder Allee im Süden Berlins Schutz vor den Taliban erhalten haben, sind dankbar – ihre Sorgen und Ängste sind dennoch geblieben. Das wird bei jedem Wort klar, das die rund 20 früheren Ortskräfte an diesem Donnerstagvormittag an Eva Högl richten, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.

Högls Aufgabe besteht eigentlich darin, sich für das Wohl der Bundeswehrsoldaten einzusetzen. Doch nun sitzt die SPD-Abgeordnete in einem großen Saal mit dunklem Holzinventar und fragt, wie es den Ortskräften in Deutschland geht, die jahrelang für die Bundeswehr gearbeitet haben. „Ich bin hier, um von Ihnen zu hören, wie ich Sie unterstützen kann.“

HERR NABIZADA, ORTSKRAFT„Sie sind in Gefahr, weil ich für die Bundeswehr gearbeitet habe“

Was die Wehrbeauftragte in den kommenden zwei Stunden zu hören bekommt, ist eine Mischung aus höflichem Dank und verzweifelten Bitten. „Wir sind in Sicherheit, aber nur wir mit unseren Kernfamilien“, sagt etwa Herr Nabizada, ein Mann in Jeans und schwarzem Hoodie. Von 2003 bis 2021 hat Nabizada als Dolmetscher für verschiedene Ausbildungsprogramme der Nato-Mission Isaf in Masar-i-Scharif gearbeitet, mehrere Jahre auch für die Bundeswehr. Seine Eltern und drei seiner Brüder werden von den Taliban gesucht, sie verstecken sich nun in und um Kabul. „Sie sind in Gefahr, weil ich für die Bundeswehr gearbeitet habe“, sagt Nabizada.

Der 38-Jährige ist zum Sprechen aufgestanden wie ein Schulkind. Eine Sprachmittlerin übersetzt seine Worte: „Deshalb bitten wir Sie, holen Sie unsere ganzen Familien nach Deutschland.“

Nur die Kernfamilie darf mit

Seit 2013 sind nach Angaben der Bundesregierung 4.800 Ortskräfte und ihre Familien eingereist, nach einem vereinfachten Visaverfahren noch einmal 2.500. Von den 3.849 Afghan:innen, die in den vergangenen zwei Wochen von den Bundeswehr evakuiert worden sind, sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) weitere 138 Ortskräfte und 496 Angehörige.

Sie alle erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes. Das heißt: Sie dürfen für zunächst drei Jahre im Land bleiben und in der Zeit bereits arbeiten oder eine Ausbildung beginnen. Ob auch die übrigen evakuierten Af­gha­n:in­nen diesen Status erhalten oder ins Asylverfahren müssen, werde derzeit geprüft, teilt ein Bamf-Sprecher mit.

Die meisten der 127 Af­gha­n:in­nen im Übergangswohnheim Marienfelder Allee sind bereits vor August eingereist. Eine entsprechende Aufnahmezusage haben alle erhalten, sagt die Leiterin der Einrichtung, Uta Sternal, vom Internationalen Bund (IB). Deshalb hätten die Familien auch Anspruch auf Leistungen vom Jobcenter oder Sprachkurse, so Sternal. Dennoch seien einige enttäuscht von der Bundesregierung: „Viele Familien mussten ihre Kinder, Geschwister und Eltern zurücklassen, weil sie nur die Kernfamilie mit nach Deutschland nehmen durften.“

Hat Seehofer Wort gebrochen?

Quelle         :       TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

Unfreiwillige Weiterreise für afghanische Ortskräfte

Von Ralf Pauli

In Ramstein sitzen afghanische Ortskräfte deutscher Institutionen auf der US-Air-Base fest. Sie dürfen den Luftwaffenstützpunkt nicht verlassen.

14.900 aus Kabul evakuierte Menschen befinden sich derzeit auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz und warten auf einen Weiterflug in die USA oder andere Länder. Sie waren in den letzten Wochen in US-Militärflugzeugen aus Afghanistan ausgereist – und sollen Deutschland jetzt schnell wieder verlassen. Wie das Auswärtige Amt am Mittwoch bestätigte, haben die Bundesregierung und die USA eine entsprechende Vereinbarung getroffen.

Das Problem: Unter den Wartenden in Ramstein sind auch einige, die eigentlich lieber in Deutschland bleiben wollen und dafür berechtigte Gründe haben. Einigen von ihnen hatten die deutschen Behörden im Rahmen der Evakuierungsaktion sogar schon eine Aufnahme zugesagt, zum Beispiel, weil sie früher als Ortskräfte für deutsche Stellen gearbeitet hatten. Sie dürfen die Air Base aktuell aber nicht verlassen und somit nicht richtig nach Deutschland einreisen. Es ist sogar möglich, dass sie demnächst nach Uganda, Albanien oder Nordmazedonien geflogen werden. Dort und in weiteren Drittstaaten will die US-Regierung die Visumverfahren für ihre Evakuierten durchführen, bevor sie sie weiter in die USA bringt.

Wie schwer der Weg aus der Air Base ist, zeigt ein Schreiben der Deutschen Botschaft in Doha, das der taz vorliegt. Darin teilt eine Mitarbeiterin einem in Deutschland lebenden Afghanen mit, wie er seine am Dienstag über Katar nach Ramstein evakuierte Ehefrau und Kinder wiedersehen könne. „Um eine tatsächliche Einreise in das Bundesgebiet aus Ramstein möglich zu machen, sollten Sie sich an die für Sie zuständige Ausländerbehörde wenden und dort um Vorabzustimmung zur ­Visumerteilung für Ihre Angehörigen bitten. Im Anschluss sollte sich die Ausländerbehörde mit dem BMI [Bundesministerium des Inneren; Anm. der Red.] in Verbindung setzen, damit ein Verlassen der amerikanischen Basis in Ramstein möglich wird“.

Nur: Die lokale Ausländerbehörde in Augsburg, in der der Mann das Visum für seine ­Familie vorbereiten soll, sieht sich nicht zuständig und ­verweist auf das Auswärtige Amt. Das wiederum reagiert ebenso wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht auf entsprechende Anfragen per E-Mail. So schildert es die auf Migrationsrecht spezialisierte Münchner Rechts­anwältin Anna Frölich, die den Afghanen aus Augsburg vertritt, gegenüber der taz. „Es ist momentan völlig undurchsichtig, ob der deutsche Staat noch eingreift und seine Zusage, die Evakuierten mit ihrer Kernfamilie zusammenzuführen, einhält.“

Quelle          :           TAZ          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     210820-M-AU949-0097 HAMID KARZAI INTERNATIONAL AIRPORT, Afghanistan (August 20, 2021) U.S. Marines and Norweigian coalition forces assist with security at an Evacuation Control Checkpoint ensuring evacuees are processed safely during an evacuation at Hamid Karzai International Airport, Kabul, Afghanistan, Aug. 20. U.S. service members are assisting the Department of State with a non-combatant evacuation operation (NEO) in Afghanistan. (U.S. Marine Corps photo by Staff Sgt. Victor Mancilla)

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