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Schmiergeld, Öl + Semtex

Erstellt von Redaktion am Samstag 28. Oktober 2017

Auf Malta ermordete Journalistin

Aus Valetta ChristianJakob

Warum wurde Daphne Caruana Galizia ermordet? Eine Geschichte über Schmiergeld, verkaufte Pässe und Briefkastenfirmen – mitten in der EU.

VALLETTA taz | „Manifest, geschrieben mit dem Blut der anderen“ – so nannte der amerikanische Historiker Mike Davis die Autobombe. Das jüngste dieser Manifeste bestand aus Semtex, auch Plastiksprengstoff genannt, befestigt am Boden eines weißen Peugeot 108 in einer Einfahrt in Bidnija, 309 Einwohner, elf Kilometer westlich von Maltas Hauptstadt Valletta.

Am 16. Oktober setzt sich Daphne Caruana Galizia, 53 Jahre alt, hinter das Steuer ihres Wagens. Sie fährt den Schotterweg bis zur Hauptstraße, biegt links ab, den Hügel hinunter, von dem aus das ferne Schimmern des Meeres zu sehen ist, vorbei an einer kleinen, wilden Mülldeponie und einem Zucchiniacker, 270 Meter weit, bis zu einem rot umrandeten Schild, auf dem ein Igel die Autofahrer bittet, seinesgleichen nicht platt zu fahren. Die Explosion, das glauben die Ermittler, wird per Handy ausgelöst. Um 15.04 Uhr liegen die Reste das Peugeots 100 Meter weiter auf einem Feld, rechts neben der Straße. Die sieben niederländischen Forensiker, die drei Tage später im Mater-Dei-Krankenhaus von Valletta Galizias Leichnam inspizieren, bekommen nicht viel zu sehen. Vom Körper der bekanntesten und streitbarsten Journalistin des Landes bleibt nur wenig übrig. Ihre letzten Worte hatte sie 29 Minuten vor ihrem Tod auf ihrem Blog gepostet: „Egal, wo du jetzt hinsiehst: Überall sind Gauner. Es ist zum Verzweifeln.“

Eine Woche später stehen die drei Söhne Galizias im EU-Parlament in Straßburg, das darüber debattiert, was der Mord an ihrer Mutter über Malta und womöglich über die EU sagt. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold ergreift das Mikrofon. „Daphne wurde auf offener Straße getötet. Es gab kein Verstecken, ihre Mörder versuchten nicht einmal, den Angriff wie einen Unfall erscheinen zu lassen. Im Gegenteil: Dies war eine brutale Demonstration der Macht“, sagt er. Es sei klar, warum die Bombe nicht unter dem Auto des Polizeichefs oder des Generalstaatsanwalts lag: „Es war Daphne, die ein Licht auf das System von Geldwäsche und Korruption in Malta warf – es waren nicht diese Behörden.“

Der Mord an ihr, so sehen es auch viele auf der Insel, war ein Manifest, dass die, die es ernst meinen mit dem Kampf gegen Kriminalität, auf Malta nicht mehr sicher sind.

Giegold, der sich seit Jahrzehnten mit Steuerflucht befasst und Galizias Recherchen genau kennt, fordert, internationale Ermittler zu entsenden. Er verlangt den Rücktritt des sozialdemokratischen Premiers Joseph Muscat und sorgt dafür, dass das EU-Parlament eine Delegation nach Malta schicken will, damit „die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt“ wird.

Der Ort der Explosion – die Straße weiter, an der Kreuzug – rechte Hand.

Während in Straßburg die Gedenkfeier läuft, betritt Rosy Bindi, die Leiterin der italienischen Anti-Mafia-Kommission, das Excelsior-Hotel an den Festungsmauern von Valletta. Tagelang war die Kommission auf Malta unterwegs, der Besuch war lange geplant, doch jetzt, nach dem Attentat auf die Bloggerin, ist das Interesse riesig. Umringt von glatt gegelten Leibwächtern, aus deren Anzügen sich durchsichtige Kabel in die Ohrmuscheln schrauben, setzt Bindi sich an einen Tisch und schaut die Journalisten an, die in schweren Ledersesseln auf sie gewartet haben. Die Mafia, sagt Bindi, sehe Malta als „ein kleines Paradies“. Und auch „Finanzdienstleister, die die Eröffnung von Unternehmen in Malta anbieten“ könnten, seien „ein Teil des Problems“.

Für Malta sind die Aussagen von Bindi ein Problem. Seit Jahrzehnten ist sie Expertin für die italienische Mafia ihr Wort hat also Gewicht. Malta kämpft seit der Ermordung Galizias um seinen Ruf.

Fünf Autobomben in zwei Jahren

Sie ist nicht die einzige, die das so sieht. Wenn in diesen Tagen über den Inselstaat berichtet wird, dann ist von Schwarzgeld die Rede, von Briefkastenfirmen, Steueroasen, einer finsteren Aserbaidschan-Connection, von Ölschmuggel, Passverkäufen und Onlineglücksspiel. Dazu beigetragen hat auch Galizias größte Geschichte. Ihr Sohn Mathew arbeitet bei dem Recherchenetzwerk IJIC, das 2016 die Panama Papers enthüllte. Über ihn bekam Galizia die Unterlagen, die Malta betreffen. Sie entdeckte, dass Keith Schembri, Kabinettschef des Premiers Muscat, und sein Kollege Konrad Mizzi – erst Energie-, heute Tourismusminister – Tarnfirmen auf den British Virgin Islands und in Panama unterhielten. All dies fließt nun zusammen zu einem düsteren Bild, in dem sich die Grenzen zwischen zweifelhaften Privatgeschäften von Politikern, umstrittenen staatlichen Einnahmequellen und der organisierten Kriminalität aufzulösen scheinen.

Panama-papers.jpg

Es ist ein Bild, das schlecht zusammenpasst mit den Vororten Vallettas, die voll sind von Geschäftsleuten und braun gebrannten Sprachschülern, mit der autofreien, sandfarbenen Altstadt, die in neun Wochen Europas Kulturhauptstadt wird – ein unvergleichliches Open-Air-Mittelaltermuseum, durch das jeden Tag Zehntausende Touristen den Reiseführern mit ihren bunten Wimpeln folgen wie Kreuzzügler ihrer Standarte, um sich dann abends, in St. Julian, auf der anderen Seite der Bucht, zufrieden von der Gischt berieseln zu lassen, Hase in Rotwein zu essen und pintweise Cisk Lager hinterherzukippen.

Quelle   :   TAZ    >>>>>    weiterlesen

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Mord an einer Mutigen

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Grafikquellen    :

Oben    —  Daphne Caruana Galizia,  https://twitter.com/RED92cadadiamas

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2.) von Oben   —   The site of the explosion was at the top of Bidnija Road, limits of Mosta (upper right-hand corner).

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Unten   —    Panama Papers illustration

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