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Schlands digitale Rezession

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 15. August 2019

Nichts Neues bitte, läuft doch auch so

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Eine Kolumne von

Sollte es wirklich eine Rezession geben, wird die deutsche Wirtschaft zwar schnell Donald Trump als Schuldigen identifizieren. Aber die eigenen Versäumnisse wird sie ausblenden wie bisher.

Die nächste Rezession wird eine digitale sein. Darunter verstehe ich einen Rückgang der wichtigsten Wirtschaftszahlen in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen aufgrund digitaler Versäumnisse. Die digitale Rezession also wird offenbaren, dass dieses superreiche Land auf zerstörerische Weise von seiner Substanz gelebt hat.

Allerdings – auch wenn sich die Expertenstimmen und Warnzeichen mehren, ist nicht sicher, ob tatsächlich eine Rezession kommt. Der Komplexitätsgrad einer weltweit vernetzten und globalisierten Wirtschaft ist längst so hoch, dass Vorhersagen mit den oft seit Jahrzehnten unveränderten Methoden und Kriterien immer weniger verlässlich werden. Wenn sie überhaupt je verlässlich waren.

Aber angenommen, es handelt sich nicht nur um eine kurze Abkühlung der Konjunktur, sondern um eine echte Rezession. Dann wird, so ist es Tradition in Deutschland, zuallererst ein Schuldiger gesucht. Natürlich steht das Ergebnis dieser Suche längst fest: Donald Trump. Es mangelt mir wahrlich nicht an Trump-Gegnerschaft, und seine Amokpolitik hat der deutschen Wirtschaft zweifellos Steine in den Weg gelegt. Die EU-feindlichen, extremistischen Regierungskräfte in halb Europa kommen hinzu, ebenso wie die Unruhen in China und die mögliche Überhitzung der dortigen Wirtschaft. Aber es ist Teil des Problems, dass solche Erklärungen – wir sind nicht schuld, es sind die Umstände – zur deutschen ökonomischen Folklore gehören. Deutschland ist nämlich auch Schuldexportweltmeister.

Und so wird im Falle einer Rezession eben Trump und seiner zweifellos stumpfen Handelspolitik die Verantwortung zugeschoben werden – unter weitgehender Ausblendung der Versäumnisse der deutschen Wirtschaft. Die lassen sich grob so zusammenfassen:

  • Nicht rechtzeitig erkannt zu haben, zumindest nicht in der vollen Breite, dass in Zukunft das Geld weniger mit Hardware und viel mehr mit vernetzter Software verdient werden wird, auch in der Industrie.
  • Nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass die stetige Verbesserung eine andere Art von Innovation ist als die Erfindung von Produkten, die den Markt umwälzen.
  • Nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass die im Vergleich geringen Investitionen deutscher Unternehmen eine katastrophale Sackgasse sind.

Kurz, substanzielle Teile der deutschen Wirtschaft haben nicht erkennen können oder wollen, dass die gestrigen und heutigen Erfolgsrezepte morgen nicht mehr zwingend funktionieren werden. Es funktioniert doch auch so. Das ist das Prinzip von Comicfiguren, die in voller Geschwindigkeit noch ein ganzes Weilchen über dem Abgrund weiterlaufen können, bevor sie erkennen, dass sie längst die Richtung hätten ändern sollen – und herunterfallen. So erfolgreich zu sein, dass der Druck, sich zu wandeln, praktisch auf null sinkt, das ist das große deutsche Luxusproblem. In Zeiten der Digitalisierung ist das gleichbedeutend damit, von der eigenen Substanz zu leben. Die kommende digitale Rezession ist hausgemacht und beruht auf der Hybris, die Wucht und Radikalität der digitalen Transformation einfach ausgeblendet zu haben.

Eine erschütternde Gegenüberstellung verdeutlicht das. Das nach Umsatz größte deutsche Digitalunternehmen ist die Deutsche Telekom mit 75 Milliarden Euro 2018. Mal zur Einordnung: Das sind fast dreißig Milliarden Euro mehr Umsatz als Facebook. Das umsatzstärkste amerikanische Digitalunternehmen war im letzten Jahr Amazon mit rund 203 Milliarden Euro. Ein Blick auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ausweislich der jeweiligen Geschäftsberichte:

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Das ist kein Schreibfehler. Klar, die Geschäftsmodelle sind verschieden, aber der Vergleich besagt trotzdem erst einmal: Amazon investiert rund 420-mal mehr Geld in Forschung und Entwicklung als die Deutsche Telekom. Die schreibt in ihren Geschäftsbericht, diese Kennzahl dürfe um Gottes willen nicht losgelöst betrachtet werden von ihrem „Innovationsdreiklang“, bestehend aus „Eigenentwicklungen, Partnerschaften und Start-up-Förderung“. Doch das ist wenig mehr als Wortgeklingel, denn es gibt weltweit für die Berechnung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben präzise festgelegte Bilanzierungsregeln.

Quelle         :       Spiegel-online       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben     —         EV-Box’s charging station for home charging.

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Unten        —            Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.

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