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RENTENANGST

Schafft sich die LINKE ab ?

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 8. September 2016

Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern

File:Katja Kipping Sahra Wagenknecht Dietmar Bartsch Klaus Ernst Die Linke Wahlparty 2013 (DerHexer) 01.jpg

Wahlen gewinnen können sie nicht ! Was dann ?

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Autor: Peter Kroh
Rationalgalerie

Der Autor wohnt in Neubrandenburg und lebt seit den 80er Jahren in Mecklenburg-Vorpommern. Er war Hochschullehrer und lange Jahre Mitglied der LINKEN.

Schaut man sich die Erst-und Zweitstimmen der Linken in Mecklenburg-Vorpommern von 1990 bis 2011 an, ist zum einen sichtbar, dass sie die Meinung der Wähler und Wählerinnen über die Ergebnisse der Regierungsbeteiligung (1998-2006) reflektieren. Zum anderen wird sichtbar, dass man manch einzelnen Kandidaten / einzelne Kandidatin schon im Parlament sehen möchte, der Partei aber insgesamt nicht allzu viel zutraut. Vor allem aber wird erkennbar, dass die LINKE 2016 noch weit unter das das Niveau von 1990, als schärfste ideologische Diffamierung und politische Ausgrenzung Normalität waren, ) zurückgefallen ist.

Weder aber gibt es heute eine politische Ausgrenzung noch einen ideologischen Meinungskampf wie damals. Woher also der Rückgang ?

Äußerungen der LINKEN, die sog. Flüchtlingskrise und ein bundespolitischer Trend seien Ursache der verheerenden Niederlage der LINKEN, kommen nur zustande aufgrund der seit langem anhaltenden partiellen Realitätsblindheit der Partei.

Die Hauptursache sehe ich darin, dass die LINKE ihr Alleinstellungsmerkmal seit langem verloren hat, sich bei anderen Parteien politisch-inhaltlich anbiedert (siehe Hartz-Gesetze, NATO) und schon lange ihre kritischen Positionen, mit denen sie einst aus der SED und z.T. noch aus der PDS heraus angetreten war, aufgegeben hat.
Viele (zu viele) Abgeordneten der PDS/der LINKEN flohen nach und nach ins Lager derjenigen, die von den bestehenden Verhältnissen profitieren, sie erhalten wollen und also verteidigen. Eigentlich (!) jedoch wollten sie die Verhältnisse verändern! Die Verhältnisse aber sind geblieben, das Verhalten von LINKEN hat sich geändert.

Wer unbedingt in die Regierung will, der muß – früher oder später – verschweigen, was dem hinderlich ist. Er wird aufhören jene zu kritisieren, mit denen er – irgendwann, aber am besten möglichst bald – zusammenarbeiten muss. Dazu wird er über Jahre und Jahrzehnte (niemals in „einem großen Sprung“, das würde Anhänger vergrätzen) sich den Standpunkten, Floskeln und Parolen der schon Regierenden anpassen. Der langjährige Linken-Wähler wird zu diesem Zweck mit Themen, Statements, Slogans, Plakaten abgelenkt, seine Aufmerksamkeit wird auf Nebensächliches gelenkt. Reden, Presserklärungen etc. von PolitikerInnen der Linken verschweigen / verbergen so a) worum es eigentlich geht: / Arm gegen Reich, Unten gegen Oben / und b) worum es ihm /ihr wirklich geht :/Mitregieren/.

Klar sozialistische und den realen Klassenkampf analysierende Positionen wurden schon seit langen und werden immer deutlicher ad acta gelegt. [ABER: Auf die Frage, was er für den zentralen Konflikt unserer Zeit hält, hat der selbstbewußte Kapitalist und Dollar-Milliardär, Warren Buffet im Interview mit der New York Times 2010 gesagt: „Der Klassenkampf natürlich, Reich gegen Arm, und meine Klasse, die Reichen, die gewinnen gerade.” (“There’s class warfare, all right,” Mr. Buffett said, “but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.”)]
Die politische Grundhaltung der LINKEN gleicht daher dem Kind, das sich selbst die Augen zuhält und dem anderen zuruft: „Du siehst mich nicht!“. Ernsthaft gesagt: In der Politik der LINKEN werden gesellschaftliche Zustände akzeptiert, die von links denkenden und wertenden, also systemkritischen Menschen, eindeutig als inakzeptabel angesehen werden.

Die LINKEN wirken durch ihren Verzicht auf realistische Benennung der herrschenden Zustände mit an einem Traumziel der Mächtigen in Wirtschaft und Medien und der politisch Regierenden seit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland: eine oppositionelle gesellschaftlichen Kraft verhindern und das vorhandenen Protestpotentials in der Bevölkerung in den real existierenden Kapitalismus überführen.

Die Früchte dieser Entwicklung erntet die AfD. Sie punktet bei den sogenannten „kleinen Leuten“. Sie stützt sich auf Vorurteile, Fehlurteile, dumpfe Parolen, Stammtisch-Stimmungen, Menschenverachtung. All das hat sowohl soziale (politische, ökonomische) als auch ideelle, geistige Ursachen. Wo real erlebte Ausgrenzung, Diskriminierung, Verarmung (also erlebter, erlittener Klassenkampf einer Seite !) einher geht mit fehlendem politischen Wissen, da entwickelt sich Dummheit, Hass, Gewalt. Menschen, die die Ursachen ihrer Misere nicht kennen, werden nicht demokratisch aktiv, sondern eher gewalttätig.

Keiner der LINKEN sagt, jede Regierung jedes Staates ist stets „nur“ der geschäftsführende Ausschusses der herrschenden Klasse. Alle sagen: „Regierungsverantwortung“. Gibt es aber nicht auch eine
„Oppositionsverantwortung“? Und hat die LINKE nicht auch Verantwortung für eine außerparlamentarische Opposition?

Welcher LINKE-Politiker entlarvt die verlogenen Parolen der Regierenden? Z.B. die Behauptungen, Kriegseinsätze seien Menschenrechtspolitik; die Marktwirtschaft sei eine soziale; die Verschärfung von Überwachung und Kontrolle diene der Sicherheit und Freiheit; die Russen würden uns bedrohen, weswegen die NATO mehr Truppen an die russische Grenze verlegen und die US-Navy im Schwarzen Meer und in der Ostsee kreuzen müsse;…

Das Wahlergebnis in MV zeigt – wie zuvor in Sachsen-Anhalt – (und bald in Berlin?), dass auch in der LINKEN die umfassende, 26 Jahre andauernde neoliberale Manipulation wirksam ist. Ein Anfang war in den 1990er Jahren, die verbale Akzeptanz der radikalen (Sozial-)Kürzungen als „Sparen“.
Kernthese dieser auch „Gehirnwäsche“ genannten Herrschaftsstrategie der planmäßigen Verdummung: Es gibt keine Alternative zu dem, was wir politisch machen. (Am deutlichsten sichtbar und gesellschaftspolitisch am nachhaltigsten wirksam wurde diese Manipulation in der schlimmen Agenda 2010 und den damit verbundenen Hartz-Gesetzen.)

Die Reduzierung der eigenen Ziele auf reformerische Überlegungen aller Art geht bei vielen LINKEN einher mit dem Irrglauben, wirkliche soziale Reformen ließen sich in Kooperation mit den Mächtigen und den Regierenden durchsetzen [ „Reform“ ist laut aktuellem Duden: „Verbesserung des Bestehenden ] Völliger Irrsin ist darüber hinaus, die bei einigen LINKEN vorhandene Vorstellung, wenn man erst an der Regierung sei, könne man die „richtigen“ sozialistischen Ziele ja wieder hervorholen und verwirklichen. Die öffentliche Meinung würde das sofort als gebrochene Wahlversprechen und Täuschung der Wähler geißeln. Vor allem ist es eine Illusion, weil die (beim Mitregieren vorgefundenen) Verhältnisse das Verhalten bestimmen. Nicht der neue (linke) Minister verändert das Amt, sondern das Amt verändert den Mensch, der jetzt Minister ist. Kennt nicht jeder politisch Interessierte dafür genügend Belege?

Weil die Politik der LINKEN seit zweieinhalb Jahrzehnten darauf verzichtet hat, mit Marx und mit eigenem Nachdenken alle „Verhältnisse, unter denen der Mensch ein elendes, entwürdigtes, verachtetes, entfremdetes Wesen ist“ zu kritisieren, geht ihr gesellschaftspolitischer Einfluß langsam, aber sichtbar immer mehr zurück.Die Ideen der LINKEN werden keine materielle Gewalt, weil sie die Massen nicht ergreifen.
So, wie es „ein bißchen Schwangerschaft“ nicht gibt, so gibt es auch nicht „ein bißchen Klassenkampf“. Jede Schwangerschaft verläuft gleichwohl stets von Frau zu Frau sehr differenziert. Und jeder Klassenkampf verläuft von Land zu Land und zu unterschiedlichen historischen Zeiten in sehr differenzierten Formen. Dennoch ist das eine eben Schwangerschaft und das andere eben Klassenkampf. Es muß also so benannt werden, will man die Realität korrekt abbilden.

Eine realistische Kritik, also eine, die Verhältnisse beseitigen will, unter denen viele Millionen Menschen entwürdigt, verachtet, entfremdet werden, ist insofern höchst aktuell. Werden doch die Verhältnisse, die das bewirken immer radikaler, schamloser, empörender. (Dazu eine total unvollständige Aufzählung, jeder möge ergänzen: innere Sicherheit durch immer mehr Überwachung in der Öffentlichkeit und im Internet; Nichtbewältigung des staatlichen NSU-Versagens; Fallpauschalen im Gesundheitswesen; fehlende Lehrer an Schulen; Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte; steigender Rüstungshaushalt und hunderte Milliarden zur Bankenrettung, aber zunehmende Kürzungen bei Jugend und Kultur: faschistoide Tendenzen in Teilen der politischen Öffentlichkeit (von Rassendiskriminierung im Innern bis zum Stillschweigen über ähnliche Tendenzen nicht nur, aber besonders deutlich u.a. in Ungarn, der Ukraine und der Türkei )

Die LINKEN sind infolge ihrer Politik ebenso mitverantwortlich an weiter sich ausbreitender Resignation unter den Linken wie an der Zementierung und dem Ausbau der sozialen Spaltung unserer Gesellschaft. Vermutlich wollen das die meisten Abgeordneten der LINKEN nicht. Aber unabhängig von ihrem Wollen bewirken sie es objektiv!
Erfolge linker Politik sollten ab dem 5.9.2016 nicht daran gemessen werden, wie eine (Landes-)Regierung die Mittel verteilt. Gemessen werden sollte daran, ob der Anteil der Vielen am gesellschaftlichen Reichtum zu Ungunsten der Mächtigen, der Repräsentanten, der Führer zunimmt.
Politische Erfolge (auch, aber nicht allein und nicht zuerst bei Wahlen!) im Interesse der Ausgebeuteten, Abhängigen, Ausgegrenzten erfordern deshalb die kritische Analyse der grundlegenden Spaltung in unserer Klassengesellschaft und darauf aufbauend den Entwurf eines anderen, lebenswerten, enkeltauglichen Gesellschaftsmodells.

Die LINKE steht vor der Alternative: Entweder schafft sie eine deutliche Kurskorrektur oder sie schafft sich selber weiter ab.

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4 Kommentare zu “Schafft sich die LINKE ab ?”

  1. Ex-Linker sagt:

    Die LInke hat sich z.T. schon abgeschafft.
    Mit NUR mobil machen gegen ein Häufchen Nazis oder Draufklopfen auf Pegida-Anhänger oder AfD aktivieren sie Nichtwähler. Nichtwähler die AfD wählen, aber nicht die Linke. In Berlin werden sie ebenfalls erhebliche Verluste einfahren.

  2. Hubert sagt:

    Gregor Gysi: So machen wir die AfD wieder klein ….
    So ganz bestimmt nicht Herr Gysi!!!

  3. Bernhard Müller sagt:

    Jeder weiß: Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her.

  4. BadBoy sagt:

    Was würden die Linke nur ohne NPD bzw. AfD machen?

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