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Sahras Plan

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 8. März 2018

Wie Deutschlands linkspopuläre Leerstelle zu füllen wäre,
zeigt der Politologe Andreas Nölke

Sahra Wagenknecht bei der Bundestagswahl 2017 Wahlabend Die Linke (Martin Rulsch) 34.jpg

Von Sebastian Puschner

In Köln-Raderberg wird sich Sahra Wagenknechts Mission entscheiden. Nur 22,7 Prozent eines Jahrgangs wechseln hier von der Grundschule auf das Gymnasium, während es im wohlhabenden Köln-Lindenthal 88,8 Prozent sind. Ob eine neue linke Bewegung Zuspruch findet, wird sich auch in Köln-Chorweiler zeigen, wo mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Hartz IV leben. 50 Prozent beteiligen sich hier an Bundestags-, ein Drittel an Kommunal-, ein Viertel an Europawahlen. Immerhin, bei den NRW-Landtagswahlen 2017 stieg die Beteiligung in Chorweiler von 29 auf 32 Prozent. Doch im Villenviertel Köln-Hahnwald wuchs sie von 76 auf 82 Prozent. Willkommen im Deutschland der Gegenwart: die Ungleichheit starr, die Demokratie exklusiv, der politische Diskurs für viele ökonomisch Unterprivilegierte eine ferne Galaxie, deren Bewohner ihnen mit Ignoranz, Verachtung oder freiwilliger Wohltätigkeit begegnen.

Andreas Nölke, Professor für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hat mit Linkspopulär. Vorwärts handeln statt rückwärts denken ein Drehbuch für das beschrieben, was die Linken-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht und ihr Genosse Oskar Lafontaine bisher nur in Umrissen skizzieren: die Formation einer neuen linken Kraft, die die links-kommunitaristische Leerstelle im deutschen Parteienspektrum besetzt, indem sie lokale und nationale Demokratie wie Solidarität als primären Bezugspunkt wählt und wirtschaftlicher Globalisierung ebenso skeptisch begegnet wie dem Transfer politischer Befugnisse auf supranationale Ebene.

Dass die meisten Medien dieses Vorhaben bisher nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Spaltung der Linkspartei verhandeln und erkennbar für überflüssig halten, hat einen schlichten Grund: Die Zielgruppe, um die es geht, liest keine Zeitung und interessiert sich kaum für Nachrichten oder Politik-Talks. Das bedeutet nicht, dass sie über keine politischen Präferenzen verfügt: Es gehe um „Menschen, die sich über starke Migration Sorgen machen und der Europäischen Union im Allgemeinen sowie dem Euro im Besonderen skeptisch gegenüberstehen“, schreibt Nölke, und dabei nur in Teilen etwa um die 24 Prozent, die bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt zuletzt für die AfD stimmten. Eher um die 40 Prozent der Wahlberechtigten, die dort auch 2016 gar nicht erst an der Wahl teilgenommen haben.

Erschreckte Kosmopoliten

Ob sie ein linkspopuläres Angebot in die Demokratie zurückholen kann? Die von Nölke konstatierte Lücke jedenfalls ist schwer bestreitbar: FDP, Union, Grüne und SPD eint weitestgehend das kosmopolitische Bekenntnis zu globalisierter Ökonomie, kultureller Liberalisierung, liberaler Wirtschaftsregulierung, mitunter militärischen Interventionen zur Verbreitung eigener Politik- und Gesellschaftsmodelle und die Negation von Verteilungskonflikten infolge grenzenloser Migration. Letztere hält auch ein Großteil der Linkspartei für erstrebenswert. Die einzige Gegenposition hierzu besetzt die AfD mit ihrem Rechts-Kommunitarismus, einem Mix aus blankem Rassismus mit neoliberalen Positionen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Das kosmopolitische Erschrecken darüber ist berechtigt, zeitigt aber zugleich, dass jede anderslautende fundamentale Kritik an EU, Euro und Forderungen nach offenen Grenzen augenblicklich unter Rechtspopulismus-Anklage steht.

Quelle   :     Der Freitag          >>>>>        weiterlesen

Ein Filmbericht des NDR über die Wahlererfolge der AfD in den Ost-Ländern 

YouTube

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Grafikquelle     :     Sahra Wagenknecht auf der Wahlparty der Linken zur Bundestagswahl 2017 in der Arena Berlin.

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