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Polanskis neuer Film

Erstellt von Redaktion am Dienstag 19. November 2013

Gefangen von einer Frau

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Autor: Angelika Kettelhack

Rationalgalerie

Datum: 18. November 2013

„Venus im Pelz“ ist nichts weiter als ein Zwei-Personen-Stück — aber ein grandioses, ein intellektuelles und ein erbarmungsloses. Ein Spiel, inszeniert von dem jetzt 80-jährigen Roman Polanski, dem Filmregisseur, der die Ängste der Frauen kennt und versteht wie er immer wieder bewiesen hat: 1965 in „Ekel“ mit Catherine Deneuve, 1968 in „Rosemaries Baby mit Mia Farrow, 1979 in „Tess“ mit Nastassja Kinski und 1994 in der „Tod und das Mädchen“ mit Sigourney Weaver.

Doch dieses Mal geht es um die ausweglose Situation eines Mannes, der zum „Gefangenen“ einer Frau wird in einem Duell zwischen dem Theaterregisseur Thomas und der sich naiv und ungebildet gebenden Schauspielerin Vanda, die unbedingt die Rolle der Vanda in seiner neuesten Inszenierung ergattern will, die sich auf die berühmte Novelle „Venus im Pelz“ (1870) von Leopold von Sacher-Masoch bezieht. Jenen Autor, der gegen seinen Willen für die Wortschöpfung „Masochismus“ verantwortlich gemacht wird.

Gespielt wird dieser Theaterregisseur von dem französischen Filmschauspieler Mathieu Amalric, der dem jungen Polanski verblüffend ähnlich sieht, was allerdings nicht so erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass die Eltern von Amalrics jüdischer Mutter aus dem selben Dorf in Polen stammen wie Roman Polanskis Eltern. Da kann es ja durchaus eine weiter zurückliegende gemeinsame jüdische Familiengeschichte geben – auch wenn der Schauspieler Amalric und der Regisseur Polanski beide in Paris geboren wurden.

Roman Polanski, der 2003 für „Der Pianist“ einen Oscar bekam, nimmt wie schon in seinem vorangegangenen, wunderbar brisanten Film „Der Gott des Gemetzels“, der auf einem Vier-Personen-Stück der Theater-Autorin Jasmina Reza fußt, nun für sein filmisches Zwei-Personen-Stück „Venus im Pelz“ den Broadway-Erfolg von Davis Ives als Vorlage. Beide bauen auf Sacher-Masochs Novelle auf. Bei Polanski fällt das besonders selbstironisch und witzig aus.

Von dem Duell, in dem nicht der Regisseur seine Darstellerin quält, sondern umgekehrt die Untergebene die stärkere Position einnimmt, soll Polanskis Ehefrau, Emmannuelle Seigner, mit der er seit 25 Jahren zusammen ist, und die ihre Rolle als Vanda in „Venus im Pelz“ mit beeindruckend erotischer Verführungskunst spielt, gesagt haben, der Film ihres Mannes sei ziemlich feministisch. Wahrscheinlich weil dieser Film den Frauenpart unterstützt wenn er voller Humor mit Klischees spielt, um diese dann gleich im nächsten Moment wieder zu brechen.

Zunächst aber scheinen die Rollen traditionell verteilt zu sein: Der Regisseur ist der Bestimmende und die Arbeit suchende Schauspielerin hat schlechte Karten. Nicht nur weil sie erst Stunden nach dem angesetzten Casting zum Vorsprechen erscheint, sondern auch weil sie in ein Gewitter geraten ist und nun pudelnass mit strähnigen Haaren und verlaufener Schminke ausgesprochen hässlich aussieht. Doch sie weiss, was sie will und hat sich super vorbereitet: Sie hat „second hand“ ein Kostüm aus der Zeit um 1870 und passend aus der selben Epoche eine Jackett für den Regisseur in ihrer großen Handtasche. Und noch dazu eine frühe Originalausgabe des Sacher-Masoch-Buchs.

Als Vanda dann gegen jede Erwartung eine Kostprobe ihres Könnens liefert, erlebt Thomas eine erstaunliche Wandlung: Bereitwillig zieht er die mitgebrachte Jacke an als sie ihn zwingt die Rolle ihres Stichwortgebers für sie einzunehmen. Und schon bald geht sie zum Angriff über, indem sie ihm das Motto des historischen Buches zitiert: „Und der allmächtige Gott hat ihn gestraft und ihn in eines Weibes Hände gegeben.“ – „Finden Sie das nicht sexistisch?“ fragt sie ihn vorwurfsvoll und provoziert ihn triumphierend: „Vanda ist hinreißend unschuldig bis sie zufällig auf diesen Perversen trifft … Der reine Geschlechter- und Klassen-Kampf ist das!“

Er wehrt sich typisch Mann und aus seiner Position als Arbeitgeber: „Sie begreifen es nicht. Sie begreifen gar nichts! Wie kann man so einen Schwachsinn reden und Vanda gut spielen?“ Das gegenseitige Verwirr-Spiel wird immer intensiver, manchmal fast bedrohlich in der sich ständig steigernden Auseinandersetzung um sexuell bestimmte Abhängigkeit und gegenseitige Erniedrigung, die so weit geht, dass der Mann trotz aller schöpferischen und gescheiten, aller schlagfertigen und ironischen Wortgefechte und Ausbruchsversuche zum Spielball von Vandas und seinen eigenen Gelüsten wird.

Trotz der unendlich vielen Dialogwechsel kann man in keinem Fall von einem bloßen Radio-Film reden, auch wenn er nur an einem einzigen Ort, zwischen Zuschauerraum und Bühne, spielt. Denn jede noch so einfache und normale Bewegung ist stark erotisch aufgeladen, ohne jemals peinlich zu sein. Wenn Vanda sich auf der Récamière wie hingegossen rekelt und ausstreckt oder wenn er den Reisverschluss ihres schwarzledernen Mieders schließt, ist sie die Herrin in jeder Situation.

Das Fazit von Polanski zu seinem Film: Der Sado-Masochismus hat etwas, das dem Theater nicht unähnlich ist: Man wird in seinen eigenen Phantasien zum Regisseur, man spielt eine Rolle und bringt jemand anderen dazu, eine Rolle zu spielen. Mit dieser Theatralität, diesem Spiel im Spiel, spielt der Film. Das ist ein Ort, an dem Herrschaft und Unterwerfung, Theater und echtes Leben … sich treffen, die Plätze tauschen, Grenzen sich verwischen.

Der Film kommt am 21. 11. in die Kinos

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Graf8ikquelle    :    festival de Cannes

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