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Pflege – endlose Abzocke

Erstellt von Redaktion am Montag 31. März 2014

Pflege – endlose Abzocke

Wären Sie bereit, für eine 20 Quadratmeter große Wohnung eine monatliche Miete in Höhe von 1.354,78 (Eintausenddreihundertvierundfünfzig) Euro zu zahlen? Ich wette, Sie wären nicht bereit dazu. Besonders dann würden Sie sich  weigern eine derartige Wuchermiete zu zahlen, wenn  Sie den Quadratmeterpreis von Euro 67,74 errechnet hätten und Sie zu dem feststellten, dass das vermietete Objekt nicht im städtischen Kerngebiet, sondern weitab davon am Rande der Stadt errichtet wurde. Als freier Mensch in einer freien Gesellschaft, würden Sie ein derartiges Ansinnen mit aller berechtigten Wucht der Empörung zurückweisen.

Nicht so die Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeheimen, ihre Angehörigen oder das Sozialamt. Diese werden per Gesetzeskraft gezwungen solche Wuchermieten zu zahlen. Sie glauben das nicht? Sie brauchen es nicht zu glauben, der Bund der Pflegeversicherten beweist es Ihnen.

Die Rechnung, die unserem Mitglied Ludger S., Pflegestufe II, zu Beginn eines jeden Monats vom Pflegeheim, das er bewohnt, vorgelegt wird, enthält immer wiederkehrend vier Positionen. Am Beispiel dieser Positionen soll das Dilemma, in dem sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unablässig befinden, deutlich gemacht werden:

Kosten

Von

Bis

Anzahl der Tage

Einzel-betrag

Gesamt-betrag

Ihr Anteil

Umlage Altenpflegeausbildung

01.08

31.08

31

2,35

72,85

72,85

Pflegeaufwand Stufe II

01.08

31.08

31

64,12

1.987,72

708,72

Unterkunft und Verpflegung

01.08

31.08

31

30,48

944,88

944,88

Investitionskosten Einzelzimmer

01.08

31.08

31

18,23

564,90

0,00

3.570,35

1.726,45

  • Bei der Umlage Altenpflegeausbildung existiert keine wirksame Kontrolle, ob das Geld tatsächliche für die Ausbildung des Pflegenachwuchses verwandt wird.
  • Beim Pflegeaufwand müssen die Pflegeheime der Pflegekasse gegenüber durch Dokumentation belegen, dass dieser Betrag dem tatsächlichen Aufwand entspricht. Obwohl auch hier nicht mit Gewissheit belegt werden kann, dass der Inhalt der Dokumentation dem tatsächlich geleisteten Aufwand entspricht.
  • Bei der Unterkunft und Verpflegung werden nach der Sozialgesetzgebung Euro 5.00 pro Tag für die Verpflegung verwandt. Der Hauptanteil von täglich 25,48 Euro fließt in die Unterkunft bzw. Miete. Eine Überwachung dieser Kosten findet nicht statt.
  • Der Investitionskostenbeitrag für das Einzelzimmer in Höhe von täglich 18,23 Euro gilt aus Mietkostenanteil, er wird, der Forderung nach, für notwendige Investitionskosten eingesetzt. Eine Kontrolle, ob diese Beträge tatsächliche für notwendige Investitionen verwandt wird, findet nicht statt. Und falls Sie, wie in unserem Beispielfall, die Investitionskosten nicht zahlen können, übernimmt das Ihr Sozialamt (d.h. wir alle).
  • Das  ergibt insgesamt pro Monat  einen Betrag(564,90 + 789,88) von Euro 1.354,78.

Dieser Betrag fließt unkontrolliert auf die Konten der privaten oder öffentlichen Pflegeheimbetreiber. Seine Verwendung liegt im wahren Sinne das Wortes im Dunkel.

Es ist also nicht verwunderlich, dass derzeit in Deutschland rund 400 neue Pflegeheime entstehen. Finanzmakler, Fondsmanager, große private Pflegeheimketten aber auch die sogenannten Wohlfahrtsverbände reißen sich darum. Ist ihnen doch ein Mietpreis von Euro 67,74 pro Quadratmeter garantiert.

Nur der reine Pflegeaufwand, die Kosten also, die durch die Pflege am Menschen entstehen, ist der Kontrolle durch die Pflegekassen, durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) oder durch die machtlosen Heimaufsichten ausgeliefert.

Der Mensch wird zur Ware.

Die Grundlagen für dieses Dilemma liefert das Pflegeversicherungsgesetz und somit das Pflegesatzverfahren. Verantwortlich dafür sind 1. die Pflegesatzkommission und 2. die Grundsätze für die Vergütungsregelung, 3. die Landesämter. Im § 86 des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) heißt es: „Die Landesverbände der Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e.V., die überörtlichen oder ein nach Landesrecht bestimmter Träger oder regional oder landesweit tätige Pflegesatzkommissionen vereinbaren die Pflegesätze“.

Aber Vorsicht! Denn was den Tätigkeiten aller dieser Verantwortlichen gemeinsam ist, ist ihre Nichtprüfbarkeit!

Der Pflegeaufwand wird vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach Pflegestufen festgestellt. Nimmt man  als Beispiel einen Pflegebedürftigen, bei dem durch die Gutachter des MDK ein täglicher Pflegeaufwand nach Pflegestufe III von mindestens 240 Minuten zzgl. 60 Minuten für hauswirtschaftliche Dienste festgestellt wurde, so ist von den in Anspruch genommenen Pflegediensten anhand einer Pflegedokumentation zu belegen, dass dieser zeitliche und pflegerische Aufwand  tatsächlich erbracht wurde. Aber Vorsicht! Die Ungereimtheiten beginnen bereits hier. Denn die Pflegeheime verschicken ihre Rechnungen in der Regel zu Beginn des Monats, also noch bevor irgendeine Leistung überhaupt erbracht wurde. Was in Rechnung gestellt wird, sind vorläufige Beträge, die irgendwelchen Annahmen, keinesfalls jedoch einer wie auch immer gearteten Realität entsprechen. Die Pflegedokumentation, die eigentlich Grundlage eines Teils der Rechnungen, nämlich des Pflegesatzes ist, wird erst im Nachhinein erstellt. Erneut Vorsicht! Denn die Pflegedokumentationen belegen erfahrungsgemäß den von den Gutachtern der Medizinischen Dienste festgestellten zeitlichen und pflegerischen Aufwand bei Weitem nicht. Darüber hinaus ist die Gültigkeit der Dokumentationen schon deswegen infrage zu stellen, weil sie den gesetzlichen Vorgaben (§ 105 des elften Sozialgesetzbuches, SGB XI) in der Regel nicht gemäß sind. Eine transparente und überprüfbare Abrechnung ist nur gegeben, wenn für jeden Pflegebedürftigen ein individueller, ganzheitlicher Pflegeplan erstellt wurde und die Dokumentation im Sinne des § 105 des Elften Sozialgesetzbuchs erfüllt sind.  Des weiteren handelt es sich bei den Pflegesatzvorgaben um sogenannte Soll-Vorgaben (§ 85 SGB XI). Eine realitätsgetreue Darstellung des „Ist-Zustandes“ wird somit nicht erbracht. Hinzu kommt, dass innerhalb der Pflegesätze Leistungen wie etwa Energiebedarf, Strom, Wasser und hauswirtschaftliche Leistungen eingerechnet sind, die später unter der Position „Unterkunft und Verpflegung“ möglicherweise noch einmal verrechnet werden. Es müsste folglich geprüft werden, ob es zu Doppelverrechnungen innerhalb der Rechnungen der Pflegeheime kommt und wie hoch sie zu Buche schlagen. Insgesamt ist in Bezug auf die Position „Pflegeaufwand“ festzustellen, dass sie nicht prüffähig ist.

Wiederum Vorsicht! Denn was die zweite und dritte Position auf der Rechnung des Pflegeheimes, nämlich die Positionen „Unterkunft und Verpflegung“ und „Investitionskostenzulage“ betrifft, so wären sie zuallererst auf Sittenwidrigkeit zu prüfen, also darauf hin, ob hier nicht ein strafrechtlich relevanter Tatbestand gegeben ist. Der unbedarfte Bürger würde das Wucher nennen. Denn den Pflegebedürftigen, den Angehörigen von Pflegebedürftigen und/oder den Sozialämter (d.h. uns allen) werden neben den Kosten für die Unterkunft (Miete) zusätzlich Investitionskosten berechnet. Der Bund der Pflegeversicherten hält die Erhebung von Miete (sprich Kosten der Unterkunft)  einerseits und die Berechnung von Investitionskosten andererseits für unstatthaft, da durch die Zahlung der Investitionskosten die Bewohner von Pflegeeinrichtungen Miteigentümer werden, denen eine zusätzlich Miete nicht zuzumuten ist. Der Besitzer einer Eigentumswohnung des freien Wohnungsmarktes würde sich wehren, wenn ihm neben den Investitionskosten auch noch Miete berechnet würde. Erneut Vorsicht! Denn hier wäre ebenfalls die Vereinbarkeit mit den oben genannten Grundsätzen sowie mit den Vorgaben des Grundgesetzes und darüber hinaus mit dem Art. 14 GG zu prüfen. Aus den Rechungen der Pflegeeinrichtungen ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe die Kosten für die Verpflegung wirklich anfallen  und wie hoch die Kosten für die Unterkunft (Miete) veranschlagt sind.

Zusammenfassend ist generell festzustellen, dass die Rechnungen der Pflegereinrichtung nicht prüffähig sind. Der Bund der Pflegeversicherten empfiehlt daher seinen Mitgliedern, die Zahlung Rechnungen „unter Vorbehalt“ zu stellen. Auf diese Weise behalten sie im Falle einer gerichtlichen Klarstellung den Rechtsanspruch auf Rückzahlung.

Gerd Heming (Vors.) März 2014

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Fotoquelle: Wikipedia
Source     It’s all about love
Author     Candida Performa

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