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RENTENANGST

Parteitag in Leipzig II

Erstellt von Redaktion am Sonntag 10. Juni 2018

Die „Biedere“ gegen die „Drama-Queen“ –
dieses Duell überschattet die Linken

Und der Regisseur des Ganzen Drama liegt zu Hause auf den Sofa spielt seiner Dragon Queen zum Tanz auf !

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Auf dem Linke-Parteitag wollte man über Inhalte reden. Aber es wurde ein Zwei-Frauen-Tag, beherrscht vom Streit der Fraktionsvorsitzenden und der Parteichefin. Unserem Autor gelang im Rückzugsraum ein Tête-à-Tête mit Wagenknecht.

Jetzt sitzen wir im Rückzugsraum mit Sahra Wagenknecht. Der heißt wirklich so. Je näher man der Decke des mehrstöckigen Kongresszentrums aus Glas und Stahl und Beton kommt, desto heißer wird es, desto dünner wird die Luft. Der Rückzugsraum ist ein Ort ohne Blick nach draußen. Vor den Fenstern, die in das Innere des Kongresszentrums zeigen sind dicke Vorhänge.

So sehen wir nichts. Im Nirgendwo des Leipziger Kongresszentrums. Ein Nichtort, in dessen Nähe man sich bestenfalls bei Kentucky Fried Chicken oder McDonald’s aufhalten kann, aber eigentlich nicht will, außer man hat ein ernst zu nehmendes Meth-Problem, so trostlos ist diese postkapitalistische Landschaft aus vertrockneten Freiflächen zwischen Kongresshotels und Kongresszentrum.

Jetzt also im Rückzugsraum. Sarah Wagenknecht sitzt darin wie eine Boxerin zwischen dem gerade vergangenen und nächsten Kampf in ihrer Kabine. Erschöpft und angespannt zugleich. Es hieße, sie wolle die Linke spalten mit ihrer parteiübergreifenden Sammlungsbewegung, die sie mit einem Theatermacher und ihrem Mann Oskar Lafontaine gegründet hat, von der man sonst aber nichts weiß.

Sahra Wagenknecht und ich, wir schauen uns an

Sahra Wagenknecht und ich, wir schauen uns an. Sie hat braune Augen. Sie sitzt da in einem schwarzen Kleid, die Beine überschlagen. Und ich denk noch kurz daran, wie die Personenschützer vom BKA mich gezwungen haben, ein Foto von ihnen zu löschen, weil sie fürchten, darauf nicht vorteilhaft auszusehen. „Weil wir dann Ärger von oben bekommen könnten.“

Die Personenschützer saßen zu dritt in einer Reihe. Links ein Mann, der für Anzüge von Drykorn oder S. Oliver modeln könnte, rechts daneben zwei irre starke Frauen. Und sie hatten alle in der exakt gleichen Haltung in ihre Handys geschaut. So völlig fertig. Und ich dachte mir noch, die wollen bestimmt nach Hause, zu ihren Frauen, zu ihren Männern, die Goldfische füttern, einen Film schauen oder so – traurig und schön zugleich. Und weil mir dann nichts Besseres einfällt, sag ich als Erstes zu Sahra Wagenknecht: „Nach zwei Tagen Parteitag bin ja selbst ich im Arsch, aber wie muss das Ihnen gehen?“

Sahra Wagenknecht ist ja immer die Büste Sahra Wagenknecht. Die Bronze-, die Marmorstatue Sahra Wagenknecht. Eine Mensch versteckt hinter der eigenen skulpturalen Inszenierung, so zwischen Madonna, Lady Gaga und Rosa Luxemburg. Ihr ungewöhnliche Stirn, ihre streng nach hinten frisierten Haare, ihre im Gang soldatische Haltung. Die Bodyguards, die blitzenden Fotografen, der groß gewachsene Pressesprecher, der immer neben ihr steht. Die Art, so königinnenhaft die Hände in den Schoß zu legen, und dann nicht zu applaudieren, wenn ihre Kontrahentin Katja Kipping spricht.

Das alles ist Teil der Polit-und-Popstar-Uniform, die Sahra Wagenknecht morgens anzieht. Und wer weiß, ob sie die abends abstreift und in den Schrank legt und einfach mal nur bei sich ist. Und für den Moment, kurz nachdem ich „Arsch“ gesagt habe, da lacht sie, und die Uniform, die fällt kurz von ihr ab.

Da ist sie für den Moment nur Sahra Wagenknecht

Im Lachen, dass durch sie hindurchgeht, als wenn man mit einem Kleinwagen etwas zu zügig über einen Bordstein fährt, da ist sie für den Moment nur Sahra Wagenknecht. Und in der nächsten Sekunde sitzt sie wieder in ihrer Uniform. Und sie sagt, dass sie das so natürlich nicht sagen würde, also im Arsch sein, aber sich schon genauso fühle. Und sie hofft, dass diese ständigen Diffamierungen ihrer Person jetzt irgendwann aufhören würden. Sie habe auch nie am Asylrecht rütteln wollen, wie ihre Gegner es behaupten. Ihr Pressesprecher sagt, sie müsse jetzt weiter. Und wir verabschieden uns.

Dieser Parteitag der Linken ist viel weniger ein Parteitag als ein Zwei-Frauen-Tag. Was ja auch was über den Zustand der Geschlechtergerechtigkeit bei den Linken aussagt. Kein einziger Mann bestimmt an diesem Wochenende die Diskurse der Partei. Alle, von bekannten Bundestagsabgeordneten bis hin zu völlig unbekannten Lokalpolitikern aus Schwäbisch Hall, kennen nur ein Thema: den großen innerparteilichen Streit, den sie zwischen Katja Kipping, der Parteichefin, und Sahra Wagenknecht, der Fraktionsvorsitzenden, sehen.

„Riexinger warnt Wagenknecht vor Spaltung der Partei“, „Eklat auf Parteitag erwartet – stehen die Linken vor der Spaltung?“, „Bartsch glaubt nicht an Spaltung durch Wagenknecht“, rattert es durch die Nachrichtenapps und Titelseiten der Zeitungen.

Das entscheidende Thema: die Flüchtlingskrise

Quelle   :      Die Welt       >>>>>      weiterlesen

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