DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Palmen, die töten

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 3. Januar 2018

Wenn sich Orang-Utans verirren, droht ihnen der Tod

Das geschieht immer häufiger, denn der indonesische Regenwald schrumpft zugunsten endloser Palmölplantagen. Wie Panut Hadisiswoyo Affen rettet und was Nutella damit zu tun hat.

Aus Medan/Indonesien Urs Wälterlin

Der Schuss ging daneben. Statt die Orang-Utan-Mutter zu treffen, dringt der Betäubungspfeil aus dem Blasrohr in den Oberschenkel des Babys. Hoch in der Krone des Baums klammern sich beide Tiere an die schwingenden Äste, mehr verärgert über die Störung als verängstigt. Eine Minute später, und das Baby fällt vom Baum – direkt in ein Tuch, das fünf Retter bereithalten. Während der Schütze das Blasrohr auf die Mutter richtet, wird das benommene Jungtier von einem Tierarzt untersucht. Herzschlag, Atmung, Temperatur. „Etwa zwei Jahre alt“, sagt der Mediziner, „alles okay“. Dann fällt auch die Mutter vom Baum. Ihre langen Arme und Beine sind schlaff von der Droge. Ihre Augen hat sie weit geöffnet.

„Es wird fünf Stunden dauern, bis die beiden wieder auf den Beinen sind“, sagt Panut Hadisiswoyo, Gründer und Vorsitzender des Orang-Utan Information Centre (OIC). Der Mitvierziger trägt eine Chirurgenmaske. Eine Schutzmaßnahme: Orang-Utans sind anfällig für fast alle Infektionskrankheiten, die von Menschen übertragen werden können. 97 Prozent ihrer Gene teilen sie mit der Gattung Homo sapiens.

Panut Hadisiswoyo hält das Affenbaby in seinem Arm, als wenn es sein Kind wäre. Gut 30 Orang-Utans retten er und sein Team von 60 Helfern pro Jahr. „Wir entreißen sie nicht gerne der Natur“, erklärt der Aktivist. „Aber es ist die einzige Möglichkeit, Orang-Utans zu retten.“

Hadisiswoyo und seine Mannschaft stehen in einer Plantage von Ölpalmen, rund drei Stunden nördlich der Stadt Medan auf der indonesischen Insel Sumatra. Die Affenmutter und ihr Kind hatten sich aus dem Dickicht des benachbarten Urwalds in die Anlage verirrt. Eine potenziell tödliche Situation. Für die Bauern der Umgebung seien die Tiere „wertlose Schädlinge“, die man am besten abschieße. „Zwar sind Menschenaffen streng geschützt. Es wurde aber noch nie jemand dafür verurteilt, dass er einen Orang-Utan tötet“, erzählt Hadisiswoyo.

Ein kleiner Affe bringt dem ­Verkäufer etwa 350 Euro ein

Wild saved baby LUKKE.jpg

Ausgewachsene Affen „werden einfach abgeknallt, niedergestochen, verbrannt“, sagt Hadisiswoyo. Ein Baby dagegen könnten die Bauern als Haustier verkaufen. Etwa 350 Euro würden sie vom Zwischenhändler erhalten, sagt er, ein Vermögen in dieser Gegend, wo arme Familien von 200 Euro im Jahr lebten. „Im illegalen Weiterverkauf, etwa an einen reichen Scheich im Nahen Osten, steigt der Preis in die Tausende, ja Zehntausende von Euro.“ Die meisten der Tiere würden in den Gärten wohlhabender Indonesier dahinvegetieren, erzählt Hadisiswoyo. „Wir haben Affen gerettet, die zwanzig Jahre in einem Käfig lebten, der kaum größer war als sie selbst.“

Die Affenmutter und ihr Kind haben die Schnittstelle zwischen einem der einst größten Naturparadiese auf dem Globus und seiner hemmungslosen Ausbeutung überschritten. Sumatra Orang-Utans (Pongo abelii) sind akut vom Aussterben bedroht: Nur noch etwa 7.500 Tiere leben in Freiheit, vorwiegend im Nationalpark Gunung Leuser, einem von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärten Urwaldgebiet im Zentrum von Sumatra. Mit 2,6 Millionen Hektar ist es die letzte Region auf dem Globus, wo man noch gleichzeitig Menschenaffen, Elefanten, Tiger und Großwild auf vergleichsweise kleinem Raum sehen kann. Doch wie Metastasen eines aggressiven Krebstumors fressen sich die Plantagen immer tiefer in den Regenwald und in Gebiete, die jahrtausendelang kaum von Menschenhand berührt worden waren.

Die Affenretter haben die Tiere inzwischen in einer speziell gebauten Kiste gesichert. Sie ist auf der Ladefläche eines Allradfahrzeugs fixiert. Obwohl benommen, schaut die Mutter durch ein Gitter direkt in die Augen der Menschen, die sie beobachten. Die hohe Dosis des Schlafmittels verursache dem Jungtier keine Schäden, versichert der Tierarzt. „Es wird in ein paar Stunden aufwachen und fröhlich davonspringen.“

Orang Utan, Semenggok Forest Reserve, Sarawak, Borneo, Malaysia crop.JPG

Dann geht die Fahrt los zu dem Ort, wo die Affen ausgesetzt werden sollen. Kilometer um Kilometer stehen Ölpalmen auf beiden Seiten der Straße – Hektar um Hektar dort, wo noch vor wenigen Jahren unberührter Regenwald wucherte. Ursprünglich als Zierpflanze aus Afrika eingeführt, hat sich die Palme (Elaeis guineensis) und ihr Produkt für Indonesien und Malaysia zu einer Art stationärem Goldesel entwickelt. Die beiden Länder in Südostasien produzieren 85 Prozent des weltweit konsumierten Palmöls. Die Palme gedeiht hervorragend im tropischen Klima, ihre Frucht – Klumpen roter Palmnüsse, die unter den Kronen hängen – lässt sich mit geringem Arbeitsaufwand ernten und verarbeiten. Das Endprodukt ist weitaus billiger als es vergleichbare Öle sind.

So hat sich das goldgelbe Palmöl in nur wenigen Jahren zum Schmiermittel der globalen Lebensmittel- und Kosmetikindustrie entwickelt – im wahrsten Sinne des Wortes. Nach Informationen der Wirtschaftsagentur Bloomberg verdoppelte sich der weltweite Konsum seit dem Jahr 2000 auf jährlich 7,7 Kilogramm pro Person. Palmöl findet sich überall: in Pizzateig, in Schokoriegeln, in Brotaufstrich wie Nutella. Der italienische Hersteller Ferrero bestätigt, dass Palmöl die zweitwichtigste Zutat in der braunen Paste ist – nach Zucker.

Ein wesentlicher Grund für die Beliebtheit von Palmöl sind seine einzigartigen Eigenschaften: Es kann der Oxidation besser widerstehen als andere Öle, auch in wärmeren Klimazonen. Das erlaubt die längere Lagerung von Lebensmitteln. Es ist das perfekte Bratöl, da es sich hoch erhitzen lässt, ohne an Qualität zu verlieren. In Seife, Lippenstiften und vielen anderen Kosmetikartikeln und Pharmazeutika werden aus Palmöl gewonnene Fettsäuren verwendet.

Quelle    :      TAZ        >>>>>        weiterlesen

Indonesien ist Palmöl-Welt-meister

Aufzucht verwaister junger Orang-Utans.JPG

Von Urs Wälterlin

WWF empfiehlt, beim Kauf auf Zertifizierung zu achten

Indonesien ist der weltgrößte Hersteller von Palmöl, gefolgt von Malaysia und Thailand. Im Jahr 2016 produzierte Indonesien in Sumatra (70 Prozent der Plantagen) und auf Kalimantan, Borneo (30 Prozent) auf einer Gesamtfläche von 11,8 Millionen Hektar 32 Mil­lionen Tonnen Öl. Mit einem Wert von 18,6 Milliarden US-Dollar pro Jahr ist Palmöl das drittwichtigste Ausfuhrprodukt des Landes, nach Kohle und Erdöl. Anpflanzung und Verarbeitung beschäftigen direkt und indirekt etwa 3 Millionen Menschen.

Über die Hälfte der Plantagen gehören indonesischen Palmölkonzernen wie Astra Agro Lestari und Bakri Sumatera Plantations. Etwa 40 Prozent werden von kleineren bis mittelgroßen Landwirtschaftsfirmen und Unternehmern kontrolliert, knapp über 6 Prozent vom Staat. Der Verband der indonesischen Palmölhersteller hat große Pläne für die Zukunft. Er strebt einen Ausbau der Produktion bis 2020 auf jährlich 40 Millionen Tonnen an.

Durch eine Erhöhung der Subventionen für „Bioöl“ und Steuererleichterungen für Palmölprodukte hat die indonesische Regierung klar gemacht, den Ausbau der Industrie erweitern zu wollen. Die Kritik an den Folgen für die Umwelt zwingt Jakarta aber dazu, Maßnahmen gegen die Waldzerstörung zu ergreifen, zumindest auf dem Papier. Schließlich fordern immer mehr Exportländer, das Öl müsse unter den strengen Produktionsvorschriften des malaysischen Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) hergestellt werden. So schuf Indonesien mit Indonesian Sustainable Palm Oil (ISPO) ein eigenes Zertifizierungsverfahren. Es ist jedoch international nicht anerkannt.

Quelle    :     TAZ      >>>>>        weiterlesen

 

————————————————————————————————————————-

Grafikquellen:

Oben   —    Auswilderungsgebiet Kehje Sewen

 

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>