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RENTENANGST

Pablo gegen Goliath

Erstellt von Redaktion am Montag 4. Februar 2019

Ein Anwalt kämpft gegen einen Weltkonzern

Aus Quito Theresa Leisgang

Der Ecuadorianer Pablo Fajardo will Chevronzu Schadenersatz zwingen, weil der Ölkonzern im Regenwald eine Umweltkatastrophe hinterlassen habe.

ie erste Morddrohung trifft dich am härtesten, sagt Pablo Fajardo. Die Träume danach, die Unsicherheit auf der Straße, die Angst, was aus deiner Familie werden wird. Der Anwalt ist deshalb vorsichtiger geworden. Bustickets zum Beispiel bucht er frühestens drei Stunden vor Abfahrt. Auch weil er sich nicht verzeihen könnte, wenn wegen ihm eine Bombe hochgeht und Unschuldige sterben. Aufgeben wird er deswegen nicht.

Pablo Fajardo, 45, laute Stimme, breites Lachen, am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs, ist der Mann, der sich mit einem der größten Ölkonzerne der Welt angelegt hat. Nur dafür hat er Jura studiert. Weil sein Vater, ein Kakaobauer, ihm das Studium nicht finanzieren konnte, legten alle Leute aus seinem Dorf zusammen. Sie wollten, dass sich endlich etwas ändert.

Seit in den 1960er Jahren Ingenieure aus Texas in Ecuador nach Öl bohrten, ist das Grundwasser teilweise verseucht. Die Böden im Amazonasgebiet an der Grenze zu Kolumbien gelten als vergiftet. Die Krebsraten in den Provinzen Sucumbíos und Orellana sind mit die höchsten auf dem Kontinent.

Fajardo kämpft für die Betroffenen um eine Entschädigung vom Ölkonzern Texaco, der inzwischen zu Chevron gehört. Es ist der größte Umweltprozess aller Zeiten. Auf der einen Seite stehen 30.000 Bürger eines kleinen lateinamerikanischen Landes, die Schadenersatz einfordern. Auf der anderen Seite steht ein multinationales Unternehmen, das um jeden Preis der Verantwortung für die Umweltverschmutzung entkommen will.

Chevron will ein Urteil über 9,5 Milliarden US-Dollar Schadenersatz nicht anerkennen. Die ecuadorianischen Richter seien korrupt. Doch die Ölkatastrophe ist real.

Fajardo sucht deshalb nach anderen Möglichkeiten, die den Betroffenen Gerechtigkeit bringen könnten. Denn seinen Mandanten geht es nicht um Geld. Ihnen geht es um sauberes Trinkwasser, um Gesundheit, ein Leben in Würde, um Gerechtigkeit. Für sich und ihre Kinder. Und für die Natur.

Als 1972 das erste Fass Öl aus dem Urwald in die Hauptstadt transportiert wurde, feierten die Ecuadorianer ein Riesenfestival. Das Öl verhieß Wohlstand und Entwicklung.

Es folgte ein Boom. 200.000 arme Bauern aus dem ganzen Land zogen ins Amazonasgebiet, unter ihnen Fajardos Vater. Pablo schrubbte selbst als Teenager die Öltanks von Texaco – bis er begriff, dass er hier genau wie seine Heimat ausgebeutet wurde.

Auch der ecuadorianischen Regierung ging es allein um Profite. Der Investitionsvertrag mit Texaco ist dick wie ein Buch, dem Naturschutz sind darin nur vier Zeilen gewidmet.

Tote Fische im Fluss,aus dem Trinkwasser geschöpft wurde

Besonders leiden darunter Einheimische wie María Payaguaje. Sie lebt am mächtigen Fluss Aguarico, der knapp 600 Kilometer flussabwärts in den Amazonas mündet. Payaguaje ist eine der letzten Indigenen vom Volk der Siekopai, die sich noch an die Zeit vor dem Öl erinnern kann.

Sie sitzt in einer Hängematte, die Flipflops sind ihr von den Füßen gerutscht, ihr geblümtes T-Shirt klebt an der runzeligen Haut. Früher, erzählt sie in ihrer Muttersprache Paikoka, früher sei das Leben einfacher gewesen. Damals habe sie das Wasser zum Kochen einfach vom Fluss geholt.

Eines Tages bemerkte sie, dass Fische tot im Fluss trieben. „Plötzlich bekam die ganze Familie Bauchweh, der Durchfall hörte nicht auf. Meine Kinder hatten Hautausschläge.“ Selbst die mächtigsten Schamanen konnten die neuen Krankheiten nicht heilen, sagt sie, und ihre Stimme bricht. Ihr ältester Sohn ist wenige Jahre später gestorben. „Sie sagen, es war Krebs.“

Die Nichtregierungsorganisationen UDAPT und Clínica Ambiental haben vergangenes Jahr Krankheitsdaten von fast 7.000 Personen veröffentlicht. Die Ergebnisse sind erschütternd: Knochenkrebs ist in der Region zehnmal so häufig wie im ecuadorianischen Durchschnitt, Frauen leiden achtmal häufiger an Gebärmutterkrebs.

Das „Tschernobyl Amazoniens“ wird der Fall auch genannt: Als sich Texaco 1992 aus Ecuador zurückzog, hinterließ der Konzern die bis dato größte Ölkatastrophe der Welt. Im Fördergebiet haben die Arbeiter giftigen Bohrschlamm in rund 900 Gruben gefüllt. Viele existieren noch heute, überwuchert von Farn.

Regelmäßig bieten die Mitstreiter von Anwalt Pablo Fajardo sogenannte ToxiTours an: In Kleinbussen bringen sie Austauschstudenten, Journalisten und Ökotouristen an die Grenze zu Kolumbien, wo die Altlasten von Texaco noch heute zu sehen sind – obwohl der Konzern beteuert, gemäß den Absprachen mit der Regierung Aufräum­arbeiten geleistet zu haben.

Der Tourguide in Gummistiefeln und T-Shirt führt die Gruppe an den Rand eines schimmernden Morastes, der mit schwarz-gelben Gefahrenschildern markiert ist. Er sagt, in der Region seien 65 Millionen Liter Rohöl und 70 Milliarden Liter toxische Abwässer im Boden versickert.

Chevron dementiert: „Alle Vorwürfesind falsch“

Wie viele Liter es genau waren, wird niemand je ermitteln können. Dafür hat das Unternehmen gesorgt, wie der Journalist Paul Barrett für sein Buch „Law of the Jungle“ recherchierte: Es gab die direkte Anweisung, Unfälle oder Lecks zu vertuschen. In einer internen Notiz vom 17. Juli 1972 heißt es, nur „große Vorfälle“, die die Aufmerksamkeit von Behörden oder der Presse erlangten, sollten überhaupt zu Protokoll gegeben werden.

Eine weniger umweltschädliche Technologie zur Ölförderung existierte bereits in den 1960er Jahren – patentiert von Texaco in den USA. Dort kam sie auch zum Einsatz. Aber in Ecuador gab es kaum staatliche Auflagen, und so sparte das Unternehmen Kosten. 4.197.968 Dollar, um genau zu sein. Gerade mal so viel hätte es laut einem internen Bericht gekostet, die Gruben abzudichten, um Natur und Anwohner zu schützen.

Ein Sprecher des Konzerns sagt der taz dazu: „Alle Vorwürfe gegen Chevron sind falsch und nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen gestützt. Die Behauptungen der Umweltverschmutzung sind haltlos.“ Die Krux an diesem Fall sei es, herauszufinden, wer die Wahrheit sage. Ein Lügner sei vor allem Steven Donziger.

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Donziger war der erste Anwalt, der die Betroffenen der Ölkatastrophe vertrat: ein junger Harvard-Absolvent, der hoffte, sich in dem Umwelt­skandal einen Namen zu machen.

Er brachte Journalisten und Filmstars wie Brad Pitt und den Sänger Sting ins Land, um die Geschichte von David gegen Goliath bekannt zu machen. Es war seine Idee, die ganze Schuld auf den US-Konzern zu schieben. Die Fehler der ecuadorianischen Regierung aufzuzeigen, hätte die Sache zu sehr verkompliziert – wen interessieren schon fehlende Standards, mangelnde Kontrolle, unzureichender Schutz indigener Territorien, ein Aufhebungsvertrag nach notdürftigen Aufräumarbeiten durch den Konzern?

Über die Fehltritte der Regierung Ecuadors sah Donziger hinweg. Über das dortige Justizsystem äußerte er sich allerdings abschätzig. Seine überhebliche Art brachte ihm nicht viele Sympathien unter den Einheimischen. Und seine zweifelhaften Methoden haben nicht geholfen, den Betroffenen Gerechtigkeit zu bringen.

Quelle    :      TAZ               >>>>>                        weiterlesen

Schwerer Weg zum Recht gegen Konzerne

File:A Chevron in Chilliwack.jpg

von Christian Rath

Welche Möglichkeiten Betroffene besitzen, um gegen international tätige Unternehmen zu klagen.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen, an denen westliche Konzerne beteiligt sind, erhalten oft juristische Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus den Heimatländern der Konzerne. Um Schadenersatz zu erstreiten, gibt es verschiedene Wege.

Zunächst wird eine Klage am Ort des Schadens geprüft. Ein Schadenersatzprozess zum Beispiel in Pakistan kann sich jedoch über Jahrzehnte hinziehen. Außerdem gilt die dortige Justiz als korruptionsanfällig.

Selbst wenn ein positives Urteil am Ort des Schadens erstritten wurde, können sich Probleme mit der Vollstreckung ergeben, wenn sich das Unternehmen aus dem entsprechenden Staat zurückgezogen hat wie im Fall Chevron.

Vollstreckungsprobleme ergeben sich auch, wenn der Schaden nicht von einer Tochtergesellschaft des westlichen Konzerns verursacht wurde, sondern von einem Zulieferer. Dann kann das Urteil nur in einem Staat vollstreckt werden, in dem der Konzern seinen Sitz oder eine Niederlassung hat. In Deutschland werden aber zum Beispiel Urteile der pakistanischen Justiz nicht automatisch anerkannt, weil die pakistanische Justiz deutsche Urteile auch nicht automatisch anerkennt. Es fehlt also an der Gegenseitigkeit. Dann muss separat geprüft werden, ob das ausländische Urteil auch in Deutschland vollstreckbar ist. Das ist allerdings kein Spezialproblem von Klagen gegen Konzerne.

File:CAMPAÑA LA MANO SUCIA DE CHEVRON - 11532358094.jpg

NGOs unterstützen deshalb gerne Klagen in den Heimatländern der Konzerne, zum Beispiel in Deutschland. So können sie auch besser Öffentlichkeitsarbeit machen und Spenden einwerben. Die Konzerne trifft die negative Publicity eines solchen Prozesses härter, weil sie vor allem in ihren Absatzmärkten auf ein gutes Image angewiesen sind.

Quelle       :        TAZ         >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben            —     Yasuni National Park

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