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Offener Brief von LISA

Erstellt von Redaktion am Freitag 30. Oktober 2020

LISA NRW an Oskar Lafontaine (15.10.2020)

Quelle:    Scharf  —  Links

Von LISA / NRW – Offener Brief

Lieber  Genosse Lafontaine,

die Linke sozialistische Arbeitsgemeinschaft Frauen (LISA) NRW möchte Dir eine Rückmeldung sowohl  zu Deinem  Auftritt in einem Münchner Luxushotel gemeinsam mit Thilo Sarrazin und Peter Gauweiler als auch zu Deinem NZZ-Interview vom 10. Oktober zukommen lassen.

Wir möchten, dass Du weißt:

1.       Wir finden es völlig unangemessen von Dir gemeinsam mit Thilo Sarrazin dessen neueste Hetzschrift zu würdigen. Sarrazin wurde wegen Unverträglichkeit seiner rassistischen Propaganda mit den Grundsätzen der SPD aus dieser ausgeschlossen. Eine Entscheidung zu der wir die SPD nur beglückwünschen können.  Ein gemeinsamer Auftritt mit Sarrazin ist für einen Linken höchstens dann hinnehmbar, wenn es darum geht dessen rassistischen Thesen entschieden Paroli zu bieten. In München hast Du jedoch das Gegenteil davon gemacht.

2.       Deine Argumentationen im „Kamingespräch“ mit Sarrazin greifen nicht nur rechte Stereotype auf, sondern untermauern sie noch mit fragwürdigen, angeblichen Fakten. Es ist schlicht falsch, dass „jedes unbegleitete Flüchtlingskind“ monatlich 5000 Euro Kosten  verursacht. Dies ist vielmehr die höchstmögliche Summe, die in absoluten Ausnahmefällen für ein Kind ausgegeben werden kann. Die durchschnittliche Ausgabe für ein unbegleitetes Flüchtlingskind in z.B. Baden-Württemberg  belief sich 2018 auf unter 500 Euro pro Monat.

3.       Ebenso falsch und bewusst irreführend ist die Aussage, diese hohen Kosten könntest Du der Sozialrentnerin nicht vermitteln. Hier eine arme, alte Frau gegen ein armes,  geflüchtetes Kind auszuspielen ist der Höhepunkt der Demagogie. Sind es etwa arme, alte Frauen, die armen Kindern nicht helfen wollen? Sind es arme,  alte Frauen, die Unbarmherzigkeit gegen andere Arme und Hilfsbedürftige predigen?  Sind es überhaupt Frauen, die rassistischen Parolen auf den Leim gehen? Ganz bestimmt nicht! Die übergroße Mehrheit der Frauen unterstützt Hetze gegen Geflüchtete oder auch Hetze gegen Arme und Ausgegrenzte überhaupt nicht. Als 2015 viele Menschen auf der Flucht in Deutschland ankamen, waren es überall vor allem Frauen, die sich in lokalen Gruppen um die Ankommenden kümmerten. Auch andere soziale Freiwilligenarbeit wird in Deutschland vor allem von Frauen geleistet – und oft ist da auch die von Dir vorgeschobene Sozialrentnerin aktiv. Und, glaubst Du tatsächlich, dass es  die Kosten für Geflüchtete  sind, die die Rentnerin in Armut halten? Nein, Armutsrenten gerade für Frauen haben andere Gründe. Sie sind politisch gewollter Ausfluss von geschlechtlicher Arbeitsteilung und ein Ergebnis jahrzehntelanger, neoliberaler Zerstörung von Sozialstaat und Altersabsicherung.

4.       Mit dieser, aber auch den Äußerungen, dass Notleidenden besser nicht hier, sondern in ihrer meist kriegs- und krisengeschüttelten Heimat geholfen werden sollte oder mit der These, dass die Arbeitsmigration nach Großbritannien ursächlich für den Brexit sei, greifst Du wieder einmal rechte Narrative auf und bestätigst sie. So, Oskar Lafontaine, wird das nie etwas mit einer linken Hegemonie im gesellschaftlichen Diskurs. Jede Deiner diesbezüglichen Argumentationen zementiert die bestehende rechte Hegemonie  und ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Zu linken Wahlerfolgen tragen Deine Beiträge leider schon lange nicht mehr bei.

5.       Dir ist offenbar die erste und wichtigste Erkenntnis von Linken jeglicher Couleur nicht mehr geläufig: Die Barrikade verläuft nicht zwischen unterschiedlichen Armen, sondern zwischen kapitallosen Menschen und Kapitaleignern. Wir stehen mit allen Armen unterschiedlicher Lebenslagen zusammen und wollen gemeinsam kämpfen. Da Du das offenbar nicht möchtest, fordern wir Dich auf künftig nicht mehr als Politiker der LINKEN das öffentliche Wort zu ergreifen.

Mit solidarischen Grüßen

Sprecherinnenkollektiv LISA NRW

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Grafikquellen   :

Oben       —       Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

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Unten    —           Lafontaine Fotomontage:

Die Fotomontage stammt aus der Projektwerkstatt


Virtuelle Projektwerkstatt von SeitenHieb Verlag steht unter einer Creative Commons

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2 Kommentare zu “Offener Brief von LISA”

  1. Dattergreis sagt:

    Kommentar von LISA trifft den Nagel auf den Kopf.

    Linke müsste O.L. auch rauswerfen!

    Oskar Lafontaine

    Labour-Party will Jeremy Corbyn rauswerfen
    Die traditionsreiche britische Partei wird von den Anhängern Tonys Blairs zerstört

    Die Labour-Party will Jeremy Corbyn rauswerfen, den Mann, der der Partei neues Leben eingehaucht und hervorragende Wahlergebnisse beschert hat (2017: 40,3 Prozent/12,8 Millionen Stimmen, und selbst mit seinem letzten, angeblich schlechten Wahlergebnis 2019 holte er noch rund 10,3 Millionen Stimmen und damit mehr als seine Vorgänger Ed Milliband 2015 (9,3 Millionen Stimmen), Gordon Brown 2010 (8,6 Millionen Stimmen und Tony Blair 2005 (9,5 Millionen Stimmen)). Der Grund: Er habe sich verharmlosend zu einer Antisemitismus-Untersuchung geäußert. Die Blairisten haben nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    Im Verein mit den Kräften in Wirtschaft, Politik, und Medien, die ein soziales Großbritannien, in dem die wachsende Ungleichheit wieder abgebaut werden soll und Steuergerechtigkeit herrscht, verhindern wollen, sind die Anhänger Blairs unter Führung von Corbyns Nachfolger als Parteichef, Keir Starmer, dabei, die traditionsreiche Labour-Party endgültig zu zerstören.

    Wenn schon Rauswurf wegen parteischädigenden Verhaltens, dann hätte als erster der Kriegsverbrecher Tony Blair rausgeworfen werden müssen, dem das Volk einst den „Ehrentitel“ Bushs Pudel verlieh.

    Der von Blair und Bush zu verantwortende Irakkrieg wurde, wie fast alle Rohstoffkriege, auf Grundlage einer Lüge – „der Irak hat Chemiewaffen“ – begonnen und führte zum Tod von vielen Menschen – Schätzungen gehen von 120.000 bis über 600.000 Opfern aus. Bush und Blair gehören längst vor den Internationalen Strafgerichtshof.

    Weil er die Politik von Margaret Thatcher fortsetzte, die zur Schwächung der Gewerkschaften und zum Abbau sozialer Leistungen geführt hatte, sagte die „Eiserne Lady“ triumphierend: „Unser größter Erfolg war Tony Blair.“ Würde sie noch leben, dann wäre ihre Freude heute noch größer. Sie hat nicht nur einen willfährigen neoliberalen Nachfolger gefunden, sondern über ihn die britische Labour Party so verändert, dass sich eine der traditionsreichsten Arbeiterparteien Europas selbst zerstört.
    #labour #corbyn #jeremycorbyn #forthefews #blair #thatcher #sozialegerechtigkeit #oskar #lafontaine #oskarlafontaine

  2. Bremer der Zweite sagt:

    Zu 1. „Dattergreis“
    „Labour-Party will Jeremy Corbyn rauswerfen
    Die traditionsreiche britische Partei wird von den Anhängern Tonys Blairs zerstört.“

    Eine verdienstvolle Darstellung der Leistungen von Jeremy Corbyn und der Rückbesinnung auf die Kriegsverbrechen der NATO-Mitglieder USA und Großbritanien.

    In Deutschland wird es keinen Corbyn geben. Erst wenn die „Sozial-Demokratische-Partei Deutschlands“
    auf dem Stand der italienischen bzw. französischen „Sozialdemokratie“ angekommen ist, besteht die Möglichkeit / Chance ein soziale Gerechtigkeit in Schland aufzubauen.

    DIE LINKE in Deutschland wird im Sog der GRÜNEN und der SPD zerbröseln.
    Eine Funktionärs-Partei – vorwiegend zum Abgreifen von aus Steuergeldern – zwecks Finanzierung von Spitzen-Gehältern, die die Empfänger größtenteils nie am Arbeitsmarkt gezahlt bekämen, braucht kein Mensch.

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