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Obergrenze für Flüchtlinge

Erstellt von Redaktion am Freitag 6. Juli 2018

Doch, wir können alle aufnehmen!

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Von Fabian Goldmann

Fabian Goldmann über intellektuelle und moralische Belastungsgrenzen von SPD-Politikern und die migrationsfeindliche Phrase »Wir können nicht alle aufnehmen«

Immer wenn der Strom nicht aus der Steckdose kommt, in Nahost ein Flächenbrand droht und wir die Sorgen der Bürger ernst nehmen müssen, stirbt irgendwo auf der Welt eine Aussage mit Substanz. Es gehört zur rhetorischen Grundausbildung eines jeden Politikers, auch den abgedroschensten Gemeinplatz mit einer Überzeugung vortragen zu können, als hätte er gerade Relativitäts- und Quantentheorie vereint oder stünde mit »Liberté, Égalité, Fraternité«-Wahlflyer am Fuß der brennenden Bastille.

Auch SPD-Chefin Andrea Nahles beherrscht diese Kunst. »Wir können nicht alle bei uns aufnehmen«, hat sie den Redakteuren der »Passauer Neuen Presse« ins Diktiergerät gesprochen und damit die beispiellose Erfolgsgeschichte dieser migrationsfeindlichen Stanze fortgeschrieben. Mutmaßlich erstmals in lallender Form auf einem bierseligen Kameradschaftsabend ausgesprochen, gilt die Feststellung, dass wir nicht alle, halb Afrika oder die ganze Welt aufnehmen können, heute als unverzichtbar in der Floskelsammlung eines jeden Politikers, der in Migrationsfragen realpolitischen Sachverstand beweisen will: von Wolfgang Schäuble bis Joachim Gauck, von Horst Seehofer bis Martin Schulz, von Udo Voigt bis Boris Palmer.

»Na, aber stimmt doch«, schlagen manche Fäuste jetzt auf den Stammtisch. Richtig. Zumindest, wenn man sich völlig blöd stellt. So wie es dem Windkraftgegner nicht um eine Fehleranalyse der Elektroinstallation geht, steckt auch hinter Nahles Aussage mehr. Oder besser: weniger. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wollen diese »alle« gar nicht zu uns. Von den 67 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, kamen im vergangenen Jahr 186 644 nach Deutschland. Rechnet man noch die 1,17 Millionen Geflüchteten aus den beiden Vorjahren hinzu, kommt man immer noch nicht auf »die ganze Welt«, sondern auf rund zwei Prozent der weltweiten Flüchtlingsbevölkerung.

Selbst wenn man sich am Höchstwert der in Umlauf befindlichen unseriösen Schätzungen als Grundlage orientiert und weiterhin annimmt, dass das Mittelmeer mitsamt aller Frontex-Schiffe morgen verdunstet, sind wir noch weit von »alle« entfernt: Von 6,6 Millionen Menschen, die nach Europa flüchten wollen, berichtete die »Bild« vor rund einem Jahr in Berufung auf ominöse »Sicherheitskreise«. Gekommen sind sie nicht. Und selbst wenn sie es täten, ein Blick auf die Leistung wahrer Willkommensweltmeister wie Uganda und anderer Entwicklungsländer zeigt: Natürlich könnten wir sie aufnehmen, wenn wir wollten.

Quelle    :      ND         >>>>>          weiterlesen

Grafikquelle   :     Eine typische „Schengen-Grenze“ (hier bei Kufstein zwischen Deutschland und Österreich). Keinerlei Grenzkontrollposten, lediglich das übliche EU-Schild.

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