Nukleare Aufrüstung 2019
Erstellt von Redaktion am Freitag 2. August 2019
Ärger schaffen mit neuen Waffen
Ais Genf von Andreas Zumach
Die USA und Russland haben den INF-Abrüstungsvertrag begraben und bauen neue Atomraketen. Für den Weltfrieden bedeutet das nichts Gutes.
Um Mitternacht in der Nacht auf Samstag läuft das wichtigste nukleare Abrüstungsabkommen aus der Zeit des Kalten Krieges endgültig aus – der 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossene INF-Vertrag zum vollständigen Verbot landgestützter, mit Atomsprengköpfen ausrüstbarer Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern (Intermediate Nuclear Forces – INF). Nach der Kündigung des Vertrages am 1. Februar 2019 durch die Trump-Regierung in Washington und am Folgetag durch die Putin-Regierung in Moskau droht nun ein atomarer Rüstungswettlauf.
Die USA rechtfertigen die Kündigung mit angeblichen Vertragsverletzungen Russlands. Moskau habe eine neue, landgestützte Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von 2.600 Kilometern entwickelt. Umgekehrt bezeichnet Russland die in Rumänien und Polen stationierten Raketenabwehrsysteme der USA als Vertragsverstoß, da diese Systeme geeignet seien, auch Marschflugkörper abzufeuern. Die gegenseitigen Vorwürfe wurden bis zuletzt weder eindeutig belegt noch widerlegt.
Der nun drohende Raketenwettlauf in Europa könnte noch weit gefährlicher werden als der in den 1970er und 1980er Jahren. Besondere Sorge erweckte damals die neue Pershing-2-Rakete der USA, offiziell präsentiert als Reaktion auf die Aufstellung der auf Westeuropa zielenden sowjetischen SS-20-Raketen. Die Pershing-2 hätte acht Minuten nach Abschuss von ihren drei Stationierungsorten in Baden-Württemberg Ziele bei Moskau erreichen und zerstören können.
Mit einer ausreichenden Zahl davon hätten die USA einen Enthauptungsschlag gegen sowjetische Raketenstellungen führen können. Entsprechende Befürchtungen wurden bestärkt durch Strategiekonzepte aus der damaligen US-Administration, die einen solcher Enthauptungsschlag und das Szenario eines auf Europa begrenzten Atomkrieges befürworteten.
Damals demonstrierten in der größten Friedensbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Menschen in Europa und auch in den USA gegen „Geist, Logik und Politik der atomaren Aufrüstung und Abschreckung“ und blockierten die Stationierungsorte für Atomraketen. Diese Friedensbewegung trug wesentlich zur Vereinbarung des INF-Vertrages im Dezember 1987 bei. In Umsetzung dieses Abkommens verschrotteten Washington und Moskau ihr gesamtes, fast ausschließlich auf dem eurasischen Kontinent stationiertes Arsenal von insgesamt rund 2.700 Atomwaffen dieser Kategorie.
Nato-Staaten unterstützen die Aufrüstungspläne
Die Waffensysteme, die heute in den USA und Russland in der Pipeline sind, lassen die Pershing-2 und die SS-20 alt aussehen. Der US-Kongress bewilligte der Trump-Administration bereits für das Haushaltsjahr 2018 eine erste Tranche von 500 Millionen Dollar zur Entwicklung einer neuen landgestützten Mittelstreckenrakete, die die technologischen Fähigkeiten der Pershing-2 deutlich übertreffen soll – auch hinsichtlich der Möglichkeit, nicht nur feste, sondern auch bewegliche Ziele zu treffen. Denselben „Fortschritt“ bringen auch die bereits in der Produktion befindlichen Nachfolgemodelle für die atomaren Fallbomben vom Typ B61-12, die die USA ab 2020 auf ihren Militärbasen im deutschen Büchel in der Eifel, sowie in den Niederlanden und Belgien stationieren wollen.
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Das Ende des INF-Vertrages
Europa ist am Zug
Kommentar von Andreas Zumach
Die USA wollen sich aus internationalen Verpflichtungen befreien. Um einen Rüstungswettlauf zu verhindern, muss die EU eingreifen.
Für das Ende des INF-Abkommens sind nur vordergründig die Vertragsverletzungen verantwortlich, die sich die USA und Russland gegenseitig vorwerfen. Vorwürfe, die nie eindeutig belegt oder widerlegt wurden. Auch nicht von den USA gegenüber ihren Nato-Verbündeten.
Verantwortlich ist zum einen das erklärte Bestreben der Hardliner und Amerika-first-Propagandisten in Washington, die Weltmacht USA aus den Fesseln internationaler Verträge zu befreien, die sie als „Einschränkung der nationalen Souveränität und Handlungsfreiheit“ ihres Landes denunzieren.
Dieses Bestreben könnte in den nächsten Jahren zur Zerstörung noch weiterer Rüstungskontrollverträge führen. Der zweite Faktor ist der gemeinsame Wunsch in Washington und Moskau, Staaten, die seit Abschluss des INF-Vertrages 1987 in den Besitz von Mittelstreckenraketen gelangt sind, in ein Abkommen zum Verbot dieser Waffensysteme einzubinden. Wobei die Trump-Administration selektiv nur die drei „Schurkenstaaten“ Iran, Nordkorea und China im Auge hat, die Regierung Putin hingegen auch Israel, Indien, Pakistan und Südkorea.
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Grafikquellen :
Oben — President Reagan and General Secretary Gorbachev signing the INF Treaty in the East Room of the White House.…
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Unten — Soviet inspectors and their American escorts stand among several dismantled Pershing II missiles as they view the destruction of other missile components. The missiles are being destroyed in accordance with the Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty.…