Nord Stream-2-Kompromiss
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 22. Juli 2021
Gerhard Schröders Lebenswerk vollendet
Eine politische Rarität: Einheitliches Grinsen angesagt !
Von Malte Kreutzfeldt
Pipelinestreit scheint gelöst. Laut Medienberichten gibt US-Präsident Joe Biden den Widerstand gegen Nord Stream 2 auf. Die Ukraine soll finanzielle Unterstützung bekommen.
Nach jahrelangem Streit steht einer Fertigstellung der umstrittenen Erdgaspipeline Nord Stream 2 offenbar nichts mehr im Weg. Die Pipeline führt durch die Ostsee von Russland nach Deutschland, ihr Bau wurde von der US-Regierung missbilligt, sie drohte allen daran beteiligten Unternehmen mit Sanktionen. Nachdem es im Mai eine vorübergehende Aussetzung gab, wollen die USA die Sanktionsdrohungen nun komplett zurücknehmen. Das berichten unter anderem die US-Agentur Bloomberg und das Wall Street Journal unter Berufung auf Quellen in Berlin und Washington.
Die Regierungen der Bundesrepublik und der USA hätten sich auf ein Abkommen verständigt, das die Fertigstellung der Pipeline ermöglichen soll, heißt es in den Berichten. So soll als Bedingung ein Fonds in Höhe von 1 Milliarde Dollar aufgelegt werden, mit dem die Energiesicherheit der Ukraine verbessert werden soll, unter anderem durch den Ausbau erneuerbarer Energien. Deutschland soll dafür laut Bloomberg zunächst einen Betrag von 175 Millionen Dollar zur Verfügung stellen. Zudem soll die Bundesregierung zugesagt haben, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, falls Moskau Druck auf die Ukraine ausübe oder den Gastransit durch das Land einstelle.
Diese beiden Maßnahmen sollen die Sorge mildern, dass Nord Stream 2 die geostrategische Position der Ukraine entscheidend schwächen könnte. Denn bisher verläuft dort ein großer Teil des Exports russischen Erdgases nach Westeuropa. Der Ukraine bietet das sowohl Einnahmen als auch eine gewisse Sicherheit. Deutschland hatte vorher schon erklärt, darauf zu bestehen, dass weiterhin Gas durch die Ukraine transportiert werde. Allerdings gibt es dafür nach Fertigstellung von Nord Stream 2 technisch keine Notwendigkeit mehr, sodass Russland entsprechende Zusagen nicht einzuhalten bräuchte. Osteuropäische Länder wie Polen und das Baltikum hatten deshalb vehement gegen die Pipeline protestiert.
Um die Interessen dieser Länder zu schützen und die stärkere Abhängigkeit Europas von russischem Gas zu verhindern – wohl auch, um mehr eigenes Flüssiggas nach Europa verkaufen zu können – hatten die USA unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump scharfe Sanktionen gegen alle Firmen angekündigt, die sich an Bau und Betrieb von Nord Stream 2 beteiligen. Das Schweizer Unternehmen Allseas hatte seine Spezialschiffe daraufhin im Dezember 2019 abgezogen, was die Arbeiten an der weitgehend fertiggestellten Pipeline stark verzögert hat.
Ein Besuch von Merkel hat’s gerichtet
Der amtierende US-Präsident Joe Biden lehnt Nord Stream 2 ebenso wie viele Demokraten im Kongress ab. Er hatte die Sanktionen aber von Mai bis August ausgesetzt, um beiden Seiten Zeit für Verhandlungen einzuräumen. Noch beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington in der vergangenen Woche hatten beide Seiten ihre unterschiedlichen Auffassungen in Sachen Nord Stream 2 deutlich gemacht. Nun hat Biden offenbar entschieden, dass der politische Schaden durch die extraterritorialen Sanktionen größer wäre als das geopolitische Risiko, das von der Fertigstellung der Pipeline ausgeht.
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Kompromiss zu Nord Stream 2
Die Ukraine guckt in die Röhre
Ganz egal wovon das Gas kommt – wir waren immer Weltmeister
Kommentar von Bernhard Clasen
Realpolitisch verhindert der Deal um die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 größeren Schaden. Doch Kiew könnte am Ende mit leeren Händen dastehen.
US-Präsident Joe Biden und Kanzlerin Angela Merkel scheinen sich geeinigt zu haben. Deutschland und Russland können die Pipeline Nord Stream 2 weiterbauen. Russland muss mit Sanktionen rechnen, wenn es die Pipeline als politischen Druck einsetzt. Und die Ukraine erhält jede Menge Versprechungen: Investitionen in alternative Energie und eine Bestandsgarantie für die existierende Pipeline. Berlin will außerdem dafür sorgen, dass der Transitvertrag mit der Ukraine über 2024 hinaus noch weitere zehn Jahre gilt.
Und? Während Deutschland mit Fluten kämpft, in Karelien und Jakutien die Wälder brennen, scheint es für die Politik nichts Wichtigeres zu geben, als das Großprojekt eines fossilen Energieträgers einzustilen. Das ist bedauerlich.
Realpolitisch indes scheint dieser Kompromiss ein Fortschritt zu sein. Es ist im letzten Augenblick doch noch gelungen, eine Einigung zwischen Russland, Deutschland, der Ukraine und den USA in einem unüberbrückbar scheinenden Konflikt zu finden. Niemand wurde ausgegrenzt. Das ist wichtig. Der Westen kann mit Russland weiter zusammenarbeiten, um gemeinsame Probleme wie die Destabilisierung Zentralasiens durch die Taliban zu besprechen.
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Grafikquellen :
Oben — Церемония открытия газопровода «Северный поток».