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Nicht wild, aber wichtig

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 23. Oktober 2014

Nicht wild, aber wichtig

von Stefan Reinecke

THÜRINGEN Die Entscheidung der SPD in Erfurt ist, 25 Jahre nach dem Mauerfall, der Beginn des Endes der Selbstfesselung der politischen Linken

Sollte Bodo Ramelow wirklich Ministerpräsident in Thüringen werden, bieten sich zwei Deutungen an – eine kleine, detaillierte und eine großformatige.

 Die kleinteilige geht so: Faktisch sind die Unterschiede zwischen CDU, SPD und Linkspartei in Thüringen denkbar gering geworden. Ob bei der Energiewende oder dem Kampf gegen Nazis, in der Schulpolitik oder bei den Finanzen – fundamentale Differenzen sind nicht erkennbar. Die CDU ist unter Christine Lieberknecht liberaler, offener, auch wirrer geworden und jedenfalls nicht mehr der autokratische Verein, der sie unter Bernhard Vogel und Dieter Althaus war.

 Sensation: SPD lernt dazu

Auf der anderen Seite ist die Linkspartei bis in ihre Mikrofasern hinein sozialdemokratisch eingefärbt. Hinzu kommt die Schuldenbremse, die die Spielräume für ganz Neues in der Landespolitik ohnehin radikal einschränkt. Aber nicht die Schuldenbremse hat Ramelow und die Linkspartei zu Realos geformt. Es war nicht äußerer Zwang, sondern innere Überzeugung.

Rot-Rot-Grün wird also kein wildes Experiment. Ramelow ist kein verkleideter Sozialromantiker, sondern ein pragmatischer Profi, für den nicht das Grundsatzprogramm der Linkspartei zählt, sondern die Prinzipien von Good Governance. Gewiss werden nun schreckliche Prophezeiungen ausgestoßen und der Marsch der Linkspartei an die Macht in dunklen Farben gemalt. Hat sich Wolf Biermann eigentlich schon zu Wort gemeldet?

Doch schon ein paar Wochen nach der Wahl von Ramelow zum Ministerpräsidenten werden auch die Aufgeregten merken, dass die Busse in Erfurt noch immer fahren. Und in Berlin wird das Interesse für Thüringen wieder auf den Stand vor den Wahlen sinken: also auf Null.

Die zweite Deutung geht so: Rot-Rot-Grün, bisher in Hessen und im Saarland stets tragisch gescheitert, kann eine Tiefenwirkung entfalten, die die bundesrepublikanische Koalitionsdramaturgie verändern wird. Denn die SPD hat in Erfurt eine historische Entscheidung getroffen. Sie gibt die törichte Doktrin auf, stets die führende linke Volkspartei zu sein.

Damit öffnet sie endlich die Tür für ein langfristiges Mitte-links-Bündnis und befreit sich von dem Zwang zur Großen Koalition. Die Entscheidung der SPD in Erfurt ist, 25 Jahre nach dem Mauerfall, somit der Sieg der Gegenwart über die lähmende Geschichte, der Beginn des Endes der Selbstfesselung der politischen Linken in Deutschland.

Falls Rot-Rot-Grün in Erfurt sogar mit nur einer Stimme Mehrheit stabil regieren kann, wird dies viele der noch immer tiefsitzenden Vorurteile gegenüber der Linkspartei zerstören. Damit öffnen sich automatisch neue Spielräume, die jetzt noch verbarrikadiert scheinen.

In der Ära des Postpolitischen

Was stimmt nun: Der nüchterne Blick aus der Provinz oder der hoffnungsschwangere aus Berlin? Wahrscheinlich der erstgenannte Blick. Wir leben in einer Ära des Postpolitischen, in dem das Meiste pragmatisch heruntergedimmt ist. Wer sich kurz vor Augen führt, was die Linkspartei in Berlin und Brandenburg in rot-roten Koalitionen bewirkt hat, weiß, wie begrenzt die bundespolitische Strahlkraft solcher Regierungsbeteiligungen ist.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle: Wikipedia – Logos in the public domain.

Ein Kommentar zu “Nicht wild, aber wichtig”

  1. Schichtwechsler sagt:

    Die LINKE hofft auf Ramelow

    Gregor Gysi: Wahl zum Ministerpräsidenten wäre »ein Akt der Normalisierung«

    Die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN trafen sich am Donnerstag und Freitag in Berlin. Dabei ging es natürlich auch um die mögliche Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten Thüringens.

    Mit dem Spaltpiilz aus dem Saarland?

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