Migration soll allen nützen
Erstellt von Redaktion am Dienstag 10. Juli 2018
Einwanderungsland Deutschland
Von Yasar Aydin
Zuwanderung ist nur dann gerecht, wenn wir nicht nur Fachkräfte aus armen Ländern abziehen. Auch gering qualifizierte Menschen brauchen Chancen.
Wie könnte eine angemessene und gerechte Zuwanderungspolitik aussehen? Das ist die Frage, die vom Asylstreit überschattet wird, obwohl die Zukunftsfähigkeit unseres Gesellschaftsmodells von ihr abhängt. Zunächst einmal: Was berechtigt Regierungen des globalen Nordens zur politischen Steuerung der Zuwanderung, während sie gleichzeitig eine liberale Weltwirtschaftsordnung vertreten, in der Güter und Kapital sich weitgehend frei bewegen? Wäre ein Recht auf Niederlassung nicht eine konsequente Folge des Rechts auf Freizügigkeit? Befürworter einer solchen „Politik der offenen Tür“ und des „Rechts auf Zuwanderung“ stützen sich auf umstrittene Annahmen.
Eine auf klassische Migrationstheorien zurückgehende Erklärung lautet, dass wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Regionen und Staaten die Hauptursache der freiwilligen Migration ist. Dass Menschen aus Regionen mit niedrigen Löhnen in solche mit höheren Löhnen wandern, ist richtig. Die Annahme jedoch, mit Angleichung des Entwicklungsniveaus verlangsame sich die Abwanderung, hat sich als Mythos erwiesen. Das Gegenteil ist der Fall: Wohlstandseffekte für die Ausgangsregion bleiben im besten Fall bescheiden oder die Wirtschaftsentwicklung – wenn übermäßig viele Fachkräfte abwandern – wird sogar beeinträchtigt. So schafft man neue Anreize zur Abwanderung.
Auf eine Migrationspolitik und Kontrolle der Zuwanderung lässt sich auch deswegen nicht verzichten, weil Migrationsbewegungen sich beschleunigen, wenn man nichts tut. Die historische Migrationsforschung lehrt uns, dass neben dem Wohlstandsgefälle und der Lohndisparität auch andere Wanderungsdynamiken existieren. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Diaspora-Effekt, auf die der britische Migrationsforscher Paul Collier hinweist: Durch die Zuwanderung in eine demokratisch verfasste Gesellschaft entsteht eine Diaspora mit Migrantenorganisationen, die weitere Zuwanderung beschleunigt. Wodurch sich die Diaspora wiederum stabilisiert und vergrößert.
Es braucht ein Einwanderungsgesetz, das sich an einem pragmatischen Humanismus orientiert, der die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt. Ein Zuwanderungsgesetz, das allein auf die Rekrutierung von Fachpersonal bedacht ist, würde in den Ländern mit einer starken Diaspora in Deutschland einen Exodus auslösen. Die Folge wäre, dass die Wirtschaft in den betroffenen Ländern stagnieren könnte – zum Nachteil der Menschen dort. Auch gilt es zu vermeiden, dass die Diasporagemeinschaft exzessiv wächst: Dies würde die Eingliederung ihrer Mitglieder in die Mehrheitsgesellschaft, den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem verlangsamen. Zu berücksichtigen sind auch die Interessen der Einheimischen im Aufnahmeland. Unternehmen wünschen sich meist eine möglichst große Anzahl von Arbeitskräften, die nicht durch staatliche Grenzen oder Regulierungen eingeschränkt sind. Denn so haben sie nicht nur eine breite Auswahl bei der Besetzung der offenen Stellen, sondern sichern sich eine stärkere Verhandlungsmacht gegenüber den Angestellten und Arbeitnehmern.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Oben — 1944: In langen Trecks fahren Pferdefuhrwerke der sogenannten Schwarzmeerdeutschen in Richtung Deutschland.
Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-W0402-500 / Dissmann / CC-BY-SA 3.0
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Unten — Drehscheibe Köln/Bonn Airport – Ankunft von Flüchtlingen von der deutsch/österreichischen Grenze mit einem Sonderzug der Deutschen Bahn im Bahnhof des Kölner-Bonn-Flughafen. Auf einer Freifläche oberhalb des Bahnhofs sind Versorgungszelte für die Flüchtlinge aufgebaut, in denen sie etwas essen können, mit Kleidung versorgt werden, ihre Handys aufladen können und bei Bedarf ärztlich versorgt werden. Nach ca. 2 Stunden Aufenthalt werden sie mit Bussen zu den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW weitergefahren.