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Memoiren eines Unvernünftigen

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 11. März 2015

Autobiografie von Gérard Depardieu

AUS PARIS RUDOLF BALMER

VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG Gérard Depardieu verteidigt in seiner Autobiografie, was man von ihm kennt: Alkoholexzesse, Steuerflucht und die Freundschaft mit Diktatoren. Von Schuld will er nichts wissen. „Da scheiß ich drauf, seit Langem!“, schreibt er

 „Es hat sich so ergeben“, lautet ein wenig lakonisch oder gar fatalistisch der Titel von Gérard Depardieus Autobiografie, die jetzt auch auf Deutsch erschienen ist. Die französische Originalfassung hatte es im letzten Herbst ein wenig schwer auf dem Büchermarkt. Der war in Sachen intime Vertraulichkeiten und Skandale ganz von Valérie Trierweilers Revanche gegen ihren Expartner Präsident Hollande dominiert. Statt einer Rezension publizierten viele Medien damals nur Depardieus Enthüllung, dass er schon mit zehn Jahren als Strichjunge Geld machte und als Helfer eines Leichenfledderers auf die schiefe Bahn geriet. Selbst das hat in Frankreich kaum schockiert, denn von Depardieu war man schon so manches gewohnt. Seine polternden Provokationen, seine Exzesse mit Alkohol, sein Steuerexil, seine Freundschaft mit Diktatoren.

Beim Lesen der kurzen Kapitel mit Anekdoten aus dem Privatleben des französischen Filmschauspielers stellt man sich lebhaft vor, wie die beiden Verfasser bei ein paar Gläsern Wein zusammen die Erinnerungen des Obelix-Darstellers auffrischen. „Sag mal Gérard, wie war das bei deiner Großmutter, die damals Toilettendame im Flughafen Orly war?“ So oder ähnlich hat ihn wohl der Koautor, der bekannte Ghostwriter Lionel Duroy, ausgefragt. Und Depardieu erzählte dann, wie er dort als Knirps mit Sehnsucht die Flugzeuge zu exotisch fernen Zielen starten sah und selber von einem Flug nach Rio träumte.

 Schwierige Kindheit

Depardieu widmet seiner schwierigen Kindheit viel Platz und Bedeutung. Vom Kino dagegen ist fast nur am Rande die Rede. Er spricht viel von seinem Vater „Dédé“, den er bewundert, obwohl er säuft und für den rebellierenden Sohn „unerträglich“ wird, und von seiner von ihm trotz allem geliebten Mutter „Lilette“, von ihren zahlreichen Schwangerschaften, danach von seiner eher kurzen Schulzeit, vor allem von einer Kindheit und Jugend auf der Gasse in der mittelfranzösischen Stadt Châteauroux in der Provinz Berry, die ihm nachträglich ein wenig wie „Kasachstan“ vorkommt.

Schnell begreift der Leser, dass die Publikation dieser Memoiren für ihn eine Art der Vergangenheitsbewältigung im psychoanalytischen Sinn war. So manches musste mal ausgesprochen und gesagt sein. Depardieu fängt damit in der Zeit vor seiner Geburt an. Seine Mutter habe ihn ja nicht nur nicht gewollt, sondern alles getan, mit Stricknadeln, Kirschstielen und anderem „Zeug“, um den Fötus abzutreiben. Ein paar Jahre später soll er als Bub zu Hause selber als Helfer der Hebamme bei zwei Geburten dabei gewesen sein.

Aus diesen dramatischen Anfängen leitet er seinen unbändigen (Über)lebenswillen ab – und wahrscheinlich auch sein uneingeschränktes Recht zu genießen. Heute aber fühlt er sich selber unwohl in seinem aus den Fugen geratenen Körper, der ihm mit all seinen Geräuschen Angst macht. „Mein Herz, das klopft, meine Gedärme, die knurren, meine Gelenke, die knacken … Das wird geradezu eine Phobie. Wenn ich allein im Hotel bin, muss ich trinken, um das nicht zu hören und nicht verrückt zu werden. Ich kann nicht mehr einschlafen, ohne stockbesoffen zu sein.“

In einem Interview gestand er kürzlich, dass es oft 14 Flaschen sind, außer Wein auch Pastis und Wodka. Irgendwo spielt da auch die Reue eines Vaters mit. Sein Sohn Guillaume hatte sich stets von ihm unverstanden und vernachlässigt gefühlt und war als Jugendlicher heroinsüchtig geworden.

Kein Schuldbewusstsein

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Fotoquelle: Wikipedia – Namensnennung: Kremlin.ru

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