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Erstellt von Redaktion am Mittwoch 8. April 2020

Europas geschlossene Grenzen

Maschendrahtzaun - PhotoAtrt - Sascha Grosser.jpg

Hier wird wieder Deutsch gesprochen und zurück geschossen.

Von Martin Unfried

Die rein nationale Ausrichtung der Gesundheitssysteme ist das Problem: die grenzüberschreitende Krise legt die Defizite der Zusammenarbeit bloß.

Vor einer Woche war ich in Maastricht an der belgischen Grenze, die nicht mehr als einen Kilometer hinter meinem Haus liegt. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen: Die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden ist geschlossen. Ohne einen triftigen Grund kommt niemand durch, was ein einzigartiges Ereignis in der jüngsten Geschichte ist. Eigentlich vergleichbar mit dem Fall der Mauer vor dreißig Jahren. Nur dieses mal anders herum. Dabei waren diese Grenzschließungen nicht unvermeidlich.

Sie sind eine Folge der fehlenden Koordinierung der nationalen Maßnahmen innerhalb der Europäischen Union. Und auch der komplett nationalen Ausrichtung der Gesundheitssysteme in Europa. Natürlich hat die belgische Regierung argumentiert, dass die Schließung der Grenze zu den Niederlanden und zu Deutschland eine notwendige Maßnahme zum Schutz der Gesundheit der eigenen Bevölkerung sei. Sie würde dazu beitragen, die Infektionsraten niedrig zu halten.

Die nationale Grenze? Mit dem heutigen Wissen hätten wir schon viel früher verhindern sollen, dass Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt in die EU einreisten. Oder die einzelnen Hotspots in der Europäischen Union hätten schneller geschlossen werden müssen, wie es in Norditalien viel zu spät versucht wurde. Aber diese Hotspots hatten sehr wenig mit nationalen Grenzen zu tun.

Der Hotspot im deutschen Kreis Heinsberg hatte zwar Folgen für das benachbarte niederländische Sittard auf der anderen Seite der Grenze, aber noch viel mehr für Aachen und das übrige Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Grenzen schließen als Ausdruck nationaler Ohnmacht

Die Kontrolle von geografischen Hotspots ist natürlich eine viel logischere Maßnahme, als regionale oder nationale Grenzen abzuriegeln. Deshalb ist die Grenzschließung zwischen den Niederlanden und Belgien nicht weniger merkwürdig als zwischen zwei Bundesländern (auch Mecklenburg-Vorpommern hat alle Einreisen ohne triftigen Grund verboten). Dies ist eher ein Ausdruck von Ohnmacht, weil die eigentliche Koordinierung von Maßnahmen fehlt.

Als die Geschäfte nämlich in Belgien bereits geschlossen hatten, waren sie in den Niederlanden noch offen. So kamen die Belgier in Scharen nach Maastricht, um einzukaufen. Und als in Belgien bereits viel strengere Maßnahmen in Kraft waren, haben die niederländischen Tagestouristen offenbar so getan, als würde sie das nicht betreffen.

War das vorhersehbar? Ja, das war es. Für viele Menschen ist die grenzenlose Euregio, die län­der­über­greifende europäische Region, heute Teil ihres normalen Alltags. Wenn drastische einseitige Maßnahmen so schnell ergriffen werden, dass die Informationen die Menschen kaum noch erreichen, führt dies zu Problemen.

File:Grenzübergang Elten Niederlande.JPG

Das waren Zeiten – wie viele von diesen selbstsüchtigen Politikern müssen wohl in das Gras vor den Zäunen beißen, bevor diese von den Bürgern gestürmt werden ?

Dabei zeigt das Beispiel Österreichs recht deutlich, wie begrenzt die positiven Effekte der Schließung einer nationalen Grenze sind. Dort hatte die Regierung schon früh die Grenze zu Italien geschlossen, auch zu Südtirol (ebenfalls Teil einer lebendigen Euregio). In den beiden Skigebieten im österreichischen Tirol wurden die Lifte jedoch viel zu spät geschlossen.

So war es bekanntlich möglich, von den alpinen Skigebieten in das übrige Österreich oder nach Süddeutschland zu reisen und den Virus mitzunehmen. Ministerpräsident Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen ist einer der wenigen, die bezweifeln, dass Grenzschließungen wirklich helfen. Er hat sich dafür eingesetzt, dass die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden offen bleibt, oder wenigsten nicht systematisch und flächendeckend kontrolliert wird.

Quelle       :       TAZ          >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben        —          Zaun, Maschendrahtzaun, Sicherheit, Abgrenzung, Grenze, Grenzzaun

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