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Marx & Manitou:

Erstellt von Redaktion am Sonntag 3. Januar 2021

Pocahontas, Geronimo und Sitting Bull

Sitting Bull, Dakota Sioux, from the American Indian Chiefs series (N36) for Allen & Ginter Cigarettes MET DP838934.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Hannes Sies

Ein markanter kultureller Unterschied von DDR und BRD waren die Western: Im Westfernsehen liefen oft Westernfilme alter (rassistischer) Schule aus den USA mit blutrünstigen Rothäuten, die von heldischen Cowboys niedergemacht wurden. In der DDR dagegen wehrte sich in Defa-Indianerfilmen der edle Wilde tapfer gegen brutal-imperialistische Europäer. Diese DDR-Tradition setzen aktuelle Graphic Novels aus dem Wick-Verlag fort.

Die Indianercomics ‚Mein Volk‘ und ‚Legacy‘ bringen Spannung, Abenteuer und Erotik zusammen mit der tragischen Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner. In naturalistischen Federzeichnungen erzählt der erste schmalere Band die Geschichte von Pocahontas ab der Landung von John Smith 1607 in der Chesapeake Bay. Die Gründung der Siedlung Jamestown, die Liebesbeziehung des Kolonialisten und der Indianerprinzessin werden teils realistisch, teils märchenhaft in Schwarzweißbilder gefasst. Kriegerischer geht es beim Kampf von Geronimo gegen die Mexikaner zu, wie auch bei General Custers Gefechten mit dem Sioux-Häuptling Sitting Bull. Zuletzt verlieren die Indianer und werden massakriert, auch aufgrund ihres Aberglaubens von magischen Tänzen für Unverwundbarkeit.

Der zweite Band ist umfangreicher und im Farbdruck gestaltet. Er nimmt die Geschichte von Sitting Bull auf, der als weiser Althäuptling in der Wildwest-Show eines geckenhaft eitlen Buffalo Bill auftaucht, um die Verbrechen der Weißen anzuklagen. Dabei wird die Geschichte der Meisterschützin Annie Oakly aufgenommen, die behauptete, dem berühmten Häuptling nicht nur begegnet, sondern sogar von ihm adoptiert worden zu sein. Eine weitere Story nimmt eine als „nicht verbürgt“ gekennzeichnete Pawnee-Legende auf, in der ein sprechendes Pferd einem jungen Außenseiter zur schönen Häuptlingstochter verhilft. Es überwiegen in allen Geschichten die moralischen Botschaften gegen die alte rassistische Western-Sicht. Historisch besonders interessant ist der Blick auf die Seminolen, die den Kolonialisten am erfolgreichsten Widerstand leisteten, hier der berühmte Häuptling Osceola, den 1973 Gojko Mitic für die DEFA spielte.

Seminolen im Hard Rock Café

Einige Seminolen leben heute in Florida als wohlhabende Natives-Nation, haben sie doch, so das Nachwort von ‚Legacy‘, 2006 für 965 Millionen Dollar die Restaurantkette ‚Hard Rock Café‘ erworben, mit deutschen Filialen in Hamburg, Berlin und München. Autor Ersel ist Erwin Sels, Sohn des belgischen Comiczeichners Frank Sels, Schöpfer der legendären „Silberpfeil“-Comicserie, da macht es Sinn, einen Band „Legacy“, Erbe, zu nennen. Das Wick-Verlagsprogramm kreist um die berühmte und umfangreiche Western-Serie ‚Silberpfeil‘, die ebenfalls eher an die DDR-Indianerfilme anknüpft. Die populäre Jugendbuch und Filmgeschichte der DDR ist geprägt von den Namen Liselotte Welskopf-Henrich und Gojko Mitic.

Ersel: „Mein Volk“, Wick Comic Verlag, Dörentrup 2019, Hardcover, 60 Seiten, s/w und farbig, 20,00 €

Ersel: „Legacy“, Wick Comic Verlag, Dörentrup 2020, Hardcover, 80 Seiten, farbig, limitiert auf 500 Expl., 35,00 €

Mit Marx und Manitou: Liselotte Welskopf-Henrich und Gojko Mitic

Anfang der 1960er Jahre, so Wikipedia, begann man in der DDR mit der Produktion der DEFA-Indianerfilme. Die Protagonisten waren meist Indianer, die gegen Kolonialismus und Imperialismus kämpfen. Die Geschichten spielen überwiegend auf dem später annektierten Gebiet der USA. Die Bezeichnung als Western war lange verpönt. Während die in der BRD produzierten Karl-May-Filme auf leichte Unterhaltung setzten, legte man beim DEFA-Indianerfilm Wert auf eine historisch genauere Umsetzung der Geschichten.

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Der serbische DDR-Filmstar Gojko Mitic, der auch in westdeutschen Karl-May-Filmen auftrat, spielte in fast allen DEFA-Indianerfilmen die Rolle des Indianerhäuptlings (Weitspähender Falke, Chingachgook, Osceola). Mitic entstammt einer Bauernfamilie, sein Vater Živojin nahm am Partisanenkampf gegen die Nazis teil. Ab 1961 trat Mitic als Stuntman in italienischen und britischen Filmen auf. Dann begann auch die DEFA in Jugoslawien zu drehen: 1966 spielte Mitic einen Lakota-Häuptling in Die Söhne der großen Bärin (einen Kino-Hit der DDR); 2019 erhielt er den DEFA-Preis für das filmkünstlerische Lebenswerk.

Liselotte Welskopf-Henrich: Die Söhne der Großen Bärin

Die Söhne der Großen Bärin (1951 Erster Preis für Jugendliteratur der DDR) ist eine Indianer-Roman-Hexalogie von Liselotte Welskopf-Henrich (1901-1979), die wissenschaftlich-historische Fakten zu phantasievollen Erzählungen über die Kultur der Indianer verarbeitet. Die marxistische Althistorikerin zeichnet die indianischen Hauptfiguren mit ihren biographischen Brüchen durchaus zwiespältig und schuf damit erfolgreiche Jugendliteratur der DDR. Ihren späteren Ehemann, das KPD-Mitglied Rudolf Welskopf, versteckte sie 1944 bis 1945 vor dem Zugriff der Nazis, half KZ-Häftlingen und wurde 1944 von der Gestapo verhört.

Ab 1952 lehrte und forschte sie an der Ostberliner Humboldt-Universität, zuletzt als Professorin für Alte Geschichte. 1964 wurde sie als erste Frau zum ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften gewählt, ihr althistorisches Hauptwerk Die Hellenische Polis erschien 1974 in vier Bänden. Von 1963 bis 1974 unternahm Welskopf-Henrich Reisen durch die USA und Kanada, um das Leben und die Traditionen der Dakota-Indianer zu erforschen. Für ihre Verdienste um ein menschliches Bild der nordamerikanischen Indianer wurde Welskopf-Henrich von ihnen mit dem Titel einer „Lakota-Tashina“ (Schutzdecke der Lakota) geehrt. Liselotte Welskopf-Henrich starb 1979 im Alter von 77 Jahren während eines Aufenthalts in Garmisch-Partenkirchen.

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