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RENTENANGST

Macht in der CSU

Erstellt von Redaktion am Dienstag 5. Dezember 2017

Vom Teilen und Herrschen

Von Timo Frasch , Eckart Lohse und Albert Schäffer , Berlin und München

Jahrelang hat der Zweikampf zwischen Seehofer und Söder die CSU geprägt. Nun soll jeder eines der beiden wichtigsten Ämter bekommen. Wird das funktionieren?

Das dramaturgische Talent der CSU ist immer noch ungebrochen. Stehend applaudierten die CSU-Landtagsabgeordneten am Montag zur frühen Stunde in ihrem Fraktionssaal Horst Seehofer, als dieser als Friedensfürst antrat, der sich mit dem Dauerrivalen Markus Söder ausgesöhnt hatte. Am Sonntag war in einem Gesprächsreigen in der CSU-Parteizentrale das Skript für den Schulterschluss der Fraktion mit Seehofer geschrieben worden: eine veritable Teilung der CSU in zwei Reichshälften, mit Seehofer als dem Parteivorsitzenden, der in Berlin der CSU Stimme und Einfluss geben soll, und Söder als dem bayerischen Ministerpräsidenten. Es war ein Skript, das schon lange in einer Schublade lag, die Seehofer aber partout nicht öffnen wollte. Im Frühjahr, nach der Bildung einer neuen Regierung in Berlin, soll die Rochade vollzogen werden: Wer König und wer Turm ist, wird sich zeigen.

Vor der Fraktionssitzung herrschte noch Wortkargheit. Seehofer und Söder waren sich in der Einsilbigkeit einig: „Ich sage gar nix“ (Seehofer) und „Warten wir es ab, spannender Tag, eins nach dem anderen“ (Söder). Die folgenden Geschehnisse hinter verschlossenen Türen fasste der Fraktionsvorsitzende Thomas Kreuzer dann in seiner unnachahmlichen Art so zusammen, als sei alles einem lange verabredeten Plan gefolgt. „Wie bereits seit Wochen angekündigt war“, sei nach den Sondierungsgesprächen in Berlin Zeit für eine „neue Aufstellung“ gewesen. Die Entscheidung sei „wie immer“ per Akklamation erfolgt, ließ Kreuzer wissen, als seien die quälenden Zänkereien in den eigenen Reihen nur ein schlechter Traum gewesen. Kreuzers Gabe, auch größere Havarien als planmäßig darzustellen, wird die CSU in den nächsten Monaten noch brauchen.

Söder hat schon den passenden Slogan parat

Alles war bei der CSU also im Lot, sprich im Plan, zumindest nach Kreuzers Darstellung des Verlaufs der Fraktionssitzung. Zunächst habe der Ministerpräsident bekanntgegeben, dass er „zirka im ersten Quartal 2018“ das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung stellen werde. „Zirka“, das ließ die Verschwörungsexperten in der CSU aufhorchen. Kreuzer korrigierte es eilends in „auf jeden Fall“, und zwar unabhängig davon, was in Berlin passieren werde. „Das steht also fest“, sprach Kreuzer sich und seiner Fraktion Mut zu, die in den vergangenen Wochen lernen musste, dass selbst der Begriff „Klarheit“ deutungsfähig ist, zumindest wenn Seehofer ihn gebraucht. Kreuzer wollte ganz sichergehen, dass er dieses Mal Seehofer richtig verstanden hat: Das nun gefundene Ergebnis spiegle die Stimmung in der Fraktion „hervorragend wider“.

Der fünfzig Jahre alte Söder hatte nach seiner einstimmigen Kür zum Spitzenkandidaten und Nachfolger in der Staatskanzlei sofort den passenden Slogan parat, wie es von einem gelernten Fernsehjournalisten erwartet werden durfte: „Mut und Demut“. Ämter seien nur geliehen, sagte er nach der Fraktionssitzung – und wartete dann mit einer anrührenden vorweihnachtlichen Erzählung auf: Anders als vielfach geschrieben werde, mache er Politik nicht aus karrieristischem Antrieb, sondern um den Bürgern „Ergebnisse zu präsentieren“. Er lobte die Entscheidung Seehofers, Parteichef bleiben zu wollen, als eine „richtige, gute und starke“. Die jüngsten Gespräche mit ihm seien „immer vertraulich, sehr, sehr gut“ gewesen. Den Sonntag bezeichnete Söder als einen „starken Tag des Vertrauens gegeneinander und miteinander“. Vertrauen gegeneinander – schöner hätte er die Stimmung in der Partei in den vergangenen Wochen nicht auf den Begriff bringen können.

Wollte Seehofer Söders Aufstieg verhindern?

Vor der Einigung zwischen Seehofer und Söder waren das Vertrauen gegeneinander jedenfalls groß gewesen. Wo immer sich mehr als zwei Parteigranden trafen, war sogleich von einem „Geheimtreffen“ die Rede; schon die Wahl des Vorder- oder Hintereingangs in der Staatskanzlei wurde als Richtungsentscheidung gedeutet. Die CSU wirkte wie ein Partei, in der keiner dem anderen über den Weg traute. Meldungen über angebliche Ambitionen wurden lanciert und wieder dementiert. Die Angst nahm von Tag zu Tag zu, dass es am Schluss nur noch Verlierer geben werde: Kaum einer werde unbeschädigt aus dem wilden Treiben hervorgehen, wurde geraunt.

Wenn es das Kalkül Seehofers gewesen sein sollte, genau diese explosive Stimmung zu erzeugen, um den Aufstieg seines Finanzministers Söder zu verhindern – eine Stimmung, in der alles möglich schien –, so zündete sie nicht. Im Gegenteil: Sein Taktieren, als er die Fraktion mit dem nicht eingehaltenen Versprechen düpierte, Klarheit über seine Absichten zu schaffen, stärkte Söder. Als kolportiert wurde, Joachim Herrmann, der Innenminister, werde in der Fraktion gegen Söder antreten, war es nicht mehr als das Abfeuern einer Notrakete. Es war ein kühner Gedanke, Herrmann, der gerade als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl ein schlechtes Ergebnis eingefahren hatte – es reichte nicht einmal für ein Mandat für ihn –, wieder bei der Landtagswahl ins Rennen zu schicken.

CSU-Fraktion einigt sich auf einen Kandidaten

Herrmann wollte am Montag in der Fraktion nicht den Zählkandidaten abgeben; die Kräfteverhältnisse unter den Abgeordneten waren eindeutig. Söder hatte in den vergangenen Jahren mit großer Beharrlichkeit Gefolgsleute für sich geworben; niemand konnte besser einem Abgeordneten das Gefühl vermitteln, es käme gerade auf ihn an, was aus der CSU und Bayern werde. Nicht immer hatte er damit Erfolg: Herrmann, wenn er angetreten wäre, hätte zumindest auf eine beachtliche Minderheit von Abgeordneten setzen können, denen Söder zu quecksilbrig ist. Die Fraktion, die sich gerne als „Herzkammer der Partei“ sieht, war am Montag aber diszipliniert genug, Söder als einzigem Kandidaten mit einem einstimmigen Ergebnis einen guten Start zu verschaffen.

In den vergangenen Jahren hatten sich bei CSU-Stammtischen viele Stunden mit Spekulationen bestreiten lassen, wie es kam, dass Seehofer einerseits aus seiner Abneigung gegen Söder keinen Hehl machte, er ihm andererseits aber zusätzliche Macht verschaffte, zuletzt durch die Ergänzung des Finanzressorts um ein Heimatministerium. Das Zerwürfnis reiche „tief ins Persönliche“, wurde gemunkelt, als habe Söder Seehofer einmal den Parkplatz weggeschnappt. Seehofer spiele eben gerne mit einem hohen Einsatz, lautete eine andere Lesart; er erhöhe Söder, dem er „charakterliche Schwächen“ und „Schmutzeleien“ vorwarf, damit dieser umso tiefer fallen werde. Doch die Kraft zum finalen Stoß brachte Seehofer nicht auf, schon gar nicht seit dem Debakel bei der Bundestagswahl. Söders Schmerzunempfindlichkeit zermürbte Seehofer.

Auf dem Parteitag wird es noch einmal spannend

Quelle     :    FAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :     Markus Söder mit Horst Seehofer (2015)

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