Linker Ministerrücktritt in Brandenburg
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 19. Dezember 2013
Offene Fragen nach dem Minister-Abgang
Luftbild vom Landtag Brandenburg in Potsdam / Author Wolfgang Pehelmann, Wiesbaden Germany
Es ging plötzlich alles sehr schnell schreibt die Märkische-Allgemeine nach den Rücktritt des Brandenburgischen Justizministers aus seinem Amt. Und dabei ist es nicht so wichtig inwieweit er selber in die Sache involviert ist, er trägt als Politiker die volle politische Verantwortung.
Dabei kommen die Vorwürfe nicht von ungefähr wenn festgestellt wird dass ein Minister eventuell in privater Verbindung mit zwei Schwerverbrecher steht, auch wenn diese früher einmal von ihm verteidigt wurden. Der Verdacht einer eventuellen Vorteilnahme reicht eindeutig aus und es ist das gute Recht der Opposition hier hier Klarstellungen zu fordern.
Die sogenannte Liebeszellen-Affäre um zwei Ex-Mandanten von Volkmar Schöneburg ist noch nicht ausgestanden: Auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Justizministers bleiben Fragen offen. Die CDU hält an einer Sondersitzung des Rechtsausschusses am Donnerstag fest.
Potsdam. Plötzlich geht alles ganz schnell. Am Freitagabend lässt ein Mitglied des Linken-Landesvorstands verlauten: „Morgen verlieren wir unseren Minister.“ Und so kommt es. Nach Krisensitzungen der Linken-Spitze und des rot-roten Koalitionsausschusses am Samstag tritt Volkmar Schöneburg (Linke) um 17 Uhr im Potsdamer Inselhotel vor die Presse. „Ich habe heute dem Ministerpräsidenten meinen Rücktritt erklärt“, sagt Brandenburgs Justizminister. Die Affäre um zwei Schwerverbrecher, die er einst als Anwalt vertreten hat, hat den profilierten Juristen sein Amt gekostet.
Am 26. November hatte die MAZ erstmals über den deutschlandweit einmaligen Fall berichtet: Die beiden Sexualstraftäter Detlef W. und René N., die 1999 eine 13-Jährige in Leipzig entführt und brutal vergewaltigt haben, teilten sich für mehr als zehn Jahre in der JVA Brandenburg/Havel eine Zelle. Am 30. November wurde N. in die Sicherungsverwahrung verlegt und damit von seinem Partner getrennt. Mit einem Hungerstreik haben beide dagegen opponiert– bis sich Schöneburg persönlich einschaltete.
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Offener Briefzur Krise des Landesverbands DIE LINKE Brandenburg
An den Landesvorstand DIE LINKE. Brandenburg
und die Linksfraktion im Landtag Brandenburg
Liebe Genossinnen und Genossen,
gestern wurde Klaus Wowereit, auf Vorschlag von Brandenburg, erneut zum Vorsitzendendes Aufsichtsrats des BER gewählt. Heute trat Volkmar Schöneburg zurück. Vor wenigen Tagen brüskiert Anita Tack öffentlich Ralf Christoffers.
All diese Ereignisse haben etwas gemeinsam: Sie erzeugen ein Bild einer tiefen Krise der Brandenburger LINKEN. Diese Bild wurde nicht durch Details erzeugt, auf welche hier auch gar nicht eingegangen werden soll, sondern durch die Tatsachen an sich.
Ich schreibe an euch heute meinen überhaupt erst zweiten offenen Brief, ausdrücklich ohne dass dies zur Gewohnheit ausarten soll, aufgrund eines Herzenswunsch: Ich möchte, dass wir gemeinsam durch diese Krise gehen. Nichts soll uns dabei mehr nutzen, als das offene Wort darüber, was war und was sein soll.
Die jetzige Krise ist nicht die Schuld unserer Parteiführung, sie hat ihre Wurzeln in einem viel tieferen und allgemeineren Miteinander. Dieses hat niemand erfunden in böser Absicht, es ist schlichtweg entstanden. Es sollte aber nicht daran hindern, es beim Namen zu nennen und zu überdenken. Eine von allen Seiten unter Druck gesetzte Führung kann und soll die jetzige Situation nicht alleine durchstehen. Wir brauchen jetzt den Dialog aller.
Der Eindruck, Politik sei die reine Auseinandersetzung um Inhalte, hat uns unlängst eingeholt. Eine Politik ohne gute Kommunikation kann nicht funktionieren. Gute Kommunikation heißt aber nicht, dass sie allein positiv ist – die konstruktive Kritik ist genauso elementar, wie die Fähigkeit, sich dieser anzunehmen. Es bringt wenig, sich auf Sachargumente zu besinnen, wenn die Art und Wiese längst darüber bestimmt hat, dass es nicht funktionieren kann.
Wenn Christian Görke klarmacht, dass man Wowereit nicht unterstützen will, wenn dieser nicht beim Nachtflug die Forderungen des Volksbegehrens aufnimmt, wie kann es dann sein, dass Dietmar Woidke „kein Problem“ in der Kandidatur Wowereits sieht? Wieso heißt es zunächst, der Minimalkompromiss sei, dass Brandenburg trotz Vorschlagsrecht Wowereit zumindest nicht vorschlagen werde, nur um ihn dann doch im Namen des Landes vorzuschlagen? Was ist mit der Enthaltungsklausel aus dem Koalitionsvertrag geschehen und was für einen Umgang erlaubt sich Woidke hier? Und wieso sagt Christian Görke in einem Interview nur, er gehe „davon aus“, dass die LINKEN-Minister gegen Wowereit stimmen werden – was hindert ihn, konkreter zu werden? Ist es wirklich nur der Tatsache geschuldet, dass die Abstimmung geheim war oder sollte man sich nicht öffentlich deutlicher äußern können, sind unsere Aufsichtsratsmitglieder doch im Namen von Partei und Fraktion aufgestellt und entsandt worden?
Was bedeutet es, wenn sich nach unzähligen Beschlüssen zum Thema Braunkohle Anita Tack und Ralf Christoffers nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können, sondern es stattdessen nun öffentliche Seitenhiebe gibt? Und wie soll man bewerten, wenn Minister Christoffers bis heute keine Fehler in Sachen Solarförderung oder Umgang mit CCS sehen will und Minister bleibt, Minister Schöneburg aber nach hochgradig geschätzter Arbeit weit über die LINKEN hinaus und dem Eingestehen eines Fehlers seinen Rücktritt erklärt? Wer stand da zuvor noch hinter Christoffers, der nun nicht hinter Schöneburg stand?
Was verrät dies über den Umgang miteinander? Es entsteht der Eindruck: Die Minister arbeiten längst nicht mehr Miteinander, der Fraktionsvorsitzende kann sich auf sie auch nicht mehr berufen, scheint machtlos und die SPD tut mit ihm, mit seinen Ministern und seiner Partei was sie will und das ohne Konsequenzen. Das alles im selben Jahr, wo die Fraktion ihre Spitzenkandidatin und Vorsitzende gefühlt über Nacht ohne Begründung entmachtet und die Partei ihren Vorsitzenden auf einer Telefonkonferenz ohne Nennung von Fehlleistungen zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur drängt.
Wer dazu meint, dass dies alles anders sei und man dazu erst einmal ganz viel wissen müsse, dem sei mit vollem Nachdruck gesagt: Genau dieses Wissen haben die Allerwenigsten. Und genau das ist das Problem! Denn wenn alles anders wäre, dann wäre es doch auch umso fataler, dass dieser eben geschilderte Eindruck entsteht. Es kann doch dann gar nicht im Interesse sein, dass sich dieser Eindruck verhärtet. Aber ist er nur durch Unwissenheit entstanden? Ja und Nein. Denn wenn sich Unwissenheit mit wenig hilfreichen Aussagen paart, entsteht ein mehr als ungesunder Cocktail.
Außenstehende könne nicht wissen, was gegen Kerstin Kaiser sprach. Wir haben Wahlkampf mit ihr an der Spitze gemacht und sind anschließend das erste Mal in eine Regierungsbeteiligung gegangen. Nach der Entmachtung erahnte man Streitigkeiten, die wohl schon jahrelang gingen und die wohl auch nicht mehr beizulegen waren – aber was davon stimmte? Wie soll man das einordnen, wie soll man über die Fraktion denken? Ist es wirklich in ihrem Interesse, wenn niemand nachvollziehen kann, was dort geschehen ist?
Wie soll man es einordnen, wenn Stefan Ludwig nun nicht mehr antritt und wenige Tage zuvor im Neuen Deutschland verkündet, es wisse von nichts und habe vor, wieder zu kandidieren? Lügt das ND und wenn ja, wieso hätte es das nötig? Ist es im Interesse der Landesführung, wenn statt der Inhalte der besagten Telefonkonferenz nur eine Stellungnahme Stefans öffentlich verkündet wird, er wolle sich auf seine Parlamentsarbeit stärker konzentrieren? Sollten hier die Partei an sich oder nur einzelne Mitglieder geschützt werden? Und was sagt dies über das Denken der Landesspitze gegenüber ihren Mitgliedern aus, wenn diese anschließend darauf pocht, man möge der Erklärung Stefans und nicht dem ND glauben? Glaubt man wirklich, dass Mitglieder so wenig von den Abläufen verstehen, dass sie einen klaren Machtkampf aus den Vorgängen nicht auch herauslesen könnten? Und ist schweigen wirklich das adäquate Mittel, dem Aufkommen von Eindrücken entgegenzuwirken? Ist es so unmenschlich, sich Dinge erklären zu wollen und ist dabei nicht jede Wissenslücke Nährboden für falsche Eindrücke? Und kann es der Landesspitze wirklich egal sein, was sich ihre Mitglieder zusammenreimen?
Und wie sollen wir uns letztlich die Vorgänge dieser Woche erklären? Soll all das allein auf der Grundlage von Vertrauen in die Landesspitze akzeptiert werden, ohne dass es Vertrauen ihrerseits an die Mitglieder gibt?
Liebe Genossinnen und Genossen,
denkt ihr nicht auch, dass es so nicht weitergehen kann? Wir wollten beweisen, dass man trotz Regierungsbeteiligung nicht in Umfragen und Wahlergebnissen abrutscht, aber ist uns das gelungen? Wir wollten die Fehler Berlins nicht wiederholen und von Anfang an auf inner- wie außerparteilichen Diskurs setzen, aber konnten wir das umsetzen? Wir wollten einen Politikwechsel und nicht nur einen Regierungswechsel, aber konnten wir dem gerecht werden?
Es geht dabei nicht darum, wer wann was falsch gemacht hat. Ich kenne niemanden in diesem Landesverband, der ihm Schaden wollte. Ich kenne nur Ideen, Versuche und vor allem Engagement bis zur völligen Erschöpfung. All das ändert aber nichts daran, dass wir nun in dieser Krise sind.
Deshalb möchte ich euch mit diesem Brief den Mut zusprechen, offen und gemeinsam, solidarisch wie konstruktiv-kritisch durch diese Krise zu gehen. Alle Versuche, das Bild nach Außen dadurch zu verbessern, dass man Hintergründe nicht benennt, haben nichts genützt. Sollten wir diesen Weg ernsthaft noch weitergehen? Wer schützt uns davor, dass es nicht noch schlimmer kommt? Schlimmer als eine abgesägte Spitzenkandidatin, einen gestürzten Vorsitzenden, einen zurückgetretenen Minister, weiteren nicht-miteinander-redenden Ministern und einen designierten Spitzen- und Vorsitzendenkandidaten, der auf jeder Versammlung ausruft, er kandidiere auch, weil es zur Zeit niemand anderes machen würde.
Wer garantiert uns, dass dieser Weg und kein anderer uns eine zweite Chance auf eine Regierungsbeteiligung sichert?
Daher bitte ich euch um Antworten nur auf folgende zwei:
1. Habt ihr vor, euch zu den einzelnen Ereignissen über das bisher Veröffentlichte hinaus zu äußern und wenn ja, wann und wie?
2. Wie könntet ihr euch organisatorisch vorstellen, die jetzige Krisensituation gemeinsam durchzustehen?
In großer Sorge,
S. K.
Neuenhagen bei Berlin, den 14.12.2013
Fotoquelle: Wikipedia – Lizenz cc-by-sa V. 3.0 unter Nennung meines Namens direkt unter Bild.
Donnerstag 19. Dezember 2013 um 19:48
Da hätten andere Kaliber ab-und zurücktreten müssen.