DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Linke Selbstbeschäftigung

Erstellt von Redaktion am Freitag 20. Januar 2012

Wider die Selbstbeschäftigung!?

DIE LINKE möchte zur Tagesordnung übergehen, die „richtigen Themen“ auf die Agenda heben und so den starken Wiedereinzug in den Bundestag, in die Landtage und die Kommunen erreichen.

Das mediale Geschehen um und über die Partei ist auf Spitzenpersonen und Streitigkeiten fixiert. Ersteres verwundert nicht, wird doch Politik auf Personen zentriert inszeniert und medial vermittelt.  Hier ist das eigentliche Problem die mangelnde Emanzipation der Linken selbst, die auch glaubt, es genüge für linke Politik auf „Zugpferde“, wie Lafontaine und Gysi zu setzen. Parteiintern dürften beide aber mittlerweile Teil der Ursachen der Krise der Partei DIE LINKE sein, denn sie stehen für die überbordende Dominanz der Bundestagsfraktion und für einen mal offenen und mal mehr verdeckten Dirigismus in der Partei. Statt Prozessentwicklung gibt es seit längerem Formelkompromisse und die Verdeckung der Entwicklungsprobleme zu einer modernen, emanzipierten, selbstbewussten und kompetenten  Linken.

Der zweite Aspekt medialer Existenz der Linken, die Streitigkeiten, finden vielfältige Wege in das verzerrende Licht medial vermittelter Öffentlichkeit, einerseits weil den deutschen Medien die eigenständige und kreative Sicht auf die Notwendigkeiten zu einer neuen demokratischen Parteientwicklung fremd ist, andererseits weil sie aus Gewohnheit der Linken eher misstrauisch und missgünstig, ja verständnislos und zuweilen feindlich gegenüber stehen. Andererseits aber auch, weil be- und verhinderte ergebnisoffene  innerparteiliche Debatten sich mit ihren Versatzstücken den Weg an die Öffentlichkeit via Medien bahnen, wo es an innerparteilicher Transparenz fehlt.

Die dominante politische Kultur der Partei ist sozial-autoritär, mit der Fusion der WASG mit der PDS ist eine organisationspolitische Regression – betrieben von Lafontaine und Anhängern, insbesondere  getragen von der ausgeprägten Stellvertreterkultur von Gewerkschaftern und Betriebsräten– auf dem Vormarsch.

Wenn DIE LINKE glaubt, mit Lafontaine und Gysi Ersatz für eine noch fehlende überzeugende Vielfalt erkennbarer und glaubhafte Gesichter der Partei auf allen Ebenen, in den Kreisen, in den Ländern zu finden, sitzt sie einem gewaltigen Irrtum auf. DIE LINKE kann ihre Aufgaben im politischen System als systemverändernde strategische Kraft nur erfüllen, wenn sie eine Partei der vielen Köpfe, der vielen Aktiven, der Kreativen, der Mutigen, der Ungehorsamen zu werden im Stande ist.

Es braucht eine linke Partei, die die „Umwege“ des Diskurses der Mitglieder und mit den BürgerInnen nicht scheut und die Ausdauer entwickelt, denn sie kann kurzfristig nicht gesellschaftsverändernd sein.

DIE LINKE selbst ist der Beweis für diese These, denn einerseits fordert sie eine solidarische Gesellschaft, kann aber anderseits selbst die neoliberal geprägte Kultur, die Lebensweisen, die Umgangsformen, die Konkurrenzkämpfe, die Intrigen, die Gier nach Posten mit Zugang zu Macht, Prestige und Einkommen in den eigenen Reihen nicht solidarisch überwinden. DIE LINKE propagiert Revolution und Reform, sich selbst jedoch ausgenommen – dies sei, zumindest überwiegend,  überflüssige Selbstbeschäftigung.

Nach den historischen Niederlagen von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern im 20. Jahrhundert in der DDR und der BRD erscheint es mir zunehmend befremdlich, wie ausdauernd und rigoros sich die Partei Lernprozessen in ihren konkreten politischen Praktiken verweigert.  Schlimmer noch, um innerparteilich Mehrheiten zu „organisieren“  wird Geschichtsrevisionismus von Links betrieben, Schlussstrichdebatten zum Stalinismus werden gefordert, halbherzig werden dessen Opfer gewürdigt oder gar deren Andenken geschändet, Verbrechen werden beschwiegen, ganz so, als sei nicht das Politbüro und der bürokratische Apparat der Partei das Zentrum der „Konterrevolution“ in der DDR gewesen. Die früheren Köpfe der SPD, ob Lafontaine oder Ulrich Maurer oder die „Gewerkschaftskader-West“ haben mehrheitlich  noch nicht einmal begonnen, ihre politische Kultur, ihr historisches Versagen auf den Prüfstand zu stellen. Da schmieden EX-SPD-Bürokraten mit Stalinisten aus DKP und SED, „normale“ Appartschiks Ost und West  und Trotzkisten abenteuerliche Bündnisse, um die Partei allein in ihre Hände zu bekommen.

Die noch verbliebenen Aktivisten an der Basis sind dabei allzu oft nur Statisten oder Claqueure, die Zahl der Passivierten, der Entmutigten, der Entmündigten in der Partei ist im Wachsen begriffen bzw. kehrt der Partei den Rücken.

DIE LINKE lebt keine politische Kultur, die sie attraktiv für jene macht, die spüren, dass diese Gesellschaft grundlegende Veränderungen braucht, aber das der Schlüssel dafür nicht in den Rezepten der Vergangenheit liegt. Wenn DIE LINKE lebt, dann nicht vom Elend sondern von der Gestaltung einer besseren Welt! Es scheint aber so, dass im zornigen und emanzipatorischen Potenzial der Gesellschaft sich das Gefühl breit macht „Mehr als die Farce einer Kopie der Brandtschen Linken ist mit/in der Partei DIE LINKE nicht drin!“. Das sich neue Milieus fragen, ob sie überhaupt die von der Linken anempfohlene neue Welt wollen oder doch eine ganz andere, dass kommt den Strategen aus dem Arbeitnehmervertreterlager nicht in den Sinn. Und so stellt sich dann die Frage, kann es überhaupt eine „neue Linke“ geben oder braucht es etwas völlig Neues? Zumindest ist die Erfahrung der letzten fünf Jahre, dass DIE LINKE in ihrem Parteileben nicht das kreative Zentrum der Linken zu entwickeln im Stande war. Auch Gysi und Lafontaine als alte und neue Vordermänner, einschließlich der sie umschwärmenden Parteioligarchie, können daran nichts ändern, denn das Wesen der Sache ist es gerade, die Dinge durch die Mitglieder, die Bürgerinnen endlich selbst in die Hand zu nehmen oder eben letztlich alles beim Alten zu lassen. Mit anderen Worten, die Statik des Gesellschaftsgebäudes ist ruiniert, es braucht also mehr und anderes als Sanierer der alten, kapitalistischen Welt.

Betreten die gesellschaftliche Bühne neue Akteure und/oder verschwindet gerade die Differenz von Bühne und Zuschauerraum in der Postdemokratie 2.0? Dann wären Parteienwettbewerb, Parlamente und mediale Schlachten – die repräsentative Demokratie – mit Blick auf ihr fehlendes Zukunftspotential, ihrer fehlenden Radikalität und Klarheit, mit ganz anderen Augen zu sehen.

DIE LINKE hinterlässt den Eindruck, dass Mensch darin seine Lebenskräfte verschleißt, ein vielfaches Hamsterrad aus innerparteilichen Machtkämpfen und parlamentarischen Leerlauf, gesellschaftliche Bewegung scheint so letztlich nicht zu gelingen.

Dennoch sind Personaldebatten nötig, aber andere! Da müsste es um Verstand, um Offenheit, um Charakter gehen, wider die Gier irgendwie doch zum Club der Schönen, Reichen und Mächtigen dazu zu gehören. Angenommen, DIE LINKE hätte ein fabelhaftes, mit den Bürgerinnen entwickeltes Programm. Verändert ein solches Programm, oder die dessen Geist lebenden Menschen sich selbst und die Welt?

Bernd Wittich                                           Ludwigshafen, 18. Januar 2012

—————————————————————————————————————-

Grafikquelle    :

Gerhard MesterGerhard Mester

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>