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Laschets Klimapolitik

Erstellt von Redaktion am Montag 9. August 2021

Laschets Klimapolitik: Geisterfahrt in die Heißzeit

Altenahr - 8 Tage nach der Flut.jpg

Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema – ich glaube auch sehr mit Greta verbunden – zu einem weltweiten Thema geworden.“ Diesen entlarvenden Satz sagte Armin Laschet im Frühjahr 2019 in der Talkshow „Anne Will“. Noch Monate später verteidigte der CDU-Kanzlerkandidat diesen ehrlichen, fast schon Freudschen Ausrutscher mit dem Hinweis, er habe selbst bereits in den 1990er Jahren Klimaschutzpolitik gemacht. Ihm sei es nur darum gegangen, dass das Thema mit Fridays for Future plötzlich „hochgekocht“ sei.

So sehr Laschet auch versucht, sich aus der Affäre zu ziehen – seine Aussagen zeigen, wie die Union beim Klimaschutz tickt. Denn unweigerlich müssen sich Unionspolitiker nach 16 Jahren an der Regierung fragen lassen, warum so wenig passiert ist, wenn ihre Partei doch eigentlich immer schon grün gewesen sei.

Richtig ist, dass es in der CDU schon Ende der 1980er Jahre Klimaschutzinteressierte gab, beispielsweise fand die erste von zwei Enquete-Kommissionen des Bundestages zur Erderwärmung 1988 unter dem Co-Vorsitz von Bernd Schmidbauer (CDU) statt. Die Berichte dieser Kommissionen lesen sich heute wie Fridays-for-Future-Aufrufe, schon damals sprachen sie von der Dringlichkeit zu handeln. Auch in den 1990er Jahren gab es progressive CDUler wie den Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Oder die Umweltministerin und heutige Kanzlerin Angela Merkel: „Welchen Preis sind wir bereit, für unser Überleben zu zahlen? Dieser Diskussion dürfen gerade wir Umweltpolitiker nicht ausweichen“, schreibt Merkel in ihrem 1997 erschienenen Buch „Der Preis des Überlebens“.

Dass aber Armin Laschet sein „Engagement“ in den 1990er Jahren im Aachener Stadtrat, bei dem es um eine Verordnung zur Förderung erneuerbarer Energien gegangen sei, heute wieder auspackt, zeigt vor allem eines: seine Hilflosigkeit – und die seiner Partei.

Doch Laschet ist mit seinem Versuch, sich einen grünen Anstrich zu verpassen, nicht allein. Ein „Mea culpa“ von Unionspolitikern zum Thema Klimaschutz gab es in der laufenden Legislatur häufiger: So gestand Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein, dass in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig passiert sei, Markus Söder ergrünt seit einigen Monaten und will endlich „entschlossener“ handeln, und mittlerweile gibt es mit der „Klimaunion“ sogar so etwas wie klimabewegte Abgeordnete in den eigenen Reihen.

Bei so viel Einsicht war die Erwartungshaltung in Sachen Wahlprogramm groß. Doch schon kurz nachdem das Papier, das Armin Laschet zum Kanzler machen soll, kursierte, brach ein Proteststurm los: „Stillstand“, „Weiter-so-Politik“, „Klimahölle“ waren noch einige der freundlicheren Bezeichnungen für das Mitte Juni vorgestellte Programm für „Stabilität und Erneuerung“.

Der Slogan deutet bereits an, wo das Problem liegt: Die Union will zwar Klimaschutz, aber bitte nicht zu viel davon. Besonders deutlich wird das an den neuralgischen Punkten der Klimawende: dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Ressourcen. Ohne einen massiven Zubau von Wind- und Solaranlagen kann Deutschland sein Klimaziel nicht erreichen – das war bereits vor der durch das Bundesverfassungsgericht erzwungenen Anhebung der CO2-Einsparung bis 2030 so.[1] Und gilt jetzt umso mehr.

Widersprüche und Leerstellen

Die Union drückt sich in diesem wichtigen Punkt darum, die Ausbauziele für die Erneuerbaren anzuheben und konkrete Zahlen in ihrem Wahlprogramm zu nennen. Dahinter steckt Kalkül: Alles, was die Union in den vergangenen Monaten nicht benannt oder gemacht hat, verschreckt zum einen keine Wählerinnen und Wähler der „Mitte“ und wird zum anderen zur Verhandlungsmasse in möglichen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen.

Dabei braucht Deutschland große Mengen grünen Stroms – es geht um nichts Geringeres als die Elektrifizierung aller Lebensbereiche: Dazu gehören E-Autos und -Busse, die Herstellung von grünem Wasserstoff für die Industrie, die Herstellung synthetischer Kraftstoffe oder das klimaschonende Beheizen von Gebäuden. Diese „Zukunftstechnologien“ und innovativen Lösungen feiert die Union in ihrem Wahlprogramm, doch benennt sie die Grundlage für diese Technologiewende nicht: Da Wind- und Solarenergie derzeit die einzigen, im großen Maßstab verfügbaren klimafreundlichen Energiequellen sind, müsste die Union ihnen eigentlich den roten Teppich ausrollen. Denn ohne grünen Strom ist die schöne neue Welt des Wasserstoffs oder der synthetischen Kraftstoffe nur eine Scheinwelt.

2017-04-03 Wahlkampf-Plakat der CDU zur NRW-Landtagswahl 2017 IMG 3387.jpg

Das  Grinser macht den Kasper

Ein Zahlenbeispiel: Damit die Klimaziele für 2030 noch erreicht werden können, müsste allein die Windkraft an Land um rund acht Gigawatt pro Jahr zulegen, rechnet das Fraunhofer-Institut vor. Im vergangenen Jahr lag der Zuwachs nur bei 1,4 Gigawatt – Deutschland müsste also ab sofort jährlich knapp sechsmal so viele Windräder bauen als bisher.

Angesichts dieser Schieflage klingt es fast euphemistisch, wenn die Union einen „schnelleren Ausbau“ fordert, ohne auch nur eine Zielmarke zu nennen, während die Grünen in ihrem Wahlprogramm in Übereinstimmung mit der Wissenschaft von einem Zubau in Höhe von acht Gigawatt pro Jahr ab Mitte der 20er Jahre sprechen. Getoppt wird die Phrase vom „schnelleren Ausbau“ nur noch durch den Zusatz, dass mehr „Akzeptanz in der Bevölkerung“, „Planungssicherheit“ sowie „weniger Bürokratie“ nötig seien. Drei gute Vorsätze, die die Regierung in den vergangenen Jahren selbst konterkariert hat.

Denn die Union schuf mit dem Klimaschutzpaket 2019 höhere Hürden für den Ausbau, indem sie eine Abstandsregelung von 1000 Metern zwischen Windanlagen und Siedlungen ins Spiel brachte. Laschets Bundesland Nordrhein-Westfalen setzt diese Idee gerade fleißig um und bremst damit den Zubau von Windanlagen massiv aus. Auch für die Akzeptanz in der Bevölkerung tat die Union bisher wenig – einzig eine Beteiligung der Kommunen an den Gewinnen von Windparks gibt es mittlerweile, allerdings ist diese freiwillig.

Ähnlich widersprüchlich geht es beim Ausstieg aus den fossilen Energien zu: Die Union steht weiter zu einem späten Ende der Kohle – das letzte Kraftwerk soll erst 2038, also sieben Jahre vor Erreichen der Klimaneutralität 2045 abgeschaltet werden. Daneben bekennt sich die Union zum Ausbau von Gasleitungen und dem umstrittenen Import von Flüssiggas.

Schwer tun sich CDU und CSU schließlich auch beim Abschied vom Verbrennungsmotor: Wieder nennt die Union keine konkreten Termine, wann der Verkauf neuer Diesel- und Benzinmotoren auslaufen soll – obwohl das Länder wie Frankreich, US-Bundesstaaten und sogar einzelne Automarken wie Audi längst getan haben. Gleichzeitig wird die Verantwortung an die EU abgeschoben: Man wolle den Emissionshandel in Europa auf den Verkehrssektor ausweiten, heißt es beiläufig im Wahlprogramm.

Doch genau davor warnen Experten: Wenn der Verkehr keine nationale Klimaschutzaufgabe ist, wird alles über den europäischen CO2-Preis geregelt. Der aber dürfte viel zu niedrig sein, um eine Lenkungswirkung zu entfalten. Stattdessen sollen laut Union die wirksamen CO2-Flottenwerte, die derzeit EU-weit angewendet werden, wegfallen. Weil deutsche Autobauer diese kaum einhalten können, drohen ihnen regelmäßig Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Für die Autolobby wäre das ein echtes Geschenk: Ein unwirksamer CO2-Preis, wegfallende Grenzwerte – und obendrein sollen E-Autos mit Milliarden gefördert werden. Die Union macht ihrem Ruf als Autopartei weiterhin alle Ehre.

Quelle        :          Blätter-online         >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     The still intact bridge over the Ahr. The entire bank is devastated. View from the Ahr loop to the old town.

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Unten     —        Wahlkampf-Plakat der CDU Nordrhein-Westfalen zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 mit dem Spitzenkandidaten Armin Laschet

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