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RENTENANGST

Wir, als Gesellschaft

Erstellt von Redaktion am Montag 30. Juli 2018

„Dass Menschen ertrinken, ist Kalkül“

Bootsflüchtlinge mit einem sich nähernden Schiff der spanischen Küstenwache.

Das Interview führte Volkan Agar

Überall in Deutschland demonstrieren Menschen für Seenotrettung. Prominente lassen sich mit Schwimmwesten ablichten – eine Kampangne von Médieranée. Warum Demos für Seenotrettung mehr sind als nur Symbolpolitik, erklären Verena Papke von SOS Méditerranée und die Rapperin Sookee.

taz: Sookee, Frau Papke, eine liberale Zeitung diskutierte zuletzt dar­über, ob man das mit der privaten Seenotrettung nicht lieber lassen sollte. Was hilft es da, sich mit Rettungswesten fotografieren zu lassen?

Sookee: Nichts zu tun ist keine Alternative. Selbst wenn es um Symbolpolitik geht, um Menschenketten und Lichterketten, auch wenn das ein bisschen hippiesker Scheiß aus den 80er Jahren ist, oder ob man anders Öffentlichkeitsarbeit unterstützt: Alle sollten tun, was nach ihren Ressourcen möglich ist. Zu sagen: „Das bringt ja eh nichts“, ist großer Unfug. Damit macht man es sich sehr leicht. Ich finde, dass Menschen, die öffentlich sind, hier in der Pflicht stehen zu unterstützen, weil eine Öffentlichkeit ja auch sie unterstützt. Das ist ein Geben und Nehmen.

Verena Papke: Wir sehen ja, dass es sehr viele Menschen gibt, die für Seenotrettung stehen. Es gibt viele, die nicht dagegen sind, sondern dafür. Wenn sie eine Rettungsweste anziehen und sich solidarisch erklären, ist das eine Art und Weise, sich zu solidarisieren, die alle anderen verstehen.

Erreicht man so auch Menschen, die sich gegen die Seenotrettung positionieren? Kommt man mit ihnen ins Gespräch?

Sookee auf der „Kein Schlussstrich“-Demo zur Urteilsverkündung im NSU-Prozess am 11. Juli 2018 in München

Papke: Ich glaube nicht, dass ein Seehofer eine Einladung annehmen würde, um mit uns über unsere Arbeit zu diskutieren. Wir würden das machen. Wir stellen uns dem und auch den Vorwürfen, die man uns macht, weil sie schlichtweg haltlos sind. Man wirft uns vor, wir würden Recht brechen. Das Gegenteil ist der Fall.

Sookee: Bestimmte Leute wird man nicht ohne weiteres überzeugen können. Mein Foto mit einer Rettungsweste wird Seehofer nicht umstimmen. Aber es geht ja auch darum, diesen Leuten klarzumachen, dass sie nicht die Hegemonie bilden. Dass sie nicht diejenigen sind, die einfach schalten und walten können. Wir lassen uns nicht verarschen.

(v.l.) Verena Papke (Project Management SOS Mediterranee); Klaus Vogel, Gesine Schwan, Caterina Lobenstein und Ulrike Hiller, jpg, 180.3 KB

(v.l.) Verena Papke (Project Management SOS Mediterranee); Klaus Vogel, Gesine Schwan, Caterina Lobenstein und Ulrike Hiller

Die „Festung Europa“ ist heute viel manifester als noch vor fünf Jahren. Wie erklären Sie sich das?

Sookee: Europa ist keine Festung. So wie sich die Mitgliedstaaten zueinander verhalten, sind es mehrere Festungen. Wenn man schaut, wie viele Flüchtlinge im Nahen Osten und auch in diversen afrikanischen Ländern aufgenommen werden, dann ist das ein Witz. Wieso sagt Europa nicht: „Wir und die sind jetzt alle da. Können wir jetzt bitte alle überlegen, wie wir uns denen gegenüber solidarisch verhalten, indem wir untereinander solidarisch sind?“

Quelle     :     TAZ        >>>>>        weiterlesen

Kommentar Bewegung für Seenotrettung

Aufstand der Unterrepräsentierten

Kommentar von Malene Gürgen

Die Seebrücken-Bewegung für eine andere Flüchtlingspolitik ist öffentlich brutal unterrepräsentiert. Doch es gibt Anzeichen eines Umdenkens.

Hannover, Kassel, Paderborn, Lörrach, Dinslaken, Trier: Eine kleine Auswahl von Orten, an denen am Wochenende gegen das Sterben im Mittelmeer, für die Entkriminalisierung der Seenotrettung und für eine andere Flüchtlingspolitik demonstriert wurde. Die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Seebrücke nennt sich die Bewegung, die vor einem Monat mit einer Demonstration in Berlin startete, aber längst an allen möglichen Orten in Deutschland stattfindet. Viele ihrer Mitglieder vernetzen sich über Facebook, Rettungswestenorange ist die gemeinsame Farbe.

Bewegung? Ja. Wenn ein Wochenende nach dem anderen Tausende Menschen unter einem gemeinsamen Banner auf die Straße gehen, dann kann man von einer Bewegung sprechen, die hier gerade entsteht. Es ist eine Bewegung, die – mindestens – eine rote Linie ziehen will. Die rote Linie heißt: Nein, wir lassen keine Menschen im Mittelmeer ertrinken. Nein, Abschiebungen nach Afghanistan sind kein Geburtstagsgeschenk. Nein, Seenotrettung ist kein Gegenstand für ein Pro und Contra. Ein liberal-humanistischer Minimalkonsens quasi, der hier verteidigt wird.

Warum das nötig ist, zeigt der Umgang mit der Seebrücken-Bewegung selbst: In der öffentlichen Wahrnehmung ist sie brutal unterrepräsentiert.

Quelle     :       TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben    —       Bootsflüchtlinge mit einem sich nähernden Schiff der spanischen Küstenwache.

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2. )  von Oben     —    Sookee, 2018

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