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RENTENANGST

Krieg der DDR-Aufklärer

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 3. Januar 2019

Debatte Entlassener Gedenkstätten-Leiter

Von Christian Booß

ist Historiker und Journalist. Bis vor Kurzem arbeitete er bei der Stasi-Unterlagen-Behörde, zuletzt als Foschungs­koordinator. 2017 promovierte er über Rechtsanwälte und politische Justiz in der späten DDR: „Im goldenen Käfig“ (Vanden­hoeck & Ruprecht). Er ist Vorsitzender des Vereins Bürgerkomitee 15. Januar e. V.

Der Zoff um die Entlassung von Knabe, der die Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin leitete, ist nicht nur eine Personalie. Es geht um die DDR-Aufarbeitung.

Ein Aufsichtsgremium hat kein Vertrauen mehr zu seinem Vertreter vor Ort und trennt sich von ihm. Ein alltäglicher Vorgang. Normalerweise geht es dann nur noch um die Höhe der Abfindung. Anders bei der Gedenkstätte Hohen­schönhausen. Seit zweieinhalb Monaten vergeht fast kein Tag, an dem nicht eine Pro- oder Kontra-Erklärung durch die sozialen Medien zirkuliert und ihren Nachhall in der Presse findet. Der Debatte haftet etwas irritierend Maßloses an. Es geht um mehr als die Ablösung des Spitzenpersonals einer großen Gedenkstätte. Es geht, eine Generation nach der friedlichen Revolution, um die generelle Ausrichtung der Aufarbeitung der DDR-Dikatur.

Der Anlass des vom Aufsichtsgremium erzwungenen Personalwechsels hat scheinbar nichts damit zu tun: sexistischer Umgang mit jungen ­Mitarbeiterinnen des Vizedirektors, zu große Nachsicht des Gedenkstätten-Direktors Hubertus Knabe.

Klaus lederer 2010.jpg

Das Pro-Knabe-Lager sieht darin eine Intrige des Berliner Linksparteichefs Lederer, zugleich Kultursenator, im Bunde mit Konservativen aus dem Bundeskulturministerium und anderen. Dieses Meinungslager speist sich aus eher konservativen ehemaligen Diktaturgeschädigten, die ihre Leiden bis heute zu wenig materiell und moralisch anerkannt sehen. Sie sahen Hohenschönhausen und seinen Direktor, der ihre Positionen zu seiner Mission machte, als Leuchtturm. Manche aus diesem Lager sympathisieren inzwischen ganz offen mit rechtspopulistischen Positionen. Sie haben insofern recht, als im linken Spektrum auch einige Sektkorken geknallt haben dürften, als der „Stasi-Jäger“ Knabe strauchelte. Aber reicht das als Beleg für eine Verschwörung?

Es befremdet, dass die VerteidigerInnen Knabes sein unbestreitbares Engagement herausstellen, jedoch mit keinem Wort auch nur erwägen, dass an den Sexismusvorwürfen junger Gedenkstättenmitarbeiterinnen etwas dran sein könnte. Auch fehlt manchem aus diesem Lager offenbar ein verbales Instrumentarium, um heutige Verhältnisse angemessen kritisieren zu können. Stattdessen greifen sie auf Begriffe zurück, mit denen sie früher die Diktatur bekämpften. Grobschlächtig werden politische Entscheidungen oder Rechtsauffassungen, die sie nicht teilen, zu „diktatorischen“ Praktiken oder gar zur „Zersetzung“ hochstilisiert.

Knabes Medienmächtigkeit

Es gibt auch ein „Anti-Knabe-Lager“, das die Bastion Hohenschönhausen schon lange schleifen will. Diesen Leuten hat Knabe zu politisch agiert, wie etwa bei seiner heftigen Attacke gegen die drohende Berufung von Andrej Holm zum Staatssekretär in Berlin. Aber wäre Berlin besser bedient, wenn jemand, der die Öffentlichkeit und seinen Arbeit­geber mehrfach über seine Stasi-Bio­grafie getäuscht hat, Staatssekretär geworden wäre? Knabes Medienmächtigkeit war ohnehin nur die Kehrseite der Zurückhaltung derer, die ihre Meinung nur am Biertisch, nicht aber in der Öffentlichkeit äußerten. Problematisch zu sehen ist sicher, dass Knabe seine Gedenkstättenarbeit zum Yad Vashem des Ostens hochstilisierte. Einem Stasi-Zersetzungs-Opfer mag man derartige Denkprovokationen durchgehen lassen, einem durchtrainierten Politologen aus dem Westen nicht.

Quelle     :          TAZ            >>>>>             weiterlesen

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Grafikquellen       :

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Unten       —         Andrej Holm (2011)

 

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