KOLUMNE – Die eine Frage
Erstellt von Redaktion am Sonntag 20. Juni 2021
Baerbock, Harbeck und der Spritpreis-Opi
Kolumne von Peter Unfried
Die Sache mit der ersten grünen Kanzlerin im Herbst wird wohl doch etwas schwieriger. Aber ist es überhaupt entscheidend, ob das klappt?
Man kann als Grüne jetzt natürlich rumheulen, wie unterirdisch dieser Bundestagswahlkampf sei. Dass die anderen so schlimm sind und die Medien so gemein. Aber das ist die Erklärungsstrategie von Verlierern. Nicht zu empfehlen.
Die Frage ist auch nicht, ob es im Vergleich mit Bereicherungsgepflogenheiten der Union Pipifax ist, was unter dem Strategiepunkt Charakterabwertung gegen Annalena Baerbock angeführt wird. Die Frage ist, ob es wirkt. Die Umfragen zeigen: Das tut es. Könnte sich wieder ändern. Aber man muss bei den Grünen auch damit rechnen, dass die Idee gescheitert ist, mit einer medialen Zuspitzung auf Baerbock zusätzliche Stimmen oder gar das Kanzleramt zu gewinnen.
Aber ist das wirklich die entscheidende Sache?
Die „erste grüne Kanzlerkandidatin aller Zeiten“ (Strategiechef Michael Kellner), also seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren, hat beim Grünen-Parteitag eine ordentliche Baerbock-Rede gehalten. Das heißt: keine bemerkenswerte. Robert Habeck, der zweite Spitzenkandidat, hielt derweil eine ziemlich groß angelegte Freiheitsrede. Selbstverständlich wurde von interessierten Exegeten umgehend versucht, das gegen Baerbock zu drehen.
Aber das ist im alten Modus gedacht, dass es nur eine oder einen geben kann und Politik als Peoplejournalismus berichtet werden muss. Es geht hier aber um eine reale Klimakrise, und insofern könnte ein Abschied von der Kanzlerinnen-Fixierung auch die Rückbesinnung auf ein im deutschen Wettbewerb solitäres Frau-Mann-Spitzenduo sein. Das ist auch symbolpolitisch progressiv: Erfolgreiche Zukunftspolitik ist auf weitreichende und unhierarchische Allianzen unterschiedlicher Kompetenzen, Systeme, Kulturen und Machtbereiche angewiesen, das funktioniert weder mit Zentralisierung noch mit Abschottung.
Aber kann man damit noch einen klimapolitischen Aufbruch erzwingen? Im Moment scheint die Anti-Klimapolitik-Koalition aus CDU, CSU, SPD und FDP im Aufwind, weil sie alle eingespeicherten Negativgefühle abrufen kann. Da wird die Verteidigung des Parkplatzes zur Frage der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheitsrettung oder der Bewahrung der Parkplatzschöpfung.
Es geht um eine gute, glaubwürdige Erzählung
Um dagegen anzukommen, ist es wichtig, zu verstehen, wie Menschen sind. Klar möchte Opi aus der Merkel-Mitte eine gute Welt für seine Enkel. Aber ihn triggert auch nichts mehr, als 2 Cent an der Tankstelle zu sparen. Die alten Grünen hätten Opi verdammt, die ganz jungen würden ihn canceln, Fundis würden sagen, dann geht es halt nicht. Aber Baerbock und Habeck müssen genau diese Opis gewinnen, um eine Blockaderegierung zu verhindern – und selbst so stark zu sein, um was draus zu machen.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Annalena Baerbock und Robert Habeck sind die Parteivorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Foto: © Dominik Butzmann.
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Unten — Peter Unfried (2012)