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Koloniale Sommermärchen

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 14. August 2019

Eine Reise durch Schuld und Verdrängung

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Und genau solche Laffen heben wir auf die Podeste wenn wir heute einmal mehr unsere politischen Raubritter hochleben lassen !

Eine Kolumne Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Brüssel und London einmal anders betrachtet: Ein Besuch in den Palästen weißen Begehrens ist auch eine Reise durch Schuld und Verdrängung.

or dem Königspalast in Brüssel stand ein schwarzer Wachsoldat; über die Blumenrabatten hinweg war er nur von Ferne zu sehen, doch hob ihn das weiße Wachhäuschen in seinem Rücken optisch hervor, ebenso die weißen Utensilien an seiner Gardeuniform.

Der Anblick traf mich unvorbereitet. Sagte er vielleicht etwas Neues über Belgiens Verhältnis zur kolonialen Vergangenheit? Eher nicht. Wenige Schritte weiter stand das Reiterdenkmal Leo­polds II.; der Bärtige hoch zu Ross, als wäre nichts gewesen. Kein Täfelchen, kein Wörtchen wies darauf hin, dass der König Millionen von Toten in seinem Freistaat Kongo zu verantworten hat. Am Sockel nur der Hinweis, Kupfer und Zinn für die Statue stammten „aus dem belgischen Kongo“, aus Ober-Katanga.

So ist das also: In Brüssel, der administrativen Hauptstadt unseres Europas, wird einem Monster der europäischen Kolonialgeschichte Respekt gezollt, und keineswegs nur mit diesem einen Denkmal. Abgehackte Kinderhände für Kautschukprofite? Gelegentliche Graffiti zum Thema werden säuberlich weggeschrubbt.

So unübersehbar Leopold, so schwer auffindbar der „Square Patrice Lumumba“: ein trostloser Fleck Straßenraum zwischen Müllcontainern und dem Aufzugschacht zur Metro. Dem ersten Premierminister des unabhängigen Kongo haben die Nachfahren seiner Mörder einen Ort zugeteilt, der ihr Desinteresse schärfer konturiert als die vorherige Verweigerung des Gedenkens.

Eine reizende alte Bimmelbahn brachte mich hinaus nach Tervuren, wo sich Leopold aus den Kautschukprofiten einen Kolonialpalast gönnte, heute das weltgrößte Zentralafrika-Museum mit sagenhaften 180.000 Objekten. Nach fünf Jahren Umbau spürt man das Bemühen, sich von der Vergangenheit abzusetzen, doch ohne ihr wirklich ins Gesicht zu sehen.

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Englische Clowns voll dekoriert.

In der zentralen Rotunde des königlichen Museums stehen die Skulpturen des Ensembles „Belgien bringt dem Kongo die Zivilisation“. Die belgischen Wohltäter sind vergoldet und allesamt größer als die Afrikaner, nackte, dunkle, muskulöse Körper bei manueller Arbeit. Das Ensemble wird als Propaganda ausgewiesen, steht aber gleichwohl unter Denkmalschutz. Was genau wird hier geschützt? Als der Bildhauer Arsène Matton im frühen 20. Jahrhundert die Skulpturen schuf, war Leopold tot, Kongo nunmehr staatliche Kolonie, und die furchtbaren Verbrechen im Freistaat waren international bekannt. Die Rotunde war schon damals ein opulentes Zeugnis der Verdrängung, und selbige genießt nun den Schutz.

Eine neue helle Holzskulptur des kongolesischen Künstlers Aimé Mpane fügt sich farblich harmonisch ein in die hohe Rotunde. Der dunkel-gedrungenen Körperlichkeit der kolonialen Plastiken wird der afrikanische Mensch als großer Kopf, als Vergeistigter entgegengesetzt. Ein dekorativer, höflicher Einspruch. Solche Interventionen sind nun à la mode; sie wirken wie bestellte und bezahlte Feigenblätter.

Quelle          :            TAZ           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben        —       Royal Palace of Brussels (Belgium).

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