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RENTENANGST

Null Rosen dem Staatsanwalt

Erstellt von Redaktion am Sonntag 28. April 2019

Die Affäre um das »Zentrum für politische Schönheit«

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Von Frederik Schindler

Die Ermittlungen gegen das »Zentrum für politische Schönheit« wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden eingestellt. Es war allerdings nicht der erste Fall, in dem der zuständige Staatsanwalt ­politisch tendenziöse Entscheidungen traf.

»Deswegen ist diese Künstlergruppe auch keine Künstlergruppe. Sie ist eine kriminelle Vereinigung, ja eine terroristische Vereinigung.« Das sagte der thüringische Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD sowie Gründer der völkischen AfD-Gruppe »Der Flügel«, Björn Höcke, im November 2017 über das »Zentrum für politische Schönheit« (ZPS) auf dem »Souveränitätskongress« des verschwörungsideologischen Magazins Compact. Nur drei Tage zuvor hatten Mitglieder der Künstlergruppe eine Nachbildung des Berliner Holocaust-Mahnmals auf einem an­gemieteten Grundstück neben Höckes Wohnhaus in Bornhagen aufgestellt und verkündet, Höckes Wohnsitz monatelang observiert zu haben. Wer so ­etwas tue, sei ein Terrorist, sagte der rechtsextreme Politiker auf dem Kongress in Leipzig.

»Fickt euch« und »Heil Hitler«? Für Staatsanwalt Martin Zschächner kein Grund, zu ermitteln.

In der vergangenen Woche wurde durch eine parlamentarische Anfrage des thüringischen Landtagsabgeordneten Steffen Dittes (»Die Linke«) bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Gera bereits seit dem 29. November 2017 wegen des Verstoßes gegen den ­Paragraphen 129 des Strafgesetzbuchs, also wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, gegen den Gründer des ZPS, Philipp Ruch, ermittelte. Der Grund: die Erklärung der Künstlergruppe, Höcke beobachtet zu haben.

Der Staatsanwalt Martin Zschächner war zuständig für die Ermittlungen, nach Bekanntwerden des Verfahrens geriet er selbst in die Schlagzeilen. ­Sogar in die New York Times, die wohl einflussreichste Zeitung der Welt, hat er es geschafft. Katja Kipping, die Vorsitzende der Linkspartei, bezeichnete ihn auf Twitter als einen »Staatsanwalt, der’s Rechten recht macht«. Das ZPS selbst spricht von der »Gesinnungs­justiz in Thüringen«.

Recherchen von Zeit Online zufolge spendete der Staatsanwalt im April 2018 30 Euro an die AfD. Kipping gibt an, Drohungen und üble Beleidigungen eines AfD-Politikers angezeigt zu haben. Dieser habe mitgeteilt, Kipping »am Spieß braten« zu wollen. Doch Zschächner stellte das Verfahren ein. In der ­Begründung heißt es, es handle sich bei der Aussage um »bloße, dem Duktus revolutionärer Romantik entnommene Großsprecherei bildlichen Charakters ohne ausreichende tatsächliche Basis«.

Zschächner hat schon häufiger ähn­liche Entscheidungen getroffen. Der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Köln hatte einen Facebook-Kommentator, der die Worte »Fickt euch« und die rechtsextremen Codes »88« und »HH« (beide für »Heil Hitler«) hinterlassen hatte, wegen Beleidigung angezeigt. Zschächner stellte auch dieses Verfahren ein: Der Ausruf sei nicht ehrverletzend. Im September 2017 stellte er ein Verfahren gegen ein AfD-Mitglied ein, das wegen rassistischer Tweets angezeigt worden war. Die Äußerung, »Afros« seien nicht »wie wir«, sondern »Urmenschen«, die »in eine Zivilisation hineingezwungen worden« seien, sei »weder beschimpfend noch böswillig verächtlichmachend«, sondern »eine wertende Äußerung zur menschlichen Kultur- und ­Zivilisationsgeschichte, die von der Meinungsfreiheit gedeckt« sei, schrieb Zschächner.

Marsch der Entschlossenen - Gräber vor dem Bundestag (18406716313).jpg

Nachdem im Bundestagswahlkampf 2017 auf einer Wahlkampfdemonst­ration der AfD in Jena das bei rechtsextremen Fußballfans bekannte ­»U-Bahnlied« gesungen worden war, stellte Zschächner das Verfahren ­wegen Volksverhetzung ebenfalls mit einer diffusen Begründung ein. »Eine ­U-Bahn bauen wir. Von der JG bis Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir«, hatten mehrere Demonstranten gesungen, adressiert an die Junge Gemeinde (JG) der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Jena. Diese hatte damals eine Demonstration gegen die AfD-Kundgebung angemeldet. Die JG habe sich damit »freiwillig in die Sphäre des politischen Meinungskampfes und insbesondere des Wahlkampfes begeben, sich dessen (harten) Regeln unterworfen«, heißt es in der Begründung der Einstellung des Verfahrens, die der Jungle World vorliegt. Da die JG sich auch auf polemisierende Weise in Richtung der AfD geäußert habe, müsste sie »derbe und unter Umständen gerade auch auf diese Zuschreibung anspielende Äußerungen hinnehmen«, schrieb Zschächner darin weiter.

Quelle      :       Jungle World           >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle        :

Oben     —        Nachbildung des Berliner Holocaust-Mahnmals in der Friedensstraße 25 in Bornhagen, Deutschland.

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