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Erstellt von Redaktion am Montag 30. Dezember 2019

Das Jahrzehnt Merkels und Putins

Kolumne von Friedrich Küppersbusch

Zehn Jahre Krisen, Katastrophen, Kulturkämpfe – und am Ende gewinnt immer Angela Merkel. Der alles entscheidende Rückblick.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht im vergangenen Jahrzehnt?

Friedrich Küppersbusch: 2010 formulierte Bundespräsident Horst Köhler nach einem Truppenbesuch in Afghanistan: „Ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit (muss wissen), dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege.“ Heftige Reaktionen gegen grundgesetzwidrige Kriege für wirtschaftliche Interessen folgten; Köhler vermisste darin „den notwendigen Respekt für mein Amt“ und erklärte seinen Rücktritt.

Und was wird besser im nächsten?

2019 formuliert CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerien Kramp-Karrenbauer vor Führungskräften der Bundeswehr: „Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen. Deutschland muss den Mut haben, die Rolle als Gestaltungsmacht anzunehmen.“ Als ersten Gestaltungsvorschlag haut sie noch einen völkerrechtswidrigen Einmarsch in Syrien raus – dann schweigt der See, kein Hahn kräht. Wir sind dem Krieg in zehn Jahren einen Krampköhler nähergekommen.

Im Jahr 2010 regierte in Deutschland eine ganz frische schwarz-gelbe Koalition mit Angela Merkel, Guido Westerwelle und Karl-Theodor […] von und zu Guttenberg. Haben Sie irgendwelche Erinnerungen daran?

Nach dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ gingen den Liberalen die Ideen aus, und dann auch gleich die Liberalen. Der Hauptaktionär von „Mövenpick“ hatte der FDP 1,1 Mio € gespendet, so gleißte die Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen als „Mövenpicksteuer“ aus dem Konvolut hervor – und die FDP war blamiert. Sie rächte sich an Westerwelle in Gestalt vergessener Komparsen wie Dirk Niebel, Daniel Bahr und Philipp Rösler, der Gesundheits- und Wirtschaftsminister wurde und gar Vizekanzler. Top-Witz 2010: „Kommen ein Vietnamese, eine FDJ-Sekretärin, ein Rollifahrer und ein Schwuler in eine sächsische Kneipe. Sagt der Wirt: Raus! Sagen die vier: Hey, wir sind die Bundesregierung.“ Auch Franz-Josef Jung, Ronald Pofalla, Ilse Aigner und Hans-Peter Friedrich hatte kurze Cameo-Auftritte im Kabinett, das war’s. Merkel ritt die perfekte Welle aus harmlosem Koalitionspartner und geerbter Agenda; die Legislatur war eine Promostrecke für „Groko kann kaum schlimmer sein“.

Nach einer Reaktorkatastrophe in Japan wurde Winfried Kretschmann 2011 der erste Ministerpräsident der Grünen. Was war schlimmer?

Die Laufzeitverlängerung, die Eon, Vattenfall, RWE und EnBW just der Bundesregierung abhökerten. Kanzlerin Merkel hatte die Altmeiler gerade um weitere 8 bis 14 Jahre begnadigt, da überraschte sie mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg vom Ausstieg: Der rot-grüne „Atomkonsens“ sollte nun gar übertroffen werden. Den Grünen blieb das makabre Glück ein Jahrzehnt treu: Die Europawahl 2019 gewann ihnen die „Fridays for Future“-Bewegung, die Bayernwahl ein Bienenvolksbegehren und die Großdemo am Hambacher Forst. Unterwegs gab es den Abgasbetrug der deutschen Autoindustrie – weswegen ein VW-Chef heute schon mal demütiger und grüner klingt als, sagen wir mal, der grüne MP von BaWü.

Spanien wurde 2012 in Polen und der Ukraine Fußball-Europameister. Parallel dazu stritt Westeuropa über Schulden, Rettungspakete und Finanzen. Wer konnte das Endspiel um den Euro für sich entscheiden?

Halbzeit! Auf dem Weg vom „beliebtesten Nachbarn“ beim „Sommermärchen“ 2006 hin zum Dickdumpfdeutschen heute. Mit „Rettungsschirmen“ und „Faszilitäten“ parfümierte Kanzlerin Merkel den kargen Dung, der für die Euro-Opfer-Länder blieb: Sozialabbau, Schuldendienst. Merkel gewann den europäischen Kulturkampf: eiserne Kasse gegen gelegentliche Inflation. Niemand sagt, dass Sieger sympathisch sind.

Genervt von der Eurokrise und in großer Trauer um die D-Mark gründet 2013 ein Wirtschaftsprofessor eine neue Partei, die „Alternative für Deutschland“. Sechs Jahre später kann er noch nicht mal mehr in Ruhe Vorlesungen halten. Was ist da schiefgelaufen?

Quelle     :           TAZ          >>>>>           weiterlesen

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