DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Jean Ziegler über die UNO

Erstellt von Redaktion am Sonntag 27. September 2015

Soziologe über die UNO
„Eine jämmerliche Weltmacht“

Die UN verabschieden ihre neuen Entwicklungsziele. Jean Ziegler, Mitglied im UN-Menschenrechtsrat, findet, die Agenda verschweige die Lösungen.

taz.am wochenende: Herr Ziegler, die UNO beschließt gerade in einem feierlichen Akt ihre „Ziele für nachhaltige Entwicklung“. Eines der Ziele ist sichere Migration, und, so steht es in der Charta, sie soll möglich gemacht werden durch gut organisierte Migrationspolitik. Gleichzeitig ertrinken im Mittelmeer Flüchtlinge. Wie passt das zusammen?

Jean Ziegler: Da muss man unterscheiden. Hier geht es um Flucht, nicht um Migration. Migration ist ein Menschenrecht, das in der allgemeinen Deklaration der Menschenrechte garantiert wird. Jeder darf sein Land verlassen und zurückkehren. Das Asylrecht der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 dagegen besagt, dass jeder, der aus rassistischen, politischen oder religiösen Gründen verfolgt wird, Grenzen überschreiten und Schutz suchen darf. Diese Rechte werden derzeit auch in Europa massiv verletzt. Und die EU reagiert nicht.

In den Zielen für nachhaltige Entwicklung stehen lauter gute Absichten: Demokratie, Wohlstand, Umweltschutz. Sie arbeiten selbst seit Langem in UN-Gremien. Was nützen diese Ziele, wenn sie in der Realität so wenig gelten?

Wenn die Ziele realisiert würden, wären sie eine unglaubliche Hilfe. Wenn Syrien oder Afghanistan Rechtsstaaten wären, dann würden die Leute auch nicht ihr Heil in der Flucht suchen. Aber das Problem bei den Entwicklungszielen ist – wie immer bei der UNO –, dass sie nichts über die Ursachen sagen. Ziel Nummer zwei heißt: den Hunger beenden. Kein Wort darüber, warum es Hunger gibt, das fürchterliche tägliche Massaker. Laut FAO, der Ernährungsorganisation der UNO, verhungert alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren. Das Ziel sagt nicht, was getan werden muss, um das zu beenden: Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel verbieten, die Überschuldung der ärmsten 50 Länder streichen, Landraub stoppen. Das Recht auf Saatgut, auf Dünger, auf Bewässerung, auf den Boden, auf dem die Familie lebt – das alles muss in einer Konvention für die Rechte der Bauern festgelegt werden. Aber diese Konvention kommt in der UNO nicht durch. Dann gibt es das Problem der Wirtschaftsflüchtlinge, die in der Flüchtlingskonvention von 1951 nicht vorgesehen sind. Um sie aufzunehmen, müssen wir die Konvention neu verhandeln.

Ist das realistisch? Außer Ihnen redet davon niemand.

Weil alle Angst haben, dass dann die gesamte Konvention zerstört würde. Es gibt inzwischen auch in Europa so viele fremdenfeindliche Kräfte, die am liebsten die Flüchtlingskonvention abschaffen würden.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

—————————————————————————————————————————

Fotoquelle: Wikipedia – Author Noborder Network

This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>