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Irgendwer muss es ja tun

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 24. Januar 2019

Jugendliche protestieren für Klimaschutz

2017 COP 23 demo in Bonn. Spielvogel 7.jpg

Aber bitte nicht den Unterricht vernachlässigen, sonst sind eure Köpfe später gleich leer wie die der meisten Politiker und ihr müsst in deren Fußstapfen treten, um euren Lebensunterhalt zu verdienen.

von Sinan Recber

Am Freitag demonstrieren Tausende Schüler in Berlin für mehr Klimaschutz. Dort will die Kohlekommission ihre Empfehlungen vorstellen.

Warum heute zur Schule, wenn ich morgen keine Welt mehr habe?“ steht auf dem selbst gebastelten Schild der 11-jährigen Elise. An einem frostigen Freitagmorgen steht die Schülerin vor dem Bundestag und schwänzt den Unterricht, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Ihre beiden Klassenkameradinnen und Hunderte andere Schüler*innen sind dabei. „Ich finde, es ist eine Sauerei, dass die Erwachsenen unsere Welt zerstören“, beschwert sich Elise. Ihre Freundin Ida sagt: „Den Erwachsenen ist der Klimawandel einfach egal. Die denken: Wenn es richtig schlimm wird, bin ich eh schon tot, und solange ich lebe, kann ich noch rumsauen.“

Wie Elise und Ida gehen jeden Freitag weltweit Zehntausende Schü­ler*in­nen auf die Straße. Auch im Netz fordern sie – unter dem Hashtag #FridaysForFuture – die Politik zum Handeln auf. Seit Beginn der Proteste im Dezember nimmt die Bewegung für mehr Klimaschutz Fahrt auf: Waren es vor einem Monat noch 15 deutsche Städte, in denen junge Menschen auf die Straße gingen und die Schule oder die Uni sausen ließen, sind es jetzt schon mehr als 50 Orte. Am Freitag soll es eine große Demonstration in Berlin geben. „Dafür werden junge Leute aus ganz Deutschland anreisen“, sagt ­Luisa Neubauer.

Alles dank Greta Thunberg

Die 22-jährige Studentin organisiert die Klimastreiks in Berlin mit. Der Protest am Freitag soll der bislang größte werden. Schließlich will die Kohlekommission dann ihre Ergebnisse vorstellen. Die Kohlekommission soll einen Plan für das Ende der Kohleverstromung in Deutschland ausarbeiten. In ihr sitzen Vertreter*innen von Umweltverbänden, Wissenschaft, Industrie und Gewerkschaften.

Wie viele es am Ende werden, wissen die Veranstalter*innen nicht. Vergangenen Freitag waren es landesweit jedenfalls 25.000 Schüler*innen, twitterte der Account „Fridays For Future“. Unter anderem waren 1.000 Schüler*innen in München, 2.000 in Augsburg und 4.000 in Freiburg im Streik. Die meisten in Berlin wurden durch Freunde über den Messengerdienst WhatsApp mobilisiert oder über soziale Medien wie Instagram-Stories und Snapchat.

Ihren Anfang nahm die „Fridays For Future“-Bewegung, als die damals 15-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg im Sommer 2018 vor dem schwedischen Reichstag in Stockholm demonstrierte, statt die Schulbank zu drücken. „Skolstrejk för klimatet“, also „Schulstreik für das Klima“ hatte auf ihrem Schild gestanden. Derzeit ist die junge Schwedin auf dem Weg zum Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sie eine Rede über die Folgen der globalen Erwärmung halten wird.

Junge Union hat für die Bewegung nur Spott über

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Soll für Demos der Unterricht ausfallen?

von Ralf Pauli
ja,

denn eigentlich müssten die KultusministerInnen dankbar sein. Vor wenigen Monaten beschlossen sie, die Demokratieerziehung an den Schulen zu stärken. Eine reichlich späte Einsicht. Schließlich hören Jugendliche in manchen Bundesländern erstmals in der zehnten Klasse von Wahlen, Pluralismus, Streikrecht. Noch schlimmer: An vielen Schulen des Landes sind menschenfeindliche Einstellungen heute so weit verbreitet, dass selbst CDU-regierte Länder Alarm schlagen. Logische Schlussfolgerung: Kinder sollen sich stärker und früher mit der Rolle der Zivilgesellschaft beschäftigen. Noch besser: Sie engagieren sich gleich selbst. So wünschen es sich die BildungsministerInnen. Wer beim Bund Naturschutz aktiv ist, bekommt künftig einen lobenden Vermerk im Zeugnis.

Wie passt es da zusammen, dass SchülerInnen, die seit Wochen für die Rettung unseres Planeten – und gegen die deutsche Kohlelobby – demons­trieren, mit Sanktionen von ihrer Schule rechnen müssen? Schon klar, weil sie den Unterricht schwänzen. Das aber müsste nicht sein, wenn die Schulen Klimademos nicht als Privatkram abstempeln, sondern als Chance für den Unterricht erkennen würden: Also als gesellschaftlich hochrelevantes Thema, das man endlich mal anhand eines hochaktuellen „Stoffes“ darstellen kann. Ob das Ganze dann im Ethik-, Sozialkunde- oder Erdkundeunterricht läuft, ist schnuppe. Wichtig ist doch: dass sich SchülerInnen mit dem Klimawandel, der Kohlekommission, den sozialen Folgen von deren Empfehlungen auseinandersetzen. Und – viel wichtiger: die Erfahrung, wie sie in unserer Demokratie Missstände ansprechen, mit Argumenten streiten – und bestenfalls mit ihrer Meinung Gehör finden.

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von Klaus Hilllenbrand

Nein

die Schule muss nachgeholt werden. Es ist großartig, wenn Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür den Unterricht schwänzen, so wie an diesem Freitag. Denn sie, die Jungen, werden einmal ausbaden müssen, was wir, die Älteren, versaut haben. Ein Grund, die Kinder deswegen vom Unterricht zu befreien, ist es allerdings nicht.

Wohlmeinende Lehrer bewerten die Schulstreiks als eine Praxisübung für das Mitwirken in einer Demokratie. Das Engagement gegen den Klimawandel sei quasi förderungswürdig – und deshalb gibt es unterrichtsfrei. Diese positive Einschätzung mag zwar inhaltlich völlig richtig sein. Sie verkennt aber, wie leicht man dabei in den Fußangeln der Demokratie ins Stolpern geraten kann. Denn zur Demokratie zählt zweifellos auch die Meinungsfreiheit. Und diese erlaubt eben auch Aktionen, die weniger Lob finden dürften.

Quelle     :      TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle      :        demo in Bonn at the beginning of COP 23, November 4, 2017. Photo taken in Bonn at Genscherallee.

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