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Kinder – für den Staat?

Erstellt von Redaktion am Sonntag 9. Dezember 2018

Schenkt dem Vaterland ein Kind

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Populismus

In Italien ging das schon immer besser.

Von Cinzia Sciuto

Nicht nur wegen des aktuellen Haushaltsstreits sollte die EU skeptisch auf die Entwicklungen in Italien schauen. Europaweit mühsam errungene Zivil- und Frauenrechte werden gerade zurückgedreht.

in Gespenst geht um in Europa und erschreckt Märkte und Regierungen: der Italexit. Noch wissen wir nicht, wie das Tauziehen um das Haushaltsgesetz und die Machtprobe zwischen der italienischen Regierung und Europa ausgehen wird. Was aber bereits jetzt passiert, unbemerkt von Europa, ist ein klammheimlicher EU-Ausstieg Italiens im Bereich der Zivilrechte. Die gegenwärtige populistische Regierung setzt ganz Italien in eine Zeitmaschine, die uns weit zurückzuwerfen droht, besonders was die Frauenrechte angeht. Ein Rechtsruck nach polnischem Vorbild, der unter aller Augen stattfindet und mindestens so sehr alarmieren sollte wie die Haushaltsfrage.

Denn auch in Italien hebt die fundamentalistische Rechte des Katholizismus ihr Haupt, und sie verfügt über beste Verbindungen in die Regierung. Den ersten Vorgeschmack gab schon die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft: Weg mit dem Ministerium für Chancengleichheit, es gibt nun ein Ministerium für Familie und Menschen mit Behinderung. Schon die Namensänderung bezeichnet einen präzisen kulturellen und politischen Horizont: Am Herzen liegt dieser Regierung nicht Chancengleichheit – insbesondere von Männern und Frauen –, sondern die Unterstützung des sogenannten traditionellen Familienmodells, das Frauen möglichst an den heimischen Herd zurückschickt (wo sie sich vermutlich auch um Menschen mit Behinderung kümmern sollen).

Dieser kulturelle Ansatz schlägt sich auch im vieldiskutierten Haushaltsgesetz nieder; anstelle einer seriösen Politik zur Förderung weiblicher Erwerbstätigkeit und der Sozialsysteme sieht es unter anderem vor, dass Familien, die in den drei Jahren von 2019 bis 2021 ein drittes Kind bekommen, sich um ein öffentliches oder brachliegendes Grundstück bewerben können, mit Förderkredit für den Kauf einer nahegelegenen Immobilie. Schenkt dem Vaterland ein Kind, das Vaterland wird euch mit Land bezahlen!

An die Spitze des Familienministeriums wurde Lorenzo Fontana berufen. Der Mann ist davon überzeugt, dass eine fabulöse „Gendertheorie“ existiert, die für die Auflösung der traditionellen Familie verantwortlich sei. Er ist ein Gegner der Lebenspartnerschaft. Er steht der extremen Rechten von Verona nahe. Und er ist vor allem ein erbitterter Gegner des weiblichen Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Als solcher ist er Mitglied des ComitatoNo194 (das auch von der faschistischen Forza Nuova unterstützt wird). Es fordert nicht nur die Abschaffung des Gesetzes 194/1978 – das in Italien den Schwangerschaftsabbruch regelt –, sondern sogar Gefängnisstrafen (zwischen acht und zwölf Jahren) für abtreibende Frauen und Ärzte, die Abbrüche durchführen.

File:Bundesarchiv Bild 183-J06142, Verleihung des Ehrenkreuzes der deutschen Mutter.jpg

In diesem angeheizten Klima verwundert es nicht, dass in einigen italienischen Städten Anträge gestellt – und in einigen Fällen auch genehmigt – wurden, Organisationen von Abtreibungsgegnern zu unterstützen. An die Spitze setzte sich Verona, nicht zufällig Fontanas Heimatstadt, wo sich der Gemeinderat im Oktober mit 21 Jastimmen und 6 Gegenstimmen dazu verpflichtete, ultrakatholische sogenannte Prolife-Organisationen zu finanzieren, und Verona überdies zur „Stadt des Lebens“ erklärte.

Bereits heute kann das Gesetz 194 nur unzureichend umgesetzt werden. Denn die sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen ist weit verbreitet – und vielfach vorgeschoben: Durchschnittlich 70 Prozent der italienischen Gynäkologen weigern sich, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, mit Spitzen von 98 Prozent in Teilen des Landes. Erst kürzlich wurde ein Krankenhausarzt fristlos entlassen, weil er sich geweigert hatte, eine Frau zu behandeln, die in der 18. Woche eine Fehlgeburt erlitten hatte und dringender Hilfe bedurfte. Die Frau wäre wahrscheinlich gestorben, wenn nicht ein Kollege eingesprungen wäre, der gar nicht im Dienst war.

Quelle      :    TAZ           >>>>>          weiterlesen

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Grafiquellen        :

Oben       —        Oxfordian Kissuth / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

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Unten    —          Verleihung des Ehrenkreuzes der deutschen Mutter Info non-talk.svg  17. 05. 1943

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Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-J06142 / CC-BY-SA 3.0

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