Impressionen einer Reise
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 1. Juli 2020
Frankreich: am Ende der ’Ausgangsbeschränkung’(1)
Vue de l’autoroute A7, longeant ici le Rhône à droite, et la ville de Valence à gauche.
Quelle : Scharf — Links
Von Dr. Nikolaus Götz
Die Rede von Emmanuel Macron vom 14. Juni 2020 war von allen Frankreichliebhabern mit großer Spannung erwartet worden, da er darin die lang ersehnte frohe Botschaft über die EU-weit vereinbarte Rücknahme der Reisebegrenzung verkündete. Nicht nur, dass sich wieder alle Franzosen innerhalb von Frankreich grenzenlos frei bewegen durften, auch der Sommeransturm der Touristen auf die schönsten Reiseplätze in Frankteich zu den breiten Sandstränden des Atlantiks oder an die der beliebten Côte d’ Azur konnte beginnen. Natürlich gehörten auch die frankophilen Saarländer neben den vielen BeNeLuxlern zu den Reiseteilnehmern, die sich an vorderster Urlaubswelle wieder im ’Midi’ beispielsweise bei Perpignan vor Spanien in Argelès sur Mer, bei Montpellier in Palavas les Flots, in der Camargue in Le Grau du Roi oder La Motte und endlich auch bei Marseille in Cassis ins ’kühle Nass’(2) stürzen wollten.
Auf der fast leeren französischen Autobahn gegen Süden warnten noch die regelmäßigen Leuchthinweise mit ’Corona 19’: ’Schützen Sie sich’ oder ’Halten Sie Abstand’ die Besucher weithin sichtbar und erinnerten alle Touristen daran, dass 2020 ein besonderes Reisejahr ist. Aber in nur 15 Minuten durch das Verkehrsnadelöhr Lyon, mitten durch die Stadt entlang der Rhone und ohne Stau, das war unglaublich! Unter den weithin hörbaren Musikklängen des Liedes von Altrocker Johnny Hallyday„…allumer le feu…“ (dt.: das Feuer anfachen) konnte der individuelle Beitrag zur Rettung der dahinsiechenden französischen Camping- Hotel- und Gastronomiestruktur beginnen. Kaum belegt waren nämlich die Quartiere. Die vielen freien Plätze in den Restaurants der Badeorte zeigten, dass auch das französische Gewerbesystem von der Corona-Krise des Jahres 2020 hart getroffen worden war. Die Betreiber hatten für die aktuelle Saison kaum die ansonst üblichen Hilfskräfte an studentischen Jobbern oder saisonalen Arbeitern eingestellt, und an der gesamten Côte gab es kein einziges Exemplar der Zeitung ’Le Monde’ zu kaufen! Dieser offensichtliche ’Zusammenbruch’ des bedeutendsten französischen Infomediums aus Paris zeigt die katastrophale Lage auf, in der sich die französische Zeitungsbranche im Moment befindet und ist gleichzeitig ein mehr als deutlicher Hinweis auch auf die Krise der französischen Verteilungsbranche.
Zwar gab es die bunten Ferienpostkarten zu kaufen, jedoch waren im ’Tabac’ keine Briefmarken mehr da, und auch die Post hatte noch Corona-bedingt geschlossen! Die typischen Touristenshops waren gefüllt mit diesem absolut überflüssigen Urlaubskram an Nippes und Souvenirs, wobei der Erwerb eines baumwollnen T-Shirts mit dem aufgedruckten Namen des Badeortes noch am sinnvollsten erschien, um den örtlichen Kioskbetreiber finanziell zu retten. Nur in den Cafés kam scheinbar musikalischer Prostest gegen Corona 2020 auf, da von überall her, erstaunlich oft, der alte Song von Michel Sardou „J’accuse“/„Ich klage an“ (3) aus dem Jahr 1976 (!!!) gespielt wurde. Ob das aber der neuen ökologischen Bewegung ’Fridays For Future’ geschuldet oder einfach eine Überinterpretation an kritischer, französischer Protesthaltung gegen Corona, in Wahrnehmung durch den Autor war, sei dahingestellt. Und die französischen, politisch engagierten Dialogpartner platzten förmlich vor Spott und Häme, als sie uns fast einzigsten „Deutschen“ vor Ort endlich den neusten innerfranzösischen Witz erzählen konnten, der in Frankreich über die neue deutsche starke Frau und Parteivorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, seine Runden zieht: „AKK dans la Mercedes!“ Übersetzung: „Scheiße im Mercedes!(4). Die besondere Liebe der Franzosen zu den Deutschen und ihren Politikern wird selbst bei solch kräftigen Bekenntnissen überdeutlich! Und so wartet jetzt ganz Frankreich voller Sehnsucht auf die geldbringenden deutschen Touristen.
1 Der französische Begriff des ’confinement’ ist äquivalent mit dem in Deutschland verwendeten Begriff der ’Ausgangsbeschränkung’.
2 Franzosen umschreiben die ’frische’ Wassertemperatur mit: „Elle [l’eau/la mer] est ’bonne’!“ Übersetzung: Es [das Wasser/das Meer] ist gut/angenehm.
3: „Ich klage an“: Lied von Michel Sardou
J’accuse:
J’accuse les hommes un par un et en groupe
J’accuse les hommes de cracher dans leur soupe
D’assassiner la poule aux oeufs d’argent
De ne prévoir que le bout de leur temps
J’accuse les hommes de salir les torrents
D’empoisonner le sable des enfants
De névroser l’âme des pauvres gens
De nécroser le fond des océans
J’accuse les hommes de violer les étoiles
Pour faire bander le Cap Canaveral
De se repaître de sexe et de sang
Pour oublier qu’ils sont des impuissants
De rassembler les génies du néant
De pétroler l’aile des goélands
D’atomiser le peu d’air qu’ils respirent
De s’enfumer pour moins se voir mourir
J’accuse
J’accuse les hommes de crimes sans pardon
Au nom d’un homme ou d’une religion
J’accuse les hommes de croire des hypocrites
Moitié pédés moitié hermaphrodites
Qui jouent les durs pour enfoncer du beurre
Et s’agenouillent aussitôt qu’ils ont peur
J’accuse les hommes de se croire des surhommes
Alors qu’ils sont bêtes à croquer la pomme
J’accuse les hommes je veux qu’on les condamne
Au maximum qu’on arrache leur âme
Et qu’on la jette aux rats et aux cochons
Pour voir comment eux ils s’en serviront
J’accuse les hommes en un mot comme en cent
J’accuse les hommes d’être bête et méchants
Bêtes à marcher au pas des régiments
De n’être pas des hommes tout simplement
4) ’AKK’: Die Namensabkürzung schlecht artikuliert doch in Hochfranzösisch: „Un caca dans la Mercedes: Übersetzung: „Scheiße im Mercedes!“
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Grafikquelle : Vue de l’autoroute A7, longeant ici le Rhône à droite, et la ville de Valence à gauche.
Author | Florian Pépellin |
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