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RENTENANGST

postkoloniales – Treibhaus

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 9. August 2018

Über die Hitze, die Angst und den Zustand unseres Bewusstseins

Ähnlich sieht es im Park hinter dem Haus in Köln schon aus. Nur die alten Bäumen zaubern noch ein wenig grün in die Landschaft.

ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Viele spüren in diesem endlos langen Sommer erstmals die Angst. Es ist die Angst, die Grundlagen unseres Lebens könnten sich auf eine Weise ändern, die wir für die nähere Zukunft keineswegs in Betracht gezogen hatten. Mit stummer Gewalt hat der Klimawandel unsere Vorgärten betreten, ein ungebetener Gast, der sich das Recht auf dauerhaften Aufenthalt durch einen Tritt gegen den Gartenzaun genommen hat.

Dass die Hitze gerade in diesem Sommer derart auf den Plan tritt, auf unsere schlechten Pläne, hat etwas Alttestamentarisches. Als reckte sich eine rächende Faust aus der Sonne, weil wir nicht dafür gesorgt haben, dass sich die Wasser des Meeres für Bedürftige teilten, und weil wir Seebrücken nur aus luftigen Metaphern bauen.

Schlichter und glaubensfern formuliert: Dieser Sommer hält eine Botschaft bereit, nicht nur in Gestalt eines ökologischen Alarmsignals, sondern als eine Hilfe zur Selbsterkenntnis. Zur Erkenntnis, was wir sind und haben, und wie wir sein müssten, um es zu bewahren.

Niemand hungert in diesem Land, wenn tonnenweise toter Fisch aus Gewässern geschaufelt wird. Niemanden dürstet, wenn Seen in sich zusammensacken, und keine Familie wird aus­ein­andergerissen, wenn Wälder brennen. Wirklich knapp werden nur die Plätze in Freibädern, und deswegen lagen manchen bereits die Nerven blank. Polizei wurde gerufen, um etwas zu bekämpfen, was wir vielleicht später, wenn es richtig ernst wird, Hitze-Riots nennen werden.

In einem überfüllten Bus, dessen Lüftung nicht funktionierte, waren die erregt Schwitzenden kaum mehr bereit, gegenüber den Schwächsten Rücksicht walten zu lassen; jeder war sich nur noch selbst der Nächste. Eine solche Szene enthält einen mikroskopischen Teil der Botschaft dieses Sommers, und ich würde mir wünschen, dass viele sie verstehen. (Man muss dafür gar nicht so derb sein und den Bus der fehlenden Rücksicht mit einem Schlauchboot auf hoher See vergleichen.)

File:Oxfam East Africa - SomalilandDrought011.jpg

Nur die Ziege von Böhmermann kommt an das Grün der Bäume nicht heran

Es bedarf nur weniger Grade permanenter Erwärmung, und alles, was wir als haltbar und belastbar erachten, kann im Nu zerschellen – auch der zivilisatorische Grund, auf dem wir zu stehen glauben. Wer sich in diesem Sommer von der Angst um die Grundlagen unseres Lebens berühren lässt, mag besser nachvollziehen können, wie es passiert, dass Menschen zu Flüchtlingen werden, ohne die Kategorien nördlicher Weltbetrachtung passgenau erfüllen zu können. Klimawandel kann ein Grund zur Flucht sein, obwohl die Geflüchteten keinen Nachweis erbringen können, von der Sonne individuell verfolgt zu werden.

Zwischen dem sogenannten Wirtschaftsflüchtling einerseits und dem klassisch-politisch Verfolgten andererseits klafft etwas großes Namenloses: all jenes kollektive Schicksal, das aus globalem Unrecht resultiert.

Quelle     :       TAZ         >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben    —     Ausgetrocknete Wiese bei Kaarst, Deutschland am 8. Juli 2018

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Unten    —       Aden Jama takes one of his few remaining goats out to look for pasture. As the drought has worsened he and his family have lost many of their animals and had to move closer to the village and the water trucking site.

Urheber  –   Oxfam East Africa     /   Quelle   —

Flickr: SomalilandDrought011
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