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I can see clearly now.

Erstellt von Redaktion am Montag 12. März 2018

Da draußen sind Monster

File:2015-12 Ralf Stegner SPD Bundesparteitag by Olaf Kosinsky-5.jpg

Von Tom Strohschneider

GroKo Diese Regierung ist der letzte Gruß einer untergehenden Zeit. Begreifen die Parteien, was nun kommt?

Ralf Stegner war es, der an jenem Sonntagmorgen den entscheidenden Wink vorab gab. „Mein Musiktipp für euch da draußen im digitalen Orbit ist von Johnny Nash“, twitterte der SPD-Vize, während vor dem Willy-Brandt-Haus die Journalisten noch darauf warteten, den Ausgang des Mitgliederentscheids zur Großen Koalition zu erfahren. Der Song, den Ralf Stegner empfahl: I can see clearly now.

Sein musikalischer Vorgriff wurde bald darauf zu einem offiziellen Ergebnis: 66 Prozent der Mitglieder, die abstimmten, haben sich für ein erneutes Bündnis mit Angela Merkels Union ausgesprochen. Was heißt das für die Sozialdemokratie, deren Erneuerungsabsichten, für die ganze politische Landschaft? Sieht die SPD nun klarer?

Darüber sagt das Votum gar nicht so viel, wie manche meinen. Auch wird man über die Zukunft von Sozialdemokratie und Bundespolitik nicht viel Erkenntnis erhalten, wenn man sich über das freudlose Gesicht von Kommissar Olaf Scholz echauffiert. Parolen von der „staatspolitischen Verantwortung“ lenken ebenso von der Sache ab. Und die Untergangsgesänge, die vom baldigen Ableben der SPD künden, sind erst einmal nur eine pessimistische Wette auf die Zukunft.

Was also lässt sich sagen über diese dritte Große Koalition seit 2005? Vielleicht dies: Die Regierung, die nun ins Amt kommt, ist eine des Übergangs, das letzte Bündnis, in dem noch die alte Nachwende-Bundesrepublik steckt. Kommende Wahlen werden nicht mehr am Maßstab einer Vergangenheit gemessen, in der Volksparteien in relativ klaren Lagerordnungen unter Zuhilfenahme von kleineren „Funktionsfraktionen“ Mehrheiten bilden. Kommende Regierungen werden nicht mehr auf 177 Seiten Koalitionsvertrag die traditionelle Kompromisskultur fortsetzen, in der viel Kleinteiligkeit herrscht und irgendwie für jeden etwas dabei ist, nur keine Ambition zur großen Veränderung.

Der Koalitionsvertrag ist ein Antrag auf Fristverlängerung. Es soll erst mal so weitergehen, wie es in den vergangenen Jahren lief. Aber, und das ist der springende Punkt: Weil es so lief und weil das Folgen hatte, geht diese Zeit nun zu Ende. Aber was kommt, ist unklar. Das Gespür dafür, dass etwas Neues ansteht, ja kommen wird, ist verbreitet. Es zeigt sich im oft artikulierten Bedürfnis nach neuer Sammlung, nach neuen Aufbrüchen, nach neuen Erzählungen (siehe Seite 4). Weil aber das Wissen darum fehlt oder noch unausgereift ist, wie dieses Neue aussehen könnte und was auf dem Weg dorthin alles passieren kann, herrscht vor allem Unsicherheit.

Wer an diesem Sonntag in die Gesichter von SPD-Politikern schaute, bekam davon einen Eindruck. Die zur Schau getragene Selbstsicherheit mancher Parteioberen, was den Ausgang angeht, war nur eine andere Ausdrucksform dieser Unsicherheit. Umgekehrt merkte man den Kritikern der Großen Koalition an, dass sie sich über die praktische Verbindung zwischen einem möglichen Nein und der Chance auf eine Wende hin zu einer sozialeren Politik keineswegs sicher waren.

Diese Unsicherheit wird noch verstärkt, weil da draußen die „Monster“ immer lauter werden – Monster, die der Italiener Antonio Gramsci als drohende Begleiterscheinung solcher Übergangszeiten ausgemacht hat. Die AfD ist so ein Monster.

Konfliktlinien spalten Parteien

Deshalb wird viel geredet über diese Partei. Darüber, was sie stark gemacht hat. Welche Ursachen bei den anderen Parteien liegen. Die einen verweisen auf die neoliberale Agenda-Politik der SPD, die wachsende Ungleichheit, die Entsicherung der Lebensläufe. Die anderen bemühen das schiefe Wort der „Flüchtlingskrise“, die in Wahrheit eine Krise der Solidarität ist, aber nun hierzulande die Diskussion über Migration und „Kontrolle“ so sehr nach rechts verschoben hat. Globalisierung, Digitalisierung, abgehängte Regionen – es mangelt nicht an Signalwörtern.

Es mangelt aber an stichhaltigen Erklärungen, die daraus eine Sicht auf die Dinge machen könnten, mit der man sich sicher werden könnte über das, was kommen wird.

Quelle    :    Der Freitag       >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen   :

Oben      —      Ralf Stegner SPD Bundesparteitag by Olaf Kosinsky-5.jpg

Dieses Foto ist von Olaf Kosinsky

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