Guter Bulle, böser Bulle?
Erstellt von Redaktion am Samstag 22. August 2020
Ein Debakel zwischen Macht und willigen Uniformen
Armin Schuster CDU – MDB „Was hier gerade läuft, ist eine völlig übertriebene Kampagne gegen die Polizei“
Von Christian Jacob und Konrad Litschko
Privat aufgenommene Videos von Polizeihandlungen zeigten in den vergangenen Tagen Fälle von Polizeigewalt. Dokumentiert ist darin, wie Jugendliche zusammengeschlagen werden oder Polizisten auf ihnen knien. Verantwortliche wiegeln oft noch ab.
In Frankfurt werden drei Polizisten suspendiert, nachdem zwei Videos von einem Vorfall am 15. August im Stadtteil Sachsenhausen bekannt geworden sind. Die Aufnahmen zeigen, wie mehrere Polizisten auf den jungen Festgenommenen einschlagen. Dieser hat sich zusammengekauert und versucht, den Kopf mit seinen Armen zu schützen. Ein Beamter tritt den Gefesselten.
In Düsseldorf wird gefilmt, wie ein Beamter bei einem Einsatz am vergangenen Samstag den Kopf eines 15-Jährigen mit seinem Knie auf den Boden drückte. Daraufhin gehen diverse Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft ein. Am Donnerstag erklärt das zuständige Landesamt, der Einsatz entspreche „den in der Ausbildung vermittelten zulässigen Techniken“.
Auch in Hamburg wurde in den vergangenen Tagen ein Polizeieinsatz gegen einen ebenfalls 15-Jährigen gefilmt. Der soll mit einem E-Scooter auf dem Bürgersteig gefahren sein. Auf dem Video ist zu sehen, wie sieben oder acht Beamte in Hamburg ihn niederringen. Es passiert vor einer Wand mit dem Graffiti-Schriftzug „I can’t breathe“ (ich kann nicht atmen) – in Anlehnung an Polizeigewalt in den USA. Als Polizisten ihn am Boden festhalten, ruft er offenbar: „Ich krieg keine Luft, ich krieg keine Luft.“
Und in Ingelheim werden Demonstranten in einem Tunnel mit Schlagstöcken und Pfefferspray so zusammengedrängt, dass Panik ausbricht.
Es sind Szenen, die alle in den vergangenen Tagen spielten, dokumentiert auf privaten Videos, viel geteilt auf sozialen Medien. Und die eine Debatte neu befeuern: Gibt es ein Problem mit Polizeigewalt auch in Deutschland?
Dabei wurde die Debatte bereits vor einigen Wochen schon einmal geführt. Im Juni hatte SPD-Chefin Saskia Esken nach gewalttätigen Polizeieinsätzen in den USA konstatiert, dass auch unter deutschen Beamten ein „latenter Rassismus“ existiere – und damit breite Kritik auf sich gezogen.
Nach einer taz-Kolumne über die Gewalt bei der Polizei drohte Bundesinnenminister Horst Seehofer gar mit einer Anzeige. Danach hatten sich alle in ihre Lager verschanzt: Polizei und Innenminister schlossen ihre Reihen, die PolizeikritikerInnen ebenso.
Auch diesmal ähneln sich die Reaktionen. Während im Netz die Polizei heftig kritisiert wird, forderte die rechte Deutsche Polizeigewerkschaft, PolizistInnen „den Rücken zu stärken“. Auch bei der liberaleren GDP erklärt ihr Vize Jörg Radek, die Beamten bräuchten „keine digitale Dresche, sondern realen Rückhalt“. Kritik an der Polizei sei erlaubt, in sozialen Medien werde diese aber zu oft zur „Hysterie“, der Kontext der Einsätze bleibe unberücksichtigt.
Dieses Mal indes gibt es auch andere Töne. Den Polizeivorfall in Düsseldorf kommentierte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zunächst „erschrocken“. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) nannte den Frankfurter Übergriff „völlig inakzeptabel“ und ein „dringend zu ahnendes Fehlverhalten“. In diesem Fall schritten noch vor Ort Polizisten gegen ihre Kollegen ein. Auch in Ingelheim wird gegen sechs Beamte ermittelt. Diesmal also gibt es tatsächlich Konsequenzen.
Ob diese Bestand haben, ist ungewiss. Die Zahl der wegen Gewalttaten verurteilten PolizistInnen ist weiterhin verschwindend gering. 2019 gab es laut Polizeilicher Kriminalstatistik 1.500 Körperverletzungen im Amt – in etwa so viele wie in den Vorjahren. Aber: Nur rund 2 Prozent davon führten zuletzt zu Anklagen – und weniger als 1 Prozent zu Verurteilungen.
Gebe es einen Gott – viel ihm der Arm ab ?
Der Bochumer Kriminologe Tobias Singelnstein legte kürzlich eine der bisher raren Studien zur Polizeigewalt vor. Er hatte 3.350 Gewaltbetroffene direkt befragt. Das Ergebnis: Die Zahl der Verdachtsfälle sei fünfmal so hoch wie die offizielle Zahl. Viele Betroffene verzichteten auf Anzeigen, weil sie diese für nicht aussichtsreich hielten – oder Gegenanzeigen fürchteten. Singelnstein fordert erkennbare Dienstnummern für alle Beamten und unabhängige Beschwerdestellen.
Martin Herrnkind war 38 Jahre Polizist und Mitglied der Amnesty-International-Recherchegruppe Polizei. Heute lehrt er im Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung Schleswig-Holstein. Er glaubt nicht, dass die Videos eine gesteigerte Gewalttätigkeit der Polizei dokumentieren. Eher sieht er darin eine höher gewordene Sensibilität für Gewalt. „Früher wurden etwa Kinder häufiger geschlagen, es gab auf jedem Volksfest eine Schlägerei. Deswegen hat keiner eine Anzeige bei der Polizei gemacht.“ Heute sei Gewalt tendenziell geächtet. „Man lässt sich nicht mehr so viel von der Polizei gefallen, stuft Dinge eher als Übergriff ein und zeigt diese dann an“, sagt Herrnkind.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Armin Schuster (CDU), MdB
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Unten — Inauguration of Minister Peter Beuth in the Hessian State Parliament by Prime Minister Volker Bouffier on the 18th of januray 2019
Samstag 22. August 2020 um 19:13
Eine Tatsache ist, die Polizei ist nicht einheitlich. Das ist bedingt einerseits durch den Föderalismus. Anderseits gibt es in diversen Orten binnen eines Bundeslandes unterschiedliche Ausbilder bei der Polizei.
Im Bundesland NRW kann die Polizei gelobt werden in Münster, Bielefeld, Kamp – Lintfort, Düsseldorf, Köln und Bonn.
Besonders lobenswert erlebte ich die Hundertschaften der Polizei aus dem niedersächsischen Emden, Hannover und Hamburg. Im Kontext von politischen Demonstrationen gegen oder wegen Rechtsextremisten waren diese vorbildlich.
Daher habe ich die positiven Hundertschaften im Jahr 2011 im Landtag von NRW, veranstaltet von der Die Linke Fraktion durch MdL Anna Conrads und dem gesamten Publikum gelobt. Das Thema war die Demokratisierung der Polizei gewesen.
Damals war Frank Richter als Gewerkschaftler der Polizei zugegen gewesen. Mittlerweile ist er der Polizeipräsident in Essen.
Es ist zu bestätigen, gäbe es nicht gutes Personal bei der Polizei wie in Essen – Borbeck, dann wären einige junge, linkspolitische Aktivisten durch Rechtsextremisten mit Molotowcocktails, weiterer mitgeführten Waffen ermordet worden.
Dies gehört zur Vollständigkeit.
Kritik muss immer ehrlich ausgesprochen werden. Gerade dann wenn durch die Polizei selber Straftaten im Amt begangen werden. Dabei ist in der Gegenwart die Macht der Video Funktion der Smartphones unerlässlich. Speziell in Verbindung mit GB Datenvolumen zwecks live Stream ins Internet wie YouTube.